# taz.de -- Allbelarussischer Volkskongress: Augenwischerei in Minsk | |
> Reine Symbolpolitik betreibt Lukaschenko mit der Versammlung seiner | |
> Getreuen. Den Zorn seiner Landsleute wird er damit kaum befrieden. | |
Bild: Der Allbelarussische Volkskongress ist gut besucht und maskenfrei | |
Für wie dumm hält Belarus`sogenannter Präsident Alexander Lukaschenko seine | |
Landsleute eigentlich? Mit einem pompös inszenierten zweitägigen | |
Allbelarussischen Volkskongress, der auch über [1][Verfassungsänderungen] | |
diskutieren soll, meint er, dem Unmut in der Bevölkerung etwas entgegen | |
setzen zu können. Direkte Demokratie à la Lukaschenko eben. | |
Das Gremium an sich ist schon ein schlechter Witz: Lediglich mit | |
symbolischen Kompetenzen ausgestattet und ohne klaren rechtlichen Status | |
fiel der Kongress in der Vergangenheit eher durch Ergebenheitsadressen an | |
den weisen Führer denn substantielle Entscheidungen auf. Diesmal sind rund | |
2.700 Delegierte geladen – allesamt handverlesen von der Staatsmacht und | |
wahrscheinlich das letzte Aufgebot von Getreuen, das Lukaschenko noch | |
zusammenkratzen kann. | |
Wie weit sich Lukaschenko bereits von der Realität abgekoppelt hat, zeigen | |
auch seine Vorbedingungen, sollte er seinen Sessel wirklich freiwillig | |
räumen. Ruhe, Ordnung, die Einstellung aller Proteste und | |
Meinungsäußerungen im Rahmen geltender Gesetze. Sollten „andere“ an die | |
Macht kommen, dann bitte doch garantierte Straffreiheit für ihn und alle | |
seine Handlanger. | |
So sieht sie also aus, die schöne heile Welt von Alexander Lukaschenko – | |
des Mannes, der seit seiner grandiosen [2][Wiederwahl im vergangenen | |
August] für Festnahmen, Folter und Verurteilungen tausender | |
Belaruss*innen verantwortlich ist. Auch das Motto der Show „Einheit! | |
Entwicklung! Unabhängigkeit!“ ist purer Zynismus. Schon in diesem Monat | |
will Lukaschenko wieder beim Nachbarn Russland zu Kreuze kriechen und um | |
einen weiteren Kredit nachsuchen. | |
Sein Außenminister Uladzimir Makej sinniert öffentlich darüber, den in der | |
Verfassung verankerten Neutralitätsstatus des Landes zugunsten einer | |
Ausrichtung auf Russland aufzugeben. Und die „Opposition“, die de facto die | |
Mehrheit ist? Sie spricht von “Lukaschenkos Wanderzirkus mit ausgewählten | |
Marionetten und Publikum“ und einem ersten Schritt hin zu einem | |
Verfassungsputsch. Doch diese Kommentare, so richtig in der Sache sie auch | |
sein mögen, werden nicht ausreichen. | |
Die Frage vielmehr ist, ob die alternative Präsidentschaftskandidatin | |
[3][Swetlana Tichanowskaja] und ihre Mitstreiter*innen ihre | |
Anhänger*innen auch nach so vielen Monaten bei der Stange halten und | |
weiter mobilisieren können. A propos: Im Herbst 1996 ebnete der | |
Allbelarussische Volkskongress den Weg zu einem Verfassungsreferendum. Das | |
Ergebnis: Fast unbeschränkte Vollmachten für Alexander Lukaschenko. | |
12 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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