# taz.de -- Segler starten Finale des America’s Cup: Krasse Krakenfoiler | |
> Duell der Trimmer und Kurbler: Neuseeland und Italien segeln beim Finale | |
> des America’s Cup mit futuristischen Yachten um die älteste Sporttrophäe. | |
Bild: Fliegende Herausforderer: die italienische Yacht „Luna Rossa“nimmt Fa… | |
„City of Sails“ nennt sich Neuseelands größte Stadt Auckland. Entsprechend | |
stolz ist man dort, dass ab Mittwoch auf dem Hauraki-Golf östlich der Stadt | |
um die älteste Sporttrophäe der Welt gesegelt wird. Im Finale um den | |
protzig-hässlichen America’s Cup, gern als bodenlose Kanne bespottet, | |
[1][wird bereits seit 1851 gekämpft.] Jetzt stehen Neuseeland und Italien | |
im Finale des 36. Cups. Die Italiener setzten sich als Herausforderer gegen | |
die USA und zuletzt gegen die Briten durch. Deren Boot wurde immerhin vom | |
besten Olympiasegler aller Zeiten gesteuert. Sir Ben Ainslie gewann viermal | |
Gold und einmal Silber. | |
Jetzt stehen zwar die Italiener bereits zum dritten Mal im Finale dieser | |
Regatta verrückter Superlative – und nun schon zum zweiten Mal gegen | |
Neuseeland. Doch vor 21 Jahren wurden sie von den Kiwis mit 0:5 düpiert. | |
Die Neuseeländer sind auch jetzt die Favoriten. Die Azurri gelten nur als | |
ebenbürtig bei leichteren Winden und hatten bisher eine bessere | |
Starttaktik. Das ist die Schwäche der Kiwis, die aber dafür das schnellere | |
Boot haben. | |
Gesegelt wird nicht mehr wie vor vier Jahren auf Katamaranen, sondern auf | |
den jetzt eigens entwickelten Krakenfoilern vom Typ AC75. Das sind knapp 23 | |
Meter lange und 5 Meter breite Einrumpfboote, die jeweils ausschwenkbare | |
Tragfläche in Lee heben, keinen Kiel und kein Schwert haben. Die Tragfläche | |
hebt das Boot komplett aus dem Wasser und verhindert zugleich die seitliche | |
Abdrift. Doch können die futuristischen Geschosse von der Tragfläche | |
stürzen und dabei kentern, wie es in der Qualifikation dem US-Team | |
passierte. | |
Die Boote mit elf Mann – wirklich nur Männer – Besatzung erreichen eine | |
Geschwindigkeit von bis zu 50 Knoten und damit mehr als die jeweilige | |
Windgeschwindigkeit. Entscheidend für den Erfolg ist, das Boot die ganze | |
Zeit mit Höchstgeschwindigkeit auf den Tragflächen zu halten, von denen es | |
auch bei Manövern nicht runterfallen und damit bremsend eintauchen darf. | |
Dazu müssen Wenden und Halsen sowie Steuern und Taktik fehlerlos sein. Denn | |
taucht der Rumpf einmal ins Wasser ein, während der Gegner auf den | |
Tragflächen davonfliegt, ist dies nicht mehr aufzuholen, es sei denn, dem | |
Gegner passiert das auch noch. | |
## „Pitbull“ am Steuer | |
Um die Boote zu bedienen, besteht mehr als die Hälfte der Mannschaft aus | |
„Kurblern“, die permanent mechanisch Druck im Hydrauliksystem aufbauen. Das | |
dient der Einstellung der Karbonsegel und der Tragflächen durch die | |
Trimmer. Lässt der Druck im System nach, droht der Verlust der Kontrolle | |
über das Boot. | |
Steuermann der Neuseeländer ist der Olympiasieger Peter Burling. [2][Er | |
holte 2017 den Cup für Neuseeland,] den er jetzt verteidigen darf. Die | |
Italiener dagegen treten mit zwei gleichberechtigten Steuerleuten auf jeder | |
Seite des Bootes an. Sie müssen dann bei den Manövern nicht mehr die Seite | |
wechseln. Es sind der dreifache italienische Olympiasegler Francesco Bruni | |
und der Australier Jimmy Spithill. Der gilt als einer der erfahrensten und | |
aggressivsten America’s-Cup-Steuerleute, weshalb er „Pitbull“ genannt wir… | |
Er steuerte bereits dreimal im America’s Cup zum Sieg. | |
Der Kampf um die wichtigste Trophäe des internationalen Segelsports setzt | |
gigantische Investitionen voraus, die nur milliardenschwere | |
Industriekapitäne oder Industriesyndikate aufbringen. Die eigens für die | |
Rennen entworfenen Boote sowie die Mobilisierung der besten Profisegler und | |
Konstrukteure eines Landes über Jahre verschlingt Dutzende Millionen. Bei | |
einem Sieg winkt nationales Prestige. | |
Als Neuseeland den Pokal erstmals 1995 gewann, stand das Land am Ende der | |
Welt Kopf. Hunderttausende bereiteten der siegreichen Crew in Auckland | |
einen triumphalen Empfang, den dort allenfalls ein Rugby-Weltmeistertitel | |
für die All Blacks übertreffen kann. Der 1995 und 2000 für Neuseeland | |
siegreiche Teamschef Peter Blake wurde zum Nationalhelden. | |
Als das neuseeländische Team 2013 nach dem Stand von 8:1 noch mit 8:9 in | |
San Francisco verlor, litt das halbe Land nicht nur unter der tragischen | |
Niederlage, [3][sondern auch an tagelangem Schlafdefizit.] Denn die | |
Liveübertragungen hatten zu nächtlicher Zeit stattgefunden. Die Bedeutung | |
des Cups für Neuseeland zeigt auch, dass die Regierung der Sozialdemokratin | |
Jacinda Ardern die Veranstaltung aus Steuermitteln bezuschusst. Noch 1999 | |
hatte eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne mit den roten Socken des | |
Segelidols Peter Blake dafür gesorgt, dass Neuseeland überhaupt den Cup | |
verteidigen konnte. | |
Die genauen Summen des America’s Cup sind nicht bekannt. Berichten zufolge | |
soll allein die gescheiterte Kampagne der Briten die Sponsoren 100 | |
Millionen Dollar gekostet haben. Doch dürfte die Coronapandemie jetzt auch | |
in Neuseeland unabhängig vom Abschneiden zu einem Defizit führen. Lockdowns | |
ließen bereits zwei der drei internationalen Vorregatten ausfallen und | |
sorgten jetzt für eine Startverschiebung auf den 10. März. An Land darf es | |
kein Public Viewing geben und die Segler und ihr jeweils rund 90-köpfiges | |
Expertenteams leben schon seit Monaten in einer Bubble. | |
Sieger ist übrigens das Team, das bis zum 15. März als erstes sieben Rennen | |
gewonnen hat oder an diesem Tag die meisten Siege hat. | |
9 Mar 2021 | |
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[1] https://de.wikipedia.org/wiki/America%E2%80%99s_Cup | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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