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# taz.de -- Corona-Schnelltests im Alltag: Endlich eine echte Waffe
> Schnelltests ermöglichen, aktiv etwas gegen die Ausbreitung des
> Corona-Virus zu tun, anstatt nur zu vermeiden. Das macht mich
> optimistisch.
Bild: Erleichtert einiges: Corona-Schnelltest. Hier ein Angebot in der Münchne…
Am 6. März habe ich meinen ersten Coronatest gemacht, bei Budnikowsky in
der Hamburger Meile, für 25 Euro. Ich weiß, dass diese Kolumne „Fremd und
befremdlich“ heißt, aber beschweren will ich mich aktuell nicht. Ich kann
vieles, was um mich her passiert, verstehen. Die Leute sind gekränkt,
enttäuscht, verzweifelt, müde und überfordert. Mittendrin sitze ich an
meinem Schreibtisch, auf meiner Insel, und bin, was ich selten bis fast nie
bin – optimistisch!
Ich kann es selbst kaum glauben, aber trotz der steigenden Zahlen, trotz
der Aussichten auf eine dritte Welle, die schon im Anrollen ist, habe ich
sehr viel Hoffnung, denn jetzt kann ich endlich etwas tun. Die bisherige
Strategie beruhte auf dem Vermeiden. Vermeiden, schön und gut, das war und
ist sicher richtig, aber auf die Dauer ist das eine sehr passive und
unbefriedigende Möglichkeit, mit den Dingen umzugehen. Außer der Maske
konnte ich sonst einfach nichts wirklich tun. Und, ich meine, Leute
treffen, das fehlt mir schon, privat und im Beruf.
Ich habe eine Freundin, die ist 80 Jahre alt, die habe ich ewig nicht mehr
gesehen. Jetzt kann ich mich, kostenlos sogar, testen lassen und sie dann
besuchen. Ich bin keine Gefahr mehr für sie oder irgendwen, und das ist ja
bisher meine größte Angst gewesen. Im Grunde kann ich jeden Menschen jetzt
wieder sehen, meine Mutter in Brandenburg besuchen, meine Schwester zu
Ostern einladen, wenn wir uns alle, und das ist die Voraussetzung, vorher
testen lassen. Was ja kein großes Ding ist. Schnell erledigt. Es
erleichtert mich so sehr.
Wenn alle, oder die meisten Menschen sich vorsorgend verhielten und sich
immer wieder testeten, die Arbeitgeber, die Veranstalterinnen, dann könnten
wir endlich wieder reinen Gewissens gesellig leben. Und nein, das hat
nicht, wie ich in einem Kommentar las, mit „Test-Hysterie“ zu tun, sondern
mit dem Gegenteil, es ist kein Gefühl, dem wir da folgen, sondern es sind
Daten, wir folgen der Ratio. Nur wenn wir infiziert sind, müssen wir andere
meiden.
Mit den Tests haben wir eine echte Waffe in der Hand. Und andererseits,
welchen Grund gibt es dann heute noch, Oma zu besuchen, ohne sich vorher
getestet zu haben? Vielleicht ist Oma schon geimpft? Im Moment gehen die
Zahlen der über-achtzigjährigen Infizierten steil nach unten. Gegen den
Trend, nachdem die Zahl der Infizierten wieder zunimmt.
Sind das vielleicht Auswirkungen der Impfungen? Das wäre die nächste gute
Nachricht. Das sind die Dinge, die mich freuen. Die Situation ist für viele
Menschen schwierig, beruflich, privat, finanziell, für manche ist sie
tragisch, und es werden Fehler gemacht, Menschen bereichern sich,
Politiker:innen handeln egoistisch, normale Menschen handeln ebenso,
die Intensivstationen sind nicht eben leer, das Krankenhauspersonal
überlastet, jüngere Menschen infizieren sich mittlerweile öfter und müssen
länger beatmet werden, verweilen also länger auf der Intensivstation, und
„Niedersachsen und die Bundesrepublik sind weit davon entfernt, die
Infektion im Griff zu haben“, wie Anke Pörksen, die Sprecherin der
Niedersächsischen Landesregierung, in einem [1][Interview] aktuell
gegenüber dem NDR zugibt.
Probleme zuzugeben, Ratlosigkeit zuzugeben, ist übrigens essentieller
Bestandteil politischer Aufrichtigkeit. Dass die Schüler:innen in die
Schulen zurückkehren, wird die Situation nicht verbessern, dass die
Geschäfte öffnen, auch nicht. Es sieht sogar recht bedrohlich aus, wenn ich
mir die aktuelle Lage so ansehe. Die Zahl der unter-fünfzehnjährigen
Infizierten steigt aktuell über die Zahl der über-achtzigjährigen. Die
Intensivstationen werden wieder voller.
Und wir – wir sollten testen. Es geht schnell, es geht einfach, es bewahrt
vielleicht jemanden vor dem Tod. Dass wir jetzt, bei allen Querelen, ein
Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie, mehrere Impfstoffe haben, zeigt, dass
der Mensch sehr viel kann, dass er erstaunlich ist, bewundernswert, auch
wenn er gleichzeitig so unglaublich dumm ist, seine eigene Lebensgrundlage
zu zerstören und Probleme wie Pandemien erst hervorruft. Aber das ist ein
anderes Thema.
17 Mar 2021
## LINKS
[1] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Corona-Steigt-Inzidenz-in-Nied…
## AUTOREN
Katrin Seddig
## TAGS
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