# taz.de -- Protest gegen Strauchrodungen: Vorbereitende Maßnahmen | |
> Am Mehringdamm muss halbwildes Straßengrün für die Radwegsanierung und | |
> neue Leitungen Platz machen. BürgerInnen protestieren dagegen. | |
Bild: Wie Sie sehen, sehen Sie nichts: Gerodete Sträucher am Mehringdamm | |
Der Fahrradweg, der den Kreuzberger Mehringdamm hinabführt, ist seit Jahren | |
mehr als sanierungsbedürftig – eng, holprig, unübersichtlich, gefährlich. | |
Mittlerweile ist das Bezirksamt dabei, die wichtige Nord-Süd-Verbindung | |
abschnittsweise nach den Vorgaben des Mobilitätsgesetzes zu erneuern. Vom | |
Platz der Luftbrücke bis zur Bergmannstraße rollt es sich mittlerweile | |
recht kommod auf einem breiten Asphaltstreifen, der Teil des ausgedehnten | |
Gehwegs ist. Am Eingang zum U-Bahnhof wird der Radweg auf die Fahrbahn | |
verschwenkt und dort von Pollern geschützt. | |
Seit einigen Tagen hat das Straßen- und Grünflächenamt | |
Friedrichshain-Kreuzberg die Arbeiten auf dem Abschnitt zwischen Bergmann- | |
und Gneisenaustraße in Angriff genommen. Auf der Seite der InfraVelo gmbh, | |
die über alle Berliner Radinfrastruktur-Projekte informiert, steht noch “in | |
Vorbereitung“, was auf nicht abgeschlossene Planungstätigkeit hinweist. | |
Tatsächlich hat aber ein Trupp des Grünflächenamts bereits begonnen, die | |
breiten, auf dem Gehweg angelegten und mit Waschbeton-Mäuerchen begrenzten | |
Hochbeete zu roden. Dort wuchs ein Dickicht aus Sträuchern, teilweise auch | |
kleineren Bäumen. | |
Am Montag und Dienstag stießen die Arbeiten auf bürgerschaftlichen | |
Widerstand: Die Initiative “Bündnis Stadtnatur K 61“, die sich im | |
vergangenen Mai gegründet hatte, um Naturflächen auf dem Dragonerareal zu | |
erhalten, war auf die Tätigkeit des Amts aufmerksam geworden. Die | |
AktivistInnen forderten das Gartenbaupersonal auf, die Rodungen zu stoppen, | |
entrollten ein Transparent und forderten Gespräche mit den politischen | |
Verantwortlichen im Bezirk. | |
Ein Gespräch mit dem Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes, Felix | |
Weisbrich, kam vor Ort auch zustande. Weisbrich erläuterte den | |
Protestierenden, dass es nicht allein um die Sanierung und Verbreiterung | |
des Radwegs geht, sondern in einem ersten Schritt bis zu 100 Jahre alte | |
Gas- und Wasserleitungen ausgetauscht werden müssen, die größtenteils unter | |
den Hochbeeten verlaufen. | |
Angela Laich vom Bündnis Stadtnatur K 61 erklärte am Dienstag gegenüber der | |
taz, man habe sich dabei auf einen Kompromiss geeinigt, der dann von den | |
Ausführenden aber nicht eingehalten worden sei. Bis auf wenige Stellen | |
seien die Sträucher komplett abgeschnitten bzw. -gesägt worden. Entgegen | |
der getroffenen Vereinbarung habe man einige Sträucher auch nicht an andere | |
Stellen umgesetzt. „Ich bin stinksauer“, so Laich. | |
Stein des Anstoßes ist für sie die Funktion der Sträucher als Lebensraum | |
für Gebäudebrüter, in erster Linie [1][Haussperlinge]. Für diese Vogelart, | |
die in anderen Städten bereits am Verschwinden sei, gebe es auch in Berlin | |
immer weniger Nistmöglichkeiten. Am Mehringdamm brüte eine große Zahl von | |
Sperlingen, weiß Laich. Diese seien auch schon dabei gewesen, ihre Nester | |
für die nächste Brutsaison auszubessern. „Die Vögel sind aus den fallenden | |
Sträuchern voller Panik aufgeflogen“, schildert die Naturschützerin die | |
Situation am Dienstag. | |
## Günther im Ohr | |
Sie habe noch die Rede von Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) im Ohr, | |
die [2][bei einer digitalen Klimakonferenz am Freitag] für den Erhalt von | |
Stadtgrün und eine stärkere Beteiligung der BürgerInnen plädiert habe. | |
Ausgerechnet in Kreuzberg werde dagegen „massiv und unverändert | |
weitergerodet“. Laich verweist auch auf Paragraf 44 des | |
Bundesnaturschutzgesetzes: Dieser verbiete grundsätzlich die Zerstörung von | |
Bruträumen geschützter Arten. | |
Amtsleiter Felix Weisbrich erklärte gegenüber der taz, dass der Paragraf | |
durchaus Ausnahmen für behördliches Handeln einräume. In der Güterabwägung | |
sei klar geworden, dass die uralten Leitungen erneuert werden müssten – und | |
dafür der von den Hochbeeten beanspruchte Raum benötigt werde. „Der Bedarf | |
war unabweisbar.“ Man sei aber nun mit der Initiative übereingekommen, zwei | |
Teil-Hochbeete vorerst als „Zwischenhabitat“ für Tiere zu belassen. | |
Nach Abschluss der Arbeiten würden dann auch wieder Grünflächen | |
hergestellt, so Weisbrich. Die sähen dann sicherlich etwas anders aus als | |
die jetzt gerodeten, die stark vermüllt und von Ratten befallen seien. | |
Tatsächlich ist nach der Entfernung der Sträucher jede Menge Abfall, vor | |
allem Bier- und Schnapsflaschen, ans Tageslicht gekommen. | |
Die Arbeiten würden sicherlich noch nicht im laufenden Jahr abgeschlossen | |
werden, sagte der Amtsleiter, dafür sei der Aufwand zu groß. Drei Jahre | |
oder länger wie die Endlos-Baustelle am oberen Ende des Mehringdamms werde | |
man aber auf keinen Fall benötigen. Dort wurden ebenfalls Leitungen | |
erneuert, die BVG musste aber auch die Decke des U-Bahn-Tunnels sanieren. | |
26 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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