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# taz.de -- Sexismus in arabischen Gesellschaften: Kuwaits #MeToo-Moment
> „Ich werde nicht schweigen“: Wie ein Model vom Golf gegen sexuelle
> Belästigung in einer patriarchalen Gesellschaft aufbegehrt.
Bild: Ascia AKF, Influencerin und Model, prangert sexuelle Belästigung in Kuwa…
Berlin taz | Normalerweise geht es bei Ascia Al Faraj um Conditioner für
lockiges Haar oder um die Frage, wie man den Rest seines Outfits
zusammenstellt, wenn man morgens überraschend ein glitzerndes Oberteil im
Kleiderschrank findet, das man ewig nicht getragen hat. Aber auf den
TikTok-, Instagram- und Snapchat-Kanälen der Mode-Bloggerin aus Kuwait
finden sich auch andere Themen: Da geht es um Geschlechterrollen in der Ehe
oder um Rassimus gegen Schwarze Araber*innen in den Golfmonarchien.
Für Furore sorgen nun Videos, in denen die 31-jährige Influencerin sexuelle
Belästigung in Kuwait anprangert. „In diesem Land gibt es ein Problem mit
sexueller Belästigung, ich habe genug davon!“, [1][konstatierte sie vor
einigen Tagen in einem ersten Video]. „Jedes Mal, wenn ich rausgehe, kommt
jemand, der mich oder eine andere Frau auf der Straße belästigt.“
Nachdem sich das Video über ihre mehr als zwei Millionen Follower*innen
hinaus verbreitet hatte und nicht nur auf Zuspruch stieß, schob Al Faraj an
ihre Kritiker gerichtet hinterher: „Wenn ihr nichts von Substanz zu dieser
Diskussion beizutragen habt, haltet den Mund!“ Sie und ihre
Mitstreiter*innen würden an etwas arbeiten, von dem letztlich alle in
Kuwait profitieren würden, Frauen wie auch Männer.
Mit ihrem Aufschrei hat Al Faraj, Tochter eines Kuwaiters und einer
US-Amerikanerin und selbst Mutter zweier Kinder, in Kuwait eine Diskussion
losgetreten, die an die weltweite MeToo-Bewegung von 2017 erinnert.
TV-Shows haben taharrusch, Arabisch für sexuelle Belästigung, zum Thema
gemacht, und unter dem [2][Hashtag “Lan Asket“] („Ich werde nicht
schweigen“) haben hunderte Frauen von ihren eigenen Erfahrungen berichtet.
„Ein Typ folgte mir in den Fahrstuhl“, schreibt eine Frau, die ihre
Geschichte auf Instagram veröffentlicht hat, „er starrte mich an und machte
sexuelle Kommentare, während er ununterbrochen den Tür-zu-Knopf betätigte.
Ich trug sogar Kopftuch und anständige Kleidung. Die Leute müssen
aufwachen, die sagen ‚Das würde dir nicht passieren, wenn du dich
anständiger kleiden würdest.‘“
Auf einem eigens eingerichteten Instagram-Account und einer
[3][Online-Plattform] berichten Frauen anonym von ihren Erfahrungen. „Kaum
hatte ich den Account eröffnet, wurde ich mit Zuschriften von Frauen und
Mädchen überschwemmt, die Geschichten über verbale, körperliche und
sexuelle Belästigung erzählten“, [4][sagt] Shayma Shamo, die die Plattform
ins Leben gerufen hat, nachdem sie eines der Videos von Al Faraj sah.
Sie habe nicht nur Geschichten von Kuwaitis gehört, sondern auch von
indischen, philippinischen, russischen und spanischen Frauen, berichtet
Shamo. Viele ausländische Frauen arbeiten als Hilfskraft in dem Golfstaat.
Diese Expat-Community in Kuwait, ergänzt Al Faraj in einem ihrer Videos,
sei in einem Maße verletzlich, das sich kuwaitische Frauen kaum vorstellen
könnten.
## „Kultur der Schande“
Das kuwaitische Strafrecht stellt sexuelle Belästigung explizit unter
Strafe; vergangenes Jahr wurde zudem ein [5][Gesetz gegen häusliche Gewalt]
verabschiedet. Doch herrsche eine „Kultur der Schande“, [6][beklagt] Shamo
gegenüber France24. Frauen werde die Schuld für Belästigung gegeben, sodass
viele es nicht wagten, innerhalb der Familie über das Thema zu sprechen
oder die Täter gar bei der Polizei anzuzeigen.
In Kuwait, das als einziger Golfstaat ein gewähltes und einflussreiches
Parlament hat, verfügen Frauen seit 2005 über das aktive und passive
Wahlrecht. Bei der letzten Wahl im Dezember schaffte allerdings keine der
29 Kandidatinnen den Einzug ins Parlament. Die bisher einzige Abgeordnete
verlor ihr Mandat sogar.
Ascia Al Faraj, auch bekannt als Ascia AKF, ist als Influencerin über die
Grenzen des Landes hinaus bekannt. Sie hat eine eigene Modemarke und wurde
international als Hidschab-Model berühmt, da sie stets mit muslimischer
Kopfbedeckung auftrat. Sie arbeitete für Marken wie Ralph Lauren, Dior und
Chanel. 2018 postete sie Bilder ohne Kopftuch und [7][gab bekannt], dass
sie sich künftig mit offenem Haar zeigen werde, um ins Reine zu kommen mit
ihrer Identität.
11 Feb 2021
## LINKS
[1] https://albiladpress.com/news/2021/4502/spaces/692737.html
[2] https://twitter.com/hashtag/%D9%84%D9%86_%D8%A7%D8%B3%D9%83%D8%AA?src=hasht…
[3] https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSeXK8JNCK8vjCArWqya7E8ZMN4kdqMTqjL…
[4] https://www.france24.com/ar/%D8%A7%D9%84%D8%A3%D8%AE%D8%A8%D8%A7%D8%B1%D8%A…
[5] https://www.hrw.org/news/2020/09/29/domestic-violence-law-signals-hope-kuwa…
[6] https://www.france24.com/ar/%D8%A7%D9%84%D8%A3%D8%AE%D8%A8%D8%A7%D8%B1%D8%A…
[7] https://www.youtube.com/watch?v=kt3t4yT4bzI
## AUTOREN
Jannis Hagmann
## TAGS
Kuwait
Muslimische Mode
Mode
Sexismus
Harvey Weinstein
Fremd und befremdlich
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Zehn Jahre Arabischer Frühling
Kuwait
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