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# taz.de -- Coronamaßnahmen von Bund-Länder-Gipfel: Gelockerter Lockdown
> Ein Beschlusspapier sieht trotz steigender Infektionszahlen Öffnungen für
> Einzelhandel und Gastronomie vor. Die Hoffnung liegt auf Nasenbohrtests.
Bild: Mit Antigentests und Terminen sollen teilweise Öffnungen wieder möglich…
Berlin taz | Eigentlich geben die Zahlen eine weitere Öffnung überhaupt
nicht her. Das Robert Koch-Institut meldete am Dienstag 3.943 neue
Coronafälle, die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 65,8 Neuinfektionen pro
100.000 Einwohner:innen, Tendenz steigend. Bei der letzten Beratung von
Bund und Ländern am 10. Februar hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und
die Länderchefs zwar vereinbart, Kitas, Grundschulen und Friseure öffnen zu
lassen. Den nächsten Öffnungsschritt sollte es aber erst bei einer stabilen
Neuinfektionsrate von höchstens 35 geben.
Nun treffen sich am Mittwoch Bund und Länder erneut. Und wie aus der vorab
bekannt gewordenen Beschlussvorlage hervorgeht, die das Kanzleramt mit
Finanzminister Olaf Scholz (SPD), Bayern und Berlin bereits abgestimmt hat,
wird es jetzt schon weitere Öffnungen geben – obwohl oder vielleicht auch
weil die Inzidenz von 35 in weite Ferne gerückt ist.
Grundsätzlich soll der [1][Lockdown dem Papier zufolge zwar bis zum 28.
März verlängert werden]. Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte
dürfen aber ab sofort wieder öffnen, ebenso weitere körpernahe
Dienstleistungen und Fahrschulen. Der sonstige Einzelhandel soll zwar erst
öffnen dürfen, sobald in der Stadt oder dem Landkreis eine
Sieben-Tage-Inzidenz von unter 35 erreicht ist. Mit vorheriger
Terminbuchung dürfen sie aber auch bei höheren Werten schon öffnen. Auch
die Außengastronomie darf mit Terminbuchung und Schnelltests ihren
Schankbetrieb bei höherer Inzidenz aufnehmen.
Völlig unabhängig von der Inzidenz sieht der Entwurf zudem vor, dass
private Treffen ab kommenden Montag wieder mit bis zu 5 Personen aus 2
Haushalten möglich sind, Kinder unter 14 zählen dabei nicht mit. Über die
Osterfeiertage sollen die Kontaktbeschränkungen noch weiter gelockert
werden. „Das besonnene Verhalten der Bürgerinnen und Bürger während der
Weihnachtstage hat eindrucksvoll gezeigt, wie Familienzusammenkünfte sicher
gestaltet werden können“, heißt es in dem Papier. Fraglich ist, ab welcher
Inzidenz wieder strengere Maßnahmen gelten und wie sie umgesetzt werden.
## Das vorsichtige Kanzleramt knickte ein
Der Entwurf zeigt deutlich, dass sich die
Lockerungsbefürworter:innen durchgesetzt haben, das eher
vorsichtige Kanzleramt hingegen beigegeben hat. Noch am Montag hatte
Regierungssprecher Steffen Seibert vor einer „Phase der Sorglosigkeit“
gewarnt. Auch Ärzteverbände sind skeptisch. „Es wäre falsch, einfach einige
Bereiche zu öffnen, weil die Menschen lockdownmüde sind“, sagte die
Vorsitzende des Bundesverbands der Amtsärzte, Ute Teichert, der Rheinischen
Post. Die Gefahr einer dritten Infektionswelle mit hoch ansteckenden
Varianten betreffe auch jüngere Menschen, besonders Risikopatienten, sagte
die Vorsitzende des Marburger Bunds, Susanne Johna, den Funke-Zeitungen.
„Wir reden hier von einem Viertel der Bevölkerung.“
Doch vor allem Länderregierungen mit FDP-Beteiligung sind offenbar von der
35-Inzidenz abgerückt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther
etwa argumentierte, man könne Landkreisen, die sehr niedrige
Infektionszahlen hätten, keine Öffnungsschritte verwehren. Der
Handelsverband HDE hatte zuvor vor einer Pleitewelle gewarnt.
Einzelhandelsgeschäfte scheinen tatsächlich keine Hauptübertragungsorte
zu sein. Wissenschaftler:innen der Technischen Universität Berlin
haben festgestellt, dass das Infektionsrisiko in Geschäften mit
Maskenpflicht eher gering ist, weil die meisten Menschen sich nur kurz
darin aufhalten. In Oberschulklassen sei das Ansteckungsrisiko selbst bei
nur halber Belegung und Maskenpflicht gleich doppelt so hoch.
Und wenn ein Großraumbüro zu 50 Prozent ausgelastet ist und niemand eine
Maske trägt, ist das Infektionsrisiko sogar achtmal höher als ein Besuch im
Supermarkt. Denn die Verweildauer in Büros ist in der Regel sehr viel
länger. Doch außer der Aufforderung an Unternehmer:innen, den
Mitarbeiter:innen weiter Homeoffice zu ermöglichen, bleibt das Papier
vage.
## Streit mit Spahn vorprogrammiert
Gespannt auf die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels sind die
Kultusminister:innen. Die Antigen-Schnelltests spielen eine zentrale Rolle
für die schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht. Seit Anfang der Woche
haben mehrere Bundesländer Schulen geöffnet – regelmäßige Schnelltests gi…
es aber fast überall nur für Erzieher:innen und Lehrkräfte.
In Thüringen erhalten zwar die Abschlussklassen bereits seit Mitte Januar
einmal in der Woche Antigen-Schnelltests. Das sei aber nur dank den mobilen
Teams des Deutschen Roten Kreuzes und der Johanniter zu stemmen gewesen,
heißt es in Erfurt.
Mit einfachen Spuck- oder Gurgeltests für den Eigenbedarf, so die
Hoffnung in den Kultusministerien, könnten sich Schüler:innen vor dem
Unterricht selbst testen. [2][Berlin hat Tests für alle für Mitte März
versprochen]. Woanders versuchen die zuständigen Sozial- und
Gesundheitsministerien herauszufinden, bis wann wie viele Schnelltests
geliefert werden könnten und ob der Bund, wie von Gesundheitsminister Spahn
angekündigt, die Kosten trägt. Die Beschlussvorlage liest sich so, als
sollten die Länder selbst in die Tasche greifen. Streit ist also abzusehen.
2 Mar 2021
## LINKS
[1] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5754462
[2] /Coronaselbsttests-fuer-Berlins-Schueler/!5754396
## AUTOREN
Felix Lee
Ralf Pauli
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