# taz.de -- Amnesty Internationals Herabstufung: Nawalny bleibt trotzdem ein Op… | |
> Die Entscheidung, Nawalny nicht als „Prisoner of Conscience“ | |
> anzuerkennen, war richtig. Doch sie spielt auch dem Kreml in die Hände. | |
Bild: Alexei Nawalny bei seiner Festnahme nach der Ankunft aus Deutschland am 1… | |
Es sind wohl zwei kurze Videoaufnahmen, über die der russische | |
[1][Oppositionspolitiker Alexei Nawalny] nun stolpert, während er in Haft | |
sitzt. Videoaufnahmen, die Mitte der 2000er Jahre aufgenommen worden sein | |
sollen, als Nawalny den Schulterschluss mit Nationalisten suchte. Nawalny | |
war in seinem Wesen als Populist schon immer gut darin, Positionen | |
anzunehmen, die ihm eine Menge an Unterstützung einbringen. Damals waren es | |
menschenverachtende Parolen, von denen er sich zwar inzwischen distanziert, | |
für die er sich aber nie entschuldigt hat. | |
In einem Clip bezeichnet er sich als „diplomierten Nationalisten“ und ruft | |
dazu auf, ebenfalls Nationalist zu werden. In einem weiteren setzt er | |
kaukasische Terroristen mit Kakerlaken gleich und ruft zum Gebrauch von | |
Schusswaffen auf. Zentralasiaten hält er für Kriminelle und empfiehlt deren | |
Deportation. Es sind rassistische Äußerungen, die durchaus verfangen in der | |
russischen Gesellschaft, in der solche Haltungen nur wenige schockieren. Es | |
sind Äußerungen, deretwegen Amnesty International Nawalny nun den erst vor | |
einem Monat selbst verliehenen Status des „gewaltlosen politischen | |
Gefangenen“ wieder aberkannt hat. | |
Die Entscheidung ist richtig, weil die Menschenrechtsorganisation darin | |
ihrem prinzipiellen Ansatz folgt, dass ein solcher Gefangener keinen Hass | |
geschürt haben darf. Und doch ist das Vorgehen auch fragwürdig, weil es | |
denen in die Hände spielt, die Nawalny mit allen Mitteln diskreditieren und | |
seine Lagerstrafe nach einem abstrusen Verfahren letztlich für richtig | |
halten. Eine hochpolitische Strafe, die nichts anderes demonstrieren soll | |
als: Wer so angstlos den Kreml kritisiert, wird weggesperrt. | |
Es ist vor allem fragwürdig, vor welchen Karren sich Amnesty International | |
hat spannen lassen. Viele der Empörten über Nawalny – es sind Empörte aus | |
Westeuropa – hätten sich auf Tweets einer Kolumnistin des vom Kreml | |
finanzierten Auslandssenders [2][Russia Today] bezogen, heißt es. Des | |
Senders, der sich als „schützende Armee für den russischen Staat“ sieht. | |
Die [3][KGB-Methode] der „reflexiven Kontrolle“ hat wieder einmal | |
gegriffen: Der Gegner wurde auch hier zu Handlungen getrieben, die | |
letztlich dem Kreml nutzen und nicht dem eigentlichen Opfer. Und ein Opfer | |
von Russlands politischer Willkürjustiz ist Nawalny allemal, trotz seiner | |
fragwürdigen politischen Positionen. Und nun auch ohne den | |
Amnesty-International-Status. | |
25 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Inna Hartwich | |
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