Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Stockende Impfkampagne: Deutschland ist ein Teenager
> Deutschland wirkt oft wie Halbwüchsiger, der mit dem Fuß aufstampft. Weil
> es lieber chillt, keinen Spinat will oder kein AstraZeneca.
Bild: Manchmal ist Deutschland auch mehr so ein Teenager, der noch nicht richti…
In den Medien häufen sich Berichte über zu riskant oder anderweitig
dilettantisch ausgeführte Überfälle auf Banken und Geldtransporter.
Natürlich denkt man als Erstes, das müssen Künstler sein oder verzweifelte
Kleinunternehmer, die noch immer auf die versprochenen Dezemberhilfen
warten. Laut Radio handelt es sich um ganz normale Spitzbuben.
Die Spitzbuben sind in Not, denn wegen der Pandemie liegen viele ihrer
klassischen Erwerbsfelder brach. [1][Da die Clubs geschlossen sind] und die
Touristen ausbleiben, läuft das Drogengeschäft nur noch auf zwei Zylindern.
Das ruckelt ordentlich. Auch die heimischen Koksrüssel sitzen zu Hause auf
dem Sofa: Tatort statt Berlinale – da ist der Jieper auf Kartoffelchips
naturgemäß größer als der auf Nasivin forte.
Die guten alten Gewerke Schutzgelderpressung und Zuhälterei fallen gleich
völlig flach, denn Gastronomie und Prostitution befinden sich im Lockdown.
Wie soll man Leute an ihrer Arbeitsstelle ausbeuten, einschüchtern und
erniedrigen, wenn sie dort nicht anzutreffen sind? Es ist ein Teufelskreis.
Man leidet richtiggehend mit. Die Vorstellung, wie Papa Spitzbube und Mama
Spitzmädchen in ihrer Räuberhöhle hohlwangig zusehen, wie ihre Spitzkinder
am letzten Brotkanten mümmeln, schmerzt fast körperlich. Da die Huren und
Barbesitzer nun eine Superausrede haben, nicht den fälligen Zins für gar
nichts abzudrücken, bleiben im Grunde nur noch Überfälle. Lauterbach,
Drosten und Co zwingen unsere kleinen Bösewichter ja geradezu in die
schlecht organisierte Kriminalität.
## Ständig fallen Teile von den Flugzeugen ab
Und es gibt noch mehr schlechte Nachrichten. Jetzt, da kaum noch geflogen
wird, macht sich das lange Herumstehen der Flugzeuge nachteilig bemerkbar.
Denn bei den wenigen Flügen fallen nun offenbar ständig Teile ab. Meine
freiwillige Infektionsgruppe hat deshalb beschlossen, erst mal längere Zeit
aus der sicheren Deckung zu beobachten, wie andere mit den Rostbeulen
fliegen, bevor wir uns selbst in eine setzen.
Des Weiteren ist zu hören, dass die deutschen Wirtschaftsverbände weiterhin
eindeutige Wiedereröffnungsperspektiven verlangen. Oho. Zwar droht die
Pandemie nicht zuletzt dank des unermüdlichen Einsatzes der Wirtschaft
gerade zur dritten Welle durchzustarten, aber sie „verlangen“ was. Die
Pandemie soll einfach nicht da sein, die ist blöd. Wirtschaftsverbände sind
wie kleine Kinder.
Aber nicht nur die Wirtschaftsverbände – ganz Deutschland wirkt oft wie ein
kleines Kind, das mit dem Fuß aufstampft, weil es keinen Spinat will oder
kein AstraZeneca. Nur, dass Deutschland nicht fünf ist, sondern
hundertfünfzig. Oder fünfzehn? Denn manchmal ist Deutschland auch mehr so
ein Teenager, der noch nicht richtig weiß, wohin er will. Ein Unfertiger,
ein Suchender.
Vielleicht sollte es weniger kiffen, mal ein bisschen Struktur in sein
Leben bringen: einen richtigen Lockdown zum Beispiel, knackig, kurz und
effektiv. Aber was die Erwachsenen vorschlagen, wird ja grundsätzlich
abgelehnt, zum Beispiel so: „Wollen wir nicht mal die Impfungen vernünftig
organisieren? Impfen ist total gesund!“ Und Deutschland dann so: „Oh nö,
Alter, gesund ist doch voll scheiße, uuääh…“ Es muss immer provozieren.
Dabei aber von nichts eine Ahnung. Wenn beispielsweise Taiwan Deutschland
anbietet, vor der Stunde noch schnell von ihm abzuschreiben, weil es seine
Hausaufgaben mal wieder nicht auf die Reihe gekriegt hat, lehnt Deutschland
dankend ab: „Ich weiß nicht, du bist ja eine Insel.“ Deutschland ist
schlicht zu verpeilt und chillt lieber. Das hat ja auch seinen Charme, ist
bloß doof, dass da dann irgendwie voll die Leute sterben und so.
15 Mar 2021
## LINKS
[1] /Clubcommission-Vorsitzende-im-Interview/!5754701
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Kolumne Berlin viral
Schwerpunkt Coronavirus
Teenager
Kolumne Berlin viral
Kolumne Berlin viral
Schwerpunkt Coronavirus
Kolumne Berlin viral
Kolumne Berlin viral
Kolumne Berlin viral
## ARTIKEL ZUM THEMA
Revival der Friedhöfe während Corona: Wo das Leben tobt
Was vormals der Zirkusbesuch war, ist im Lockdown der Friedhofsspaziergang.
Fröhliche Freiluftinfektionsgruppen tummeln sich zwischen Grabstätten.
Endlich wieder Kunst: Das Luftholen tut so gut
Tapfer tun wir weiter so, als hielten Frühling und Post-Corona-Ära Einzug.
Wir nutzen die Möglichkeiten, die sich bieten. Zumindest für einen Moment.
Entscheidung des Gesundheitsministeriums: AstraZeneca-Impfungen gestoppt
Überraschend setzt auch Deutschland die Nutzung des Corona-Impfstoffes aus.
Das Auftreten von Thrombosen müsse untersucht werden.
Der Flachmann für die Frau: Tippety toppety down with Nazis!
Parkspaziergänge mit Alkoholmixgetränken sind voll im Trend seit Corona.
Aber oft fehlt dafür noch das nötige Equipment.
Brillen in Coronazeiten: Wie wär’s mit Telefonieren?
Die Brille beschlägt mit der Maske. Ohne Brille sieht man aber nichts und
schreibt komische Nachrichten auf dem Mobiltelefon.
Schriftsteller und Coronavirus: Das ist die falsche Frage
Medium A interviewt Autor B zu Thema C, von dem er keine Ahnung hat. Warum
fragen sie nicht die Experten? Schuster bleib bei deinem Leisten!
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.