# taz.de -- Humanitäre Hilfe in Syrien: Das Spiel mit dem Hunger | |
> Es gehört zu den bitteren Lehren aus dem Syrienkrieg: Eine | |
> Nichtintervention kann noch mörderischer sein als militärisches | |
> Eingreifen. | |
Bild: Syrische Kinder waten in einem Geflüchtetenlager bei Idlib durch Schlamm | |
Wie hilft man Menschen in einem kaputten Land, wo es kaum noch etwas zu | |
essen gibt, die Währung wertlos geworden ist und die einzige | |
funktionierende Institution der staatliche Gewaltapparat ist? | |
Das UN-Welternährungsprogramm WFP ruft nach mehr Hilfsgeldern für Syrien, | |
wo die Zahl der Not- und Hungerleidenden in jenem Teil der Bevölkerung, der | |
nicht schon getötet oder geflohen ist, immer weiter anschwillt. [1][Aber | |
das WFP arbeitet in Syrien unter der Fuchtel des Regimes]: Es entscheidet | |
nicht selbst, wen es beliefern darf, und muss einen Großteil seiner Arbeit | |
sogar über staatliche oder staatsnahe „Hilfswerke“ unter Kontrolle | |
mächtiger Figuren des Assad-Clans abwickeln. Die Menschen in den noch nicht | |
vom Regime zurückeroberten Gebieten sind derweil für autorisierte UN-Hilfen | |
auf einen einzigen Grenzübergang aus der Türkei angewiesen und größtenteils | |
dem nackten Elend überlassen. | |
Es ist nicht möglich, das Leid der syrischen Bevölkerung zu lindern, | |
solange Assad an der Macht bleibt. Der Diktator hat im Bürgerkrieg | |
jahrelang die eigene Bevölkerung bombardiert und ausgehungert und setzt | |
auch heute humanitäre Hilfe beziehungsweise deren Verweigerung | |
ausschließlich zu taktischen Spielen ein: Wer unterwürfig bleibt, darf | |
essen, wer frei sein will, darf krepieren. | |
Einen Tag nach dem letzten WFP-Hilfsappell vom 17. Februar veröffentlichte | |
der UN-Menschenrechtsrat einen Bericht über Syrien, der dem Regime | |
Völkermord an der eigenen Bevölkerung vorwirft. In Deutschland werden | |
demnächst die weltweit ersten Gerichtsurteile gegen Folterer des syrischen | |
Regimes erwartet. | |
Zu den bitteren Lehren aus dem Syrienkrieg gehört die Einsicht, dass | |
militärische Nichtintervention noch viel mörderischer sein kann als | |
militärisches Eingreifen. Dazu kommt: Humanitäre Hilfe kann genauso tödlich | |
sein wir ihr Fehlen. Wer den Menschen in Syrien, egal auf wessen Seite, | |
nicht hilft, nimmt ihren Tod in Kauf. Aber wer Hilfsprogramme alimentiert, | |
ernährt damit eben auch einen Gewaltapparat, der Menschen tötet. Es gibt | |
keine moralisch einwandfreie Lösung. | |
23 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] http://xn--468397-gta | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
Baschar al-Assad | |
Humanitäre Hilfe | |
Hungersnot | |
Schwerpunkt Flucht | |
Geberkonferenz | |
Syrien | |
Schwerpunkt Syrien – Verbrechen vor Gericht | |
Schwerpunkt Syrien – Verbrechen vor Gericht | |
Türkei | |
Zehn Jahre Arabischer Frühling | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nothilfe für Syrien: Nicht nur aus Nächstenliebe | |
Mit gut 1,7 Milliarden Euro ist Deutschland bei der Hilfe für Syrien dabei. | |
Langfristige Lösungen sind für die Menschen allerdings nicht in Sicht. | |
Geberkonferenz für Syrien-Kriegsopfer: Lage wird „katastrophal“ | |
Eine Konferenz sammelt Milliardenzusagen für syrische Hilfsbedürftige | |
inner- und außerhalb des Landes. Der Bedarf steigt schneller als die Hilfe. | |
Prozess zu Folterungen in Syrien: Historisches Urteil | |
Mit dem Urteil im Fall des Syrers Eyad A. setzen die Richter Zeichen. Das | |
syrische Regime ist der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig. | |
Gerichtsprozess zu Verbrechen in Syrien: Das Rädchen im Foltergetriebe | |
Eyad A. soll dem syrischen Geheimdienst beim Foltern geholfen haben. Seit | |
April steht er in Koblenz vor Gericht, jetzt endeten die Pladoyers. | |
Türkische Offensive gegen die PKK: Tote Geiseln werden zum Politikum | |
13 Tote. So viel steht fest. Wie die im Nordirak gefangen gehaltenen Türken | |
starben, ist derweil unklar. Ankara wirft der PKK Hinrichtungen vor. | |
Zehn Jahre Arabischer Frühling: Die zweite Welle ist klüger | |
Sudan, Algerien, Libanon, Irak: Was die arabischen Nachzügler aus der | |
ersten Protestwelle von 2011 gelernt haben. |