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# taz.de -- Untersuchungsausschuss zu Wirecard: Prüfer nur „Bilanz-Oberlehre…
> Der Wirecard-Skandal war auch möglich, weil die Bundesregierung es
> versäumt hatte, eine Kontrollstelle mit Kompetenzen zu schaffen.
Bild: Kriminalistische Aufgaben hatten die Prüfer nicht: Fahndungsplakat für …
Berlin taz | Der [1][Betrug der Finanzfirma Wirecard] war möglich, weil
keine deutsche Behörde die Kompetenz hatte, Bilanzfehlern nachzuspüren. Der
Gesetzgeber hatte der Regierung zwar 2004 den Auftrag gegeben,
entsprechende Institutionen zu schaffen. Dabei kam jedoch nur ein Vertrag
des Justizministeriums mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung
(DPR) heraus – ein privater Verein, der mit 14 Wirtschaftsprüfern die
gesamte deutsche Unternehmenswelt beaufsichtigen sollte.
„Wir können nur prüfen, ob ein Kundenverlag vorliegt“, sagt der Präsident
des Vereins, Edgar Ernst, am Donnerstag vor dem
Wirecard-Untersuchungsausschuss. „Wir können nicht prüfen, ob der Vertrag
gefälscht ist oder ob der Kunde überhaupt existiert.“
Die Wirecard AG hatte jahrelang ihre Gewinne aufgebläht, indem sie
Einnahmen aus Scheingeschäften als Umsätze ausgab. Doch auch als Medien
bereits 2018 und 2019 Anhaltspunkte für den Betrug vorlegten, gab es von
offizieller Seite keine wirksamen Prüfungen und Ermittlungen.
Dabei war die DPR eigentlich als Reaktion auf große Bilanzskandale ins
Leben gerufen worden. Ein Fall wie Enron in den USA oder Parmalat in
Italien sollte in Deutschland nicht passieren können. Der
Untersuchungsausschuss versucht nun zu klären, wo der Gesetzgeber
nachbessern muss – und welche Fehler die Bundesregierung gemacht hat.
## Freundlich nachgefragt
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hatte der DPR
den Auftrag für eine Sonderprüfung erteilt. Diese fügte Wirecard zu ihrer
Liste von Problemfällen hinzu und setzte einen Mitarbeiter und zwei
Assistenten darauf an, die aber noch etliche andere Fälle bearbeiten
mussten. Obwohl der Vorwurf von Bilanzbetrug und Scheingeschäften im Raum
stand, fragte der Sachbearbeiter nur freundlich bei dem Unternehmen nach,
was es damit auf sich habe. Wirecard schickte weitere Lügen und gefälschte
Dokumente und zog das Verfahren so in die Länge – letztlich bis zu seiner
Insolvenz.
Die DPR deckte dabei keine Straftat auf. „Wir haben weder die Mittel noch
die Befugnis, so etwas zu machen“, sagte Ernst. In der Wirtschaftspresse
hieß die DPR zwar „Bilanzpolizei“, in Wirklichkeit war sie aber nur der
„Bilanz-Oberlehrer“. Statt das Zahlenwerk auf seine Richtigkeit zu prüfen,
hat sie nur die Einhaltung aller Regeln bei seiner Abfassung überwacht.
## Kriminalistische Möglichkeiten fehlten
Wirecard hat seine erfundene Bilanz aber hochprofessionell aufgebaut und
für jede Position einen Beleg parat; es passte alles wunderbar zusammen –
zum Teil sogar besser als in einer echten Bilanz, die sich an der
unübersichtlichen Realität orientiert. So fiel nicht auf, dass ein
scheinbar gut gefülltes Konto in Singapur gar nicht existierte: Die
Auszüge, die Wirecard eingereicht hatte, waren gefälscht. Doch die DPR habe
eben keine kriminalistischen Aufgaben, betonte Ernst immer wieder.
Auftragsgemäß habe sie mit den überwachten Konzernen kooperiert.
Die Abgeordneten im Ausschuss zeigten sich irritiert, [2][dass diese
Regulierungslücke 15 Jahre lang niemandem auffiel]. Matthias Hauer von der
CDU wunderte sich, dass die Bafin den Auftrag zur Prüfung an die DPR
weiterreichte, obwohl sie von deren beschränkten Möglichkeiten wusste. „Das
war doch von vorneherein zum Scheitern verurteilt“, sagt Hauer. Offenbar
haben Beamte hier nur formell ihre Pflicht getan.
Im nächsten Schritt werden das Justiz- und das Wirtschaftsministerium
beantworten müssen, warum sie eine untaugliche Stelle mit der Bilanzprüfung
beauftragt haben. Die EU schreibt seit 15 Jahren vor, dass die
Mitgliedstaaten eine wirksame Aufsicht der Konzerne durchsetzen.
Finanzminister Olaf Scholz hat nun die Bildung einer Ermittlertruppe
innerhalb der Bafin angekündigt.
11 Feb 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Finn Mayer-Kuckuk
## TAGS
Wirecard
Finanzaufsicht
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Untersuchungsausschuss
Bafin
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Wirecard
Gemeinnützigkeit
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