# taz.de -- Trauerfeier nach dem Tod von Qosay K.: Ruf nach Gerechtigkeit | |
> Knapp zwei Wochen nach dem Tod von Qosay K. in Polizeigewahrsam | |
> versammelten sich Unterstützer*innen zur Trauerfeier. Es sind viele | |
> Fragen offen. | |
Bild: „No Justice, No Peace“: 250 Unter-stützer*innen trauerten um Qosay K | |
DELMENHORST taz | In Delmenhorst schallt am Mittwochabend laut der Song | |
“Ghetto Gospel“ des amerikanischen Rappers 2Pac über die Wiese des | |
Wolleparks. Zwischen Häuserblocks, einem Teich und Reihenhaussiedlungen | |
stehen mehr als 250 Menschen. Freund*innen und Familienangehörige von | |
Qosay K. sowie antirassistische Aktivist*innen treffen sich zu einer | |
Trauerfeier. | |
Initiiert wurde diese vom „Bündnis in Erinnerung an Qosay“. Am vergangenen | |
Freitag hatte bereits die Beerdigung des jungen Mannes im Kreis seiner | |
Familie und der jesidischen Gemeinde in Oldenburg stattgefunden. Qosay K. | |
war [1][am 5. März in Polizeigewahrsam kollabiert] und komatös in ein | |
Oldenburger Krankenhaus eingeliefert worden, wo er in der gleichen Nacht | |
verstarb. | |
Zentrales Anliegen der Veranstaltung im Wollepark sei es, der | |
Entmenschlichung durch den Tod entgegenzuwirken, sagte die Pressesprecherin | |
des Bündnisses, Gundula Oerter. Das Bündnis wolle einen Ort der kollektiven | |
Erinnerung schaffen – friedlich und in Trauer, aber mahnend. | |
Die Moderatorin Nazanin Ghafouri betonte die rassistische Dimension der | |
Ereignisse: „Ich bin mir sicher: Würde Qosay nicht Qosay heißen, würde er | |
anders aussehen – er würde heute hier unter uns sein.“ Der behördliche | |
sowie der Alltagsrassismus in Deutschland sei eine Erfahrung, die alle | |
nichtweißen Menschen teilten. | |
Viele Fragen zum Tod von Qosay K. sind nach wie vor offen. | |
Zivilpolizist*innen hatten K. und einen Freund vor knapp zwei Wochen | |
beim „mutmaßlichen Betäubungsmittelkonsum“ kontrolliert, wie es in einer | |
Pressemitteilung der Polizei heißt. Der 19-Jährige, der vor sechs Jahren | |
vor dem sogenannten Islamischen Staat aus Südkurdistan nach Deutschland | |
geflohen war, sei weggerannt und habe sich körperlich gegen seine | |
Ingewahrsamnahme gewehrt, heißt es weiter. Die Beamt*innen hätten | |
Pfefferspray eingesetzt und K. fixiert. Wenige Stunden später war er tot. | |
Schwere Vorwürfe wurden zuerst in sozialen Medien gegen die eingesetzten | |
Beamt*innen und Rettungssanitäter*innen sowie die Polizei | |
Delmenhorst im Allgemeinen erhoben. Unter anderem heißt es, laut | |
Augenzeug*innen sei K. eine adäquate medizinische Behandlung versagt | |
worden. Zudem soll ein Polizeibeamter länger auf seinem Rücken gekniet | |
haben. Andere Bewohner*innen der Gegend Wollepark, die anonym bleiben | |
wollen, äußerten gegenüber der taz Vorwürfe, auf dem Delmenhorster | |
Polizeirevier Gewalt erfahren zu haben. | |
Sükrü C., ein Freund von Qosay K., sagte auf der Trauerfeier, alle, die | |
sich im Wollepark aufhielten, würden von der Polizei schikaniert und ohne | |
Menschenwürde angesehen. Wichtig sei, dass es so nicht weitergehe. | |
Vorwürfe wie diese weist die Polizei von sich. In einem ersten | |
Obduktionsbericht schließt die Staatsanwaltschaft Oldenburg äußere Gewalt | |
als Todesursache aus. Das Anwält*innen-Team der Familie hat privat eine | |
zweite Obduktion beauftragt. Das Ergebnis steht noch aus. Die Familie will | |
die Todesumstände vor Gericht klären lassen. Die Polizei hatte zuerst nur | |
ein Todesursachenfestellungsverfahren eingeleitet. Der Oldenburger | |
Polizeipräsident Johann Kühme [2][betonte gegenüber dem NDR], es gebe keine | |
Ermittlungen gegen seine Beamt*innen. | |
Die Anwält*innen der Familie, Cahit Tolan und Lea Voigts, haben | |
mittlerweile Strafantrag wegen des Vorgehens der Polizei gestellt. Tolan | |
betonte gegenüber der taz, dass es Ungereimtheiten gebe, die geklärt werden | |
müssten. | |
Einen Tag vor der Trauerveranstaltung hatte sich der Großvater der Familie | |
mit einem Video über die jesidische Gemeinde an die Öffentlichkeit gewandt | |
und gesagt, dass die Familie von öffentlichen Aktionen absehen werde. Eine | |
Rolle spielt dabei wohl der unsicheren Aufenthaltsstatus und die Angst, | |
noch mehr als den Sohn zu verlieren. | |
Bei der Andacht hielt die Polizei Abstand. Cousins, Onkel und Tanten | |
signalisierten über einen Gruß, den die Moderatorin auf der Kundgebung | |
verlas, ihre Dankbarkeit für die Trauerfeier. Die Teilnehmer*innen | |
reckten ihre Fäusten in die Luft, während ein weiterer Lieblingssong Qosay | |
K.s über die Wiese schallte. Die Menge rief: „No justice, no peace!“ | |
19 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Todesfall-in-Polizeigewahrsam/!5756248 | |
[2] https://www.ardmediathek.de/ndr/video/hallo-niedersachsen/tod-nach-festnahm… | |
## AUTOREN | |
Michael Trammer | |
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