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# taz.de -- Polizist vor Gericht: Freispruch für Selbstjustiz
> Ein Polizist zwang eine Frau, das Kennzeichen seines eigenen Autos zu
> reparieren. Vor Gericht kommt er mit einer Rüge davon.
Bild: Eine Unverschämtheit
Berlin taz | In ihrem Urteilsspruch ließ die Richterin des Amtsgerichts
Tiergarten keinen Zweifel: „Dieser ganze Einsatz war unfassbar.“ Glaubhaft
fand sie die Aussage der betroffenen Nebenklägerin Maika. B., die
detailreich über einen [1][Polizeieinsatz am 2. Februar 2020] berichtet
hatte. B. habe sich zu Recht bedroht gefühlt von dem angeklagten
Polizisten, der sie zusammen mit einer Kollegin gezwungen hatte, ihre
Wohnung zu verlassen, ihr Auto auszuparken und an einem fremden Auto ein
herabhängendes Nummernschild zu reparieren.
Für eine Verurteilung wegen Nötigung fehlte dennoch der letzte Beweis: die
ausreichend dokumentierte Gewaltandrohung. Dem freigesprochenen
Polizeibeamten sagte die Richterin dennoch: „Sie haben sich komplett
danebenbenommen.“
Der Polizist hatte an jenem Tag die Halterin eines in der Nacht zuvor
geparkten Autos auf der Monumentenbrücke in Kreuzberg abgefragt, das dicht
vor einem Pkw mit beschädigter Nummernschildaufhängung stand. Dass es sich
dabei [2][um sein eigenes Auto handelte] – und das Schild schon seit Tagen
defekt war, wie B. aussagte –, habe er „nicht auf dem Schirm gehabt“, so
seine Begründung vor Gericht.
Obwohl außerhalb des eigenen Abschnitts, fuhr er mit einer Kollegin zu B.
und forderte sie auf, sie zu ihrem Auto zu begleiten. Ein „Befehl“ sei das
gewesen, berichteten B. und ihr damals ebenfalls anwesender Ehemann. „Dann
zeigen Sie mir mal, wie Sie hier rauskommen“, habe der Polizist sie dann
zum Ausparken aufgefordert. Das tat B. nach eigenen Angaben nach einigem
Rangieren.
Die Polizist*innen wollen dabei bemerkt haben, wie sie das defekte Auto
des Angeklagten touchierte, dabei sei allerdings kein Schaden entstanden.
„Was wollen Sie jetzt tun?“, habe der Polizist gefragt und dabei wiederholt
seine Hand auf den Holster seiner Pistole gelegt.
## Normales Miteinander?
Dann habe er B. aufgefordert, das Nummernschild wieder zu befestigen. Ihr
Gefühl sei gewesen: „Ich darf nicht widersprechen.“ Dass sie als Muslima
ein Kopftuch trug und der Beamte eine abfällige Bemerkung über „neue
Ausländer“ machte, verstärkte ihre Angst. Nach erfolgter Reparatur folgte
eine aggressiv vorgetragene Suggestivfrage plus Antwort: „Wenn Sie so
parken, was ist das? Eine Unverschämtheit ist das.“ Dann gingen die
Beamten.
Der Polizist schilderte die Situation als „ruhiges, sachliches, ganz
normales Miteinander“. B.s Anwalt Ulrich von Klinggräff sieht eine
„Androhung von massiver Gewalt“ und Selbstjustiz. Dass es – ohne
Beweismittel wie Videos – überhaupt zu einer Anklage kam, bezeichnete er
gegenüber der taz als „8. Weltwunder“. Schließlich landen nur in 2 Prozent
aller angezeigten Fälle gegen Polizeibeamte überhaupt vor Gericht, ein
verschwindender Anteil wird tatsächlich verurteilt; auch aufgrund eines
„Näheverhältnisses“ zwischen Staatsanwaltschaft, die auch hier auf
Freispruch plädierte, und Polizei, wie der Anwalt in seinem Plädoyer
ausführte.
Eine Berufung will er nach der schriftlichen Urteilsbegründung prüfen.
Klinggräff erwartet, dass es angesichts der klaren Worte der Richterin
„berufsrechtliche Probleme“ für den Beamten geben wird.
16 Feb 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Erik Peter
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Polizei Berlin
Polizei
Selbstjustiz
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Polizei Berlin
Polizeigesetz
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