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# taz.de -- Gesetz gegen Feindeslisten und Doxing: Gefährliche Daten
> Justizministerin Lambrecht will verbieten, Feindeslisten zu führen. Doch
> ihr Entwurf geht nun deutlich über den eigentlichen Zweck hinaus.
Bild: Bald eine Straftat? Unter Querdenkern kursierte eine Feindesliste mit den…
Freiburg taz | Das Bundesjustizministerium hat einen Gesetzentwurf
vorgelegt, mit dem sogenannte Feindeslisten oder das Outing politischer
Gegner bestraft werden sollen. Der Entwurf liegt der taz vor.
Seit zwei Jahren wird über die Strafbarkeit von sogenannten Feindeslisten
diskutiert. Anlass waren Listen, die vor allem [1][in rechtsextremen
Kreisen] zirkulieren, etwa eine Liste unter dem Titel #WirKriegenEuchAlle,
die rund 200 Namen umfasste. Ende letzten Jahres erregte eine
„Feindesliste“ mit gut 170 Politikern und Journalisten, die [2][in
Chatgruppen der sogenannten Querdenken-Bewegung kursierte], für Aufsehen.
Das Bundeskriminalamt (BKA) forderte als Erstes die Schaffung eines neuen
Straftatbestands. Dieser müsse dann auch das „Outing“ politischer Gegner
umfassen, wie es Antifa-Gruppen teilweise regelmäßig praktizieren, so das
BKA. Diese Praxis wird auch als „Doxing“ bezeichnet. Bundesinnenminister
Horst Seehofer (CSU) unterstützte die BKA-Forderung.
Im Gesetzentwurf gegen Hasskriminalität und Rechtsextremismus fehlte dann
jedoch ein entsprechendes neues Delikt. Die CDU/CSU protestierte und
forderte Nachbesserungen. Koalitionspartner SPD zeigte sich offen, bestand
jedoch wegen der möglichen Gefahr für die Meinungsfreiheit auf einer
gründlichen Prüfung.
Die Rechtspolitiker der Koalition einigten sich dann, dass das
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Herbst
2020 einen Entwurf vorlegen solle. Mit einigen Monaten Verspätung wurde der
BMJV-Entwurf nun endlich fertig.
Vorgeschlagen wird ein neuer Paragraf 126 a Strafgesetzbuch (StGB). Danach
ist die Verbreitung „personenbezogener Daten“ strafbar, wenn sie „geeignet
ist“, die betroffenen Personen der Gefahr schwerer Straftaten auszusetzen.
Es drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren.
Wie vom BKA gewünscht geht es nicht nur um „Listen“. Es genügt, wenn die
personenbezogenen Daten einer einzigen Person verbreitet werden. „Heinz
Müller ist ein Nazi“ etwa wäre eine Parole, die unter den neuen Tatbestand
fallen könnte.
Das „Verbreiten“ kann im Internet erfolgen, aber auch ganz altmodisch per
Flugblatt oder Plakat. Der Gesetzentwurf erfasst allerdings keine
Feindeslisten, die Extremisten nur für interne Zwecke anfertigen, ohne sie
zu verbreiten.
Anders als frühere Vorschläge von BKA sowie CDU und CSU enthält der
Vorschlag von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) keine Eingrenzung
über ein subjektives Merkmal. Es kommt also nicht darauf an, dass die Täter
die Daten veröffentlicht haben, um damit andere zu Straftaten
aufzustacheln. Es soll vielmehr genügen, dass das Verbreiten der Daten
„geeignet ist“, die erwähnten Personen einer Gefahr auszusetzen.
## Ausweitung statt Eingrenzung?
Das ist erstaunlich. Denn eigentlich hatten sich die Beteiligten,
insbesondere in der SPD, vom Justizministerium ja eine eher enge,
verhältnismäßige Formulierung erhofft und keine Ausweitung der bisherigen
Vorschläge.
Als Eingrenzung ist wohl das Merkmal der „Art und Weise“ der Verbreitung
gedacht. Hierzu finden sich in der Begründung einige Beispiele. Wenn die
Aufzählung von Namen etwa mit „militanten Bezügen“ oder Drohungen verbund…
ist, erhöhe dies die Gefährdungseignung. Oder wenn Namen auf einer
extremistischen Webseite aufgelistet werden, dann soll dies eher zu
Straftaten führen können, als eine „sachlich-informative“
Berichterstattung.
Immerhin hat das BMJV an einer anderen Stelle die Zügel angezogen. Während
es bei den Vorentwürfen der Unionsparteien noch genügte, dass Leser der
„gefährdenden Daten“ zu Beleidigungen und anderen minder schweren
Straftaten neigen könnten, muss in Lambrechts Entwurf schon ein Verbrechen
oder eine Straftat gegen ein hochrangiges Rechtsgut drohen. Das dürfte auch
eine gewisse Filterfunktion haben.
Das Ministerium hat seinen Entwurf unter der Überschrift
„Formulierungshilfe“ veröffentlicht. Dies ist üblich, wenn den
Koalitionsfraktionen ein ministerialer Text zur eigenen Einbringung
überlassen wird.
8 Feb 2021
## LINKS
[1] /Datensammlungen-von-Neonazis-in-Berlin/!5699104
[2] /Feindesliste-von-Corona-Protestierenden/!5727335
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
Gesetzentwurf
Christine Lambrecht
Doxing
Rechtsextremismus
Musikfestival
Verschwörungsmythen und Corona
NSU 2.0
Rechte Gewalt
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