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# taz.de -- US-Superhelden-Epos in Überlänge: Streaming von Trauma
> Was bringen eigentlich Superhelden-Filme? Einige Gedanken über das Genre
> zum Start des vierstündigen Hollywood-Epos „Zack Snyder’s Justice
> League“.
Bild: Mal ein bisschen Weisheit durchs dritte Auge ausströmen lassen
Was haben uns die Superhelden eigentlich gebracht? Darüber lässt sich zu
Ostern mit einem „Rewatch“ von Monty Python’s „Life of Brian“ nachden…
Etwa wenn John Cleese als Anführer der „Volksfront von Judäa“ auf die
rhetorische Frage nach dem Beitrag der Römer für das Land sinnvolle
Antworten bekommt („das Aquädukt!“, „die öffentliche Ordnung!“). Krit…
könnte man ebenso argumentieren mit der [1][Kannibalisierung des
Comicbook-Genres] durch Hollywood. Der Start von „Zack Snyder’s Justice
League“, einem Vierstundenexzess, der nun auf Sky Premiere feiert, ist
dafür der beste Anlass.
Eines der interessanten Dinge, die sich mit der Popularisierung des
Superheldengenres ergeben haben, ist ihre zunehmende Aufladung mit
Symbolpolitik. Christopher Nolans „Dark Knight“-Filme wurden eng im Kontext
der US-Reaktion auf 9/11 interpretiert, zuletzt mit [2][Heath Ledgers
Joker] als Terrorist, der „nur die Welt brennen sehen will“. Oder mit Tom
Hardys Bane-Bösewicht, einem Neobolschewiken und
Anti-Wallstreet-Populisten, der kürzlich als Meme des Gamestop-Börsenhochs
wiederkehrte.
## Konkurrierende Universen
Auf einer weiteren Ebene bilden die beiden konkurrierenden
Superhelden-Universen, das von Disney bestimmte „Marvel Cinematic Universe“
und das traditionell in den Händen des Warner-Brothers-Studios befindliche
„DC Extended Universe“ die zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaften
ab. Insbesondere darin, dass die Zuteilung von „Werten“ zu dem einen oder
anderen „Universe“ ziemlich arbiträr erscheint.
Ist das MCU mit seiner Betonung von Diversität und Emanzipation, von Spaß
und Empathie etwa „demokratischer“, ja sogar „linker“ als das zur Düst…
neigende DCEU, in dem doch aber in gleicher Weise verstärkt auf PoC und
[3][starke Frauen] („Wonder Woman“) gesetzt wird? Noch komplizierter wird
es, wenn man die divergenten Produktionsauffassungen vergleicht: In der
Marvel-Welt regiert Überproduzent Kevin Feige, der für die Filme jeweils
Regietalente aus dem Indie-Kino abwarb; Namen wie Chloe Zhao, die gute
Chancen darauf hat, mit ihrem Arthouse-Film „Nomadland“ einen Oscar zu
gewinnen und danach mit dem Superheldenfilm „Eternals“ einen Kassenhit zu
liefern.
Die Ausformung des DC-Universums hat Warner Bros. dagegen längst in die
Hände des Produzenten und Regisseurs Zack Snyder gegeben. Dessen
Handschrift mit seiner „300“-Ästhetik, den „Gewalt in Zeitlupen“-Seque…
und der finsteren Rhetorik, wirkte im Vergleich zu den sympathisch frischen
Superheldenjungs und Mädels von Marvel zunehmend unmodern. Worin wiederum
ein besonderer Reiz liegt.
Letzteres kommt mit der Streamingpremiere von „Zack Snyder ’ s Justice
League“ inmitten der Pandemie nun noch einmal neu zur Geltung. Gut möglich,
dass die Welt empfänglicher ist für den speziellen Ernst der
Zack-Snyder-Version einer bedrohten Erde, in der sich die Überhelden in
bitterer Gegnerschaft verstrickt haben und außerdem sämtlich von Verlusten
traumatisiert sind.
## Archetypisches Katastrophenprojekt
Die erste Version von „Justice League“, die 2017 anlief, war ein
Katastrophenprojekt, wie es im Buche steht: Umstritten war schon die
Produktion, bei der Snyder angewiesen wurde, einen „leichteren“ Ton
anzuschlagen. Dann, gezeichnet von Snyders Abgang, der aus persönlichen
Gründen erfolgte (er trauerte um seine Tochter Autumn), übernahm Regisseur
Joss Whedon („Avengers“) mit einer entgegengesetzten
Superhelden-Auffassung: Was zu einem echten „Frankenstein-Film“ führte, der
für Warner nicht genug Geld einspielte, unter Fans aber eine Bewegung unter
dem Hashtag „#ReleaseTheSnyderCut lostrat.
Dass Snyder seinen Cut nun realisieren konnte, verdankt sich – auch darin
eine Spiegelung der Realpolitik – der Verschärfung der „Streaming Wars“.
HBO Max, das zu Warner gehört, ließ sich davon überzeugen, dass das Projekt
mit seinen engagierten Fans als Abowerbung sinnvoll und sogar eine
Mehrinvestition von 70 Millionen US-Dollar für Nachdrehs wert sein könnte.
„Schluss mit lustig“ wäre ein angemessener Untertitel zu „ZSJC“. In vo…
Länge seiner 242 Minuten jedenfalls kommt die Superheldensaga, in der nun
Ray Fishers Cyborg das emotionale Zentrum bildet, besser zur Geltung als in
der mit verfehlten Pointen durchsetzten Version von 2017.
Der Film, unterteilt in sieben Kapitel, bietet den Konsum in
Miniserienformat an. Dass Snyder gleichzeitig aufs Academyformat von
annähernd 4:3 zurückgreift, verleiht dem Film einen entrückten,
altmodischen Touch, der den Stolz darauf, gegen den Marvel-Trend zu laufen,
noch betont. Wem die erste Version von 2017 grundsätzlich missbehagte, der
wird auch der Neufassung nichts abgewinnen können. Dass Snyder hier eine
sehr eigene, gerade in ihrer Unbehaglichkeit und Gegentrendigkeit spannende
Vision realisiert hat, fesselt und irritiert zugleich. Sieht so etwa die
Antwort auf Martin Scorseses Vorwurf aus, dass Superheldengenre sei kein
Kino?
18 Mar 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
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