Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Segeln, America's Cup: Fliegende Neuseeländer
> Die Segelboote berühren kaum noch das Wasser, die Rennen werden
> riskanter. Das innovative Neuseeland besiegt im Halbfinale die Briten.
Bild: Neuseeländer gegen Briten beim Halbfinale des America's Cup
Beim Kampf um die älteste Sporttrophäe der Welt ist das britische Segelteam
von Sir Ben Ainslie am Donnerstag gegen die Mannschaft Neuseelands mit 2:5
ausgeschieden. Dem Team des besten Olympiaseglers aller Zeiten (viermal
Gold, einmal Silber) war nur in der sechsten Wettfahrt ein echter Sieg
gelungen. Den anderen Punkt hatte er einer spektakulären Kenterung der
Neuseeländer vor dem Start zur dritten Wettfahrt am Dienstag zu verdanken.
Das neuseeländische Boot war meist viel schneller. Und dann segelte beim
Start der entscheidenden letzten Wettfahrt der erst 26-jährige Steuermann
Burling, der auch schon je einmal olympisches Gold und Silber gewann,
einfach souveräner. Er ging von Beginn an in Führung. Mit dem langsameren
Boot konnte Ainslie nichts ausrichten, obwohl er dafür bekannt ist, in
schwierigen Situationen zur Höchstform aufzulaufen.
Die Neuseeländer profitierten zudem davon, dass am Mittwoch nicht gesegelt
werden konnte, weil der Wind zu stark war. So hatten sie mehr Zeit, ihren
beim Kentern demolierten Katamaran zu reparieren.
Ainslies Team hatte eigentlich zu den Favoriten unter den fünf
Herausforderern gehört. Diese ermitteln seit dem 26. Mai vor Bermuda das
Boot, das ab 17. Juni gegen den Cupverteidiger USA im Kampf um den
America’s Cup antreten darf.
## Neuseeländer wieder die favorisierten Herausforderer
Diesen „bodenlose Kanne“ genannten Pokal hatten die Briten im Jahr 1851 an
die Amerikaner verloren. Seitdem sind alle Versuche gescheitert, ihn wieder
„nach Hause“ zu holen, wie es Ainslie proklamierte. Die Regeln bevorzugen
allerdings die Verteidiger, weil diese die Bedingungen festlegen dürfen.
Weil Ainslies Team in Bermuda früh Schwächen zeigte, hatten die
Neuseeländer sein Team als Wunschpartner für ihr Halbfinale ausgewählt.
Zunächst war das französische Boot, das von Franck Cammas gesteuert wurde,
ausgeschieden. Die Franzosen galten als Außenseiter und konnten nur
gelegentlich mithalten.
Jetzt sind die Neuseeländer, die vor vier Jahren nach einer 8:1-Führung
noch mit 8:9 gegen das US-Boot dramatisch verloren hatten, wieder die
favorisierten Herausforderer. Sie müssen sich aber erst noch gegen den
Sieger aus dem Duell Schweden – Japan durchsetzen. Am Donnerstag errang der
für Schweden startende australische Skipper Nathan Outteridge drei Siege
gegen den für Japan startenden Neuseeländer Dean Barker. Damit steht es 4:3
für Schweden. Wer zuerst fünf Siege hat, kommt weiter.
Barker verlor das letzte Rennen des Tages nach einem Penalty, den er knapp
führend an der letzten Luvboje bekam. Er hatte den Schweden nicht genug
Raum gegeben, wie die Schiedsrichter entschieden. 2013 war er noch Skipper
seines Heimatlandes, wurde aber nach der Niederlage gegen die USA
ausgetauscht.
## Perfektionierte Technik, sehr hohe Verletzungsgefahr
Die Neuseeländer sind das innovativste Team. Sie entwickelten auch die
Technik des Foilens, zeigten diese aber vor dem letzten Cup zu früh, sodass
die Konkurrenz nachrüsten konnte. Dabei segeln die Katamarane auf
schwertartigen Tragflächen und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 50
Knoten.
Inzwischen ist die Technik so perfektioniert, dass die Boote auch bei
Wenden und Halsen auf den Tragflächen bleiben, die Rümpfe also gar nicht
mehr ins Wasser eintauchen. In Bermuda gab es jetzt Rennen, bei denen die
Boote 98 Prozent der Zeit auf ihren Tragflächen fahren und mit dieser
Technik bis zu dreifache Windgeschwindigkeit erreichen können.
Aus den einstigen Kielschiffen mit überdimensionalen Segeln des America’s
Cup sind fliegende Boliden geworden. Die Segler gleichen mit ihren Helmen
heute Rennfahrern. Die Verletzungsgefahr ist stark gewachsen. 2013 ertrank
ein Segler des schwedischen Teams, weil er unter dem gekenterten Boot
eingeklemmt war.
Ein Kernstück der inzwischen auf 15 Meter verkürzten und nur noch mit sechs
Seglern bestückten AC-50-Boote ist die Hydraulik. Permanent bauen die
Athleten mit Kurbeln mechanisch Druck auf, um das Flügelsegel und die
Steuerungselemente bewegen zu können. Bei ungenügendem Druck – etwa wenn
die Mannschaft erlahmt oder es zu viele Manöver in zu kurzer Zeit gibt –
sind die Boote kaum noch beherrschbar.
Ohnehin reagieren sie während ihres Flugs auf den Tragflächen sehr
empfindlich auf Böen. Schlägt plötzlich einer der zwei Rümpfe auf dem
Wasser auf, wird das Boot abrupt gebremst und kann dann kentern, sich
überschlagen oder die Mannschaft abwerfen.
## Jetzt gehören auch Kenterungen zum America's Cup
Statt Handkurbeln haben die Neuseeländer in ihr Boot erstmals vier
Fahrradsättel mit Pedalen montiert, um die stärkeren Beinmuskeln zu nutzen.
Das wurde zunächst belächelt, scheint sich aber zu bewähren. Doch kenterten
die Neuseeländer am Dienstag bei einem „Stecker“ vornüber, als das Boot v…
den Tragflächen stürzte und sich die Bugspitzen ins Wasser bohrten. In der
britischen Fachzeitschrift Yachting World vermutet ein Experte, dass wohl
ein Bedienfehler des „Höhenleitwerks“ der Ruderblätter das Heck in einer …
zu steil aufsteigen ließ.
Die Ursache könnte ein Kommunikationsproblem zwischen Burling und seinem
Taktiker Blair Tuke sein. Während bei den anderen Teams der Steuermann für
die Höheneinstellung zuständig ist, hätten die Neuseeländer diese Aufgabe
aufgeteilt.
Der Umstieg auf rasante Katamarane aus Carbon und die Einführung der
Foiltechnik haben den America’s Cup revolutioniert. Innerhalb weniger
Jahre wurden die Bootsgeschwindigkeiten vervielfacht. Der Cup liefert jetzt
spektakuläre Bilder, zu denen im Gegensatz zu früher auch Kenterungen
gehören. Das derzeitige Spektakel beim Wettkampf ist mit traditionellem
Segeln kaum noch vergleichbar, aber medial viel besser vermarktbar und
damit stark kommerzialisiert.
Dennoch bedarf es immer noch großer Geldgeber, heutzutage meist in Form
segelverrückter Milliardäre aus dem IT-Sektor, um die Budgets von mehr als
100 Millionen Dollar für die hochprofessionellen Teams stemmen zu können.
Sollten die USA ihren Titel erfolgreich verteidigen, dürfte sich an der
künftigen Ausrichtung wenig ändern. Sollten aber die Neuseeländer gewinnen,
könnte es wieder große Änderungen geben bis hin zur Rückkehr zu
Einrumpfbooten.
10 Jun 2017
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Segeln
Wassersport
Neuseeland
Kommerzialisierung
Lesestück Recherche und Reportage
Segeln
Segeln
Kiel
Robert Habeck
Neuseeland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Segler starten Finale des America’s Cup: Krasse Krakenfoiler
Duell der Trimmer und Kurbler: Neuseeland und Italien segeln beim Finale
des America’s Cup mit futuristischen Yachten um die älteste Sporttrophäe.
Segeln beim America’s Cup: Ein bisschen Mitleid
Das US-Team liegt mit 0:3 gegen Neuseeland zurück. Drehen können sie die
Finalrunde noch, aber es hakt an Geschwindigkeit und Technik.
Segel-Woche auf Kieler Förde: Regatta mit Festivalatmosphäre
Die Kieler Woche hat zwar ihren Weltcupstatus verloren, dennoch gibt es
neben Currywurst und Windjammern viele spannende Wettbewerbe auf dem
Wasser.
Kite-Surfen im Naturschutzgebiet: „Nicht unsere Spielwiese zerstören“
Wie viel Sport verträgt das Wattenmeer? In Kiel verhandeln Kitesurfer und
Umweltminister Robert Habeck über eine Lösung für Natur und Freizeitspaß.
Entscheidung im America's Cup: Einfach immer schneller
Das US-Team schafft die Sensation und verteidigt den America's Cup. Das
zunächst deutlich überlegene neuseeländische Team blieb chancenlos.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.