| # taz.de -- Tattoos trotz Pandemie: Gespielt wie gestochen | |
| > Friseure, Reisen oder jetzt Tattoos: Der Fußball ignoriert beharrlich | |
| > Verbote. Die Blase ist eine Illusion. Bei einer dritten Welle sollte er | |
| > zumachen. | |
| Bild: Neuer Schmuck der Schenkel: Matheus Cunha | |
| Ob das Tattoo sich wenigstens gelohnt hat, vermag niemand mehr zu sagen, | |
| denn das Video ist gelöscht. Am Freitag war Corentin Tolisso, Profi beim | |
| Männerteam des FC Bayern, auf Instagram beim Tätowierer zu sehen. Das Video | |
| war in einer Privatwohnung gedreht, niemand von beiden trug Schutzmaske. | |
| Und das Verbot kommerziellen Tätowierens in der Pandemie störte erst recht | |
| nicht. | |
| Engelsflügel und Kreuze, Namen von Kindern und Ehefrauen, Sinnsprüche und | |
| Oprah-Winfrey-Zitate: die Tattoos männlicher Profis sind an und für sich | |
| ein wunderschönes Gebiet soziologischer Forschung. So abgehoben angeblich | |
| der Fußball, [1][so zutiefst spießbürgerlich die Tattoos] seiner | |
| Protagonisten: Kinder, Kirche und Kalendersprüche. Der seelische | |
| Seemanns-Anker im stürmischen Ozean des Sportbusiness. Krass aber ist, wie | |
| unbekümmert dies auch in Pandemie-Zeiten unter Profis weiterlebt. | |
| Kleine Tattoo-Studios bangen um ihre Existenz, die Großen haben offenbar | |
| lukrative Auftraggeber unter der Hand. Dieses Wochenende durfte man sich | |
| auch über Herthas Matheus Cunha wundern, dessen Oberschenkel | |
| wundersamerweise gleich zwei neue Tattoos zierten. Und Christian Marin, | |
| Tolissos Tätowierer, scheint besonders aktiv: letzte Woche, auch das ist | |
| seinem Instagram-Account zu entnehmen, tätowierte er in Lyon den | |
| Olympique-Profi Memphis Depay. | |
| Friseure, Tattoos oder Reisen: Was Normalsterbliche nicht dürfen, schert | |
| den Männerfußball einen Dreck. Symptomatisch Leipzig-Boss Oliver Mintzlaff, | |
| der [2][gerade eine Ausnahmeregelung fordert], damit seine roten Hornochsen | |
| trotz Einreisesperre zu Hause gegen den FC Liverpool spielen dürfen. Dass | |
| der direkt aus dem Mutationsgebiet einreisen würde, wen schert’s? Ein | |
| Ausweichen auf anderes Gebiet ist „sicherlich nicht unser Ziel“. | |
| ## Eine Unterbrechung wurde nie diskutiert | |
| Es ist schon erstaunlich, für wie wenig Debatte all das sorgt. Die | |
| verborgenen kapitalistischen Produktionsstätten sind zumindest kurz ins | |
| Licht gerückt, der Fußball aber ist völlig ungestört durch die zweite Welle | |
| gekommen. Eine Unterbrechung des Spielbetriebs wurde nicht einmal dann | |
| diskutiert, als alle anderen schon drei Monate im Lockdown saßen, trotz | |
| immer wiederkehrender Infektionen von Profis. | |
| Die Behauptung, der Betrieb sei eine Blase, ist schlicht eine Lüge. | |
| Natürlich treffen Fußballer Menschen; offenbar sehr regelmäßig sogar | |
| solche, [3][deren Dienstleistungen für alle anderen geschlossen sind]. Von | |
| Abstand in der Kabine oder beim Jubel redet schon gar keiner mehr. Allein | |
| bis Mitte November – noch vor der zweiten Welle – hat es unter den rund 550 | |
| Spielern der Männer-Bundesliga laut „Sport Bild“ 44 Covid-Infektionen | |
| gegeben, also fast jeder Zehnte. Cunha und Tolisso [4][haben eine | |
| Geldstrafe erhalten] und entschuldigten sich reuig. Es wird aber nur dann | |
| bestraft oder überhaupt diskutiert, wenn zufällig mal ein Tätowierer blöd | |
| genug ist, ein Video zu posten. | |
| ## Es sollte sie im eigenen Interesse beunruhigen | |
| Dabei geht es gar nicht um fehlbare Sünderlein, die wir alle sind. Sondern | |
| um eine Kaste, die Geld und Lobby genug hat, sich über jede Regelung | |
| hinwegzusetzen. Das sollte sie schon im eigenen Interesse beunruhigen. | |
| Gerade sind Goretzka und Martínez positiv auf Corona getestet worden. | |
| Gegenüber dem Nachrichtenportal „Watson“ [5][sagte der Schweizer Sportarzt | |
| Christian Schmied]: „Nach derzeitigem Wissensstand haben 10 bis 20 Prozent | |
| der Spitzensportler zwei bis sechs Monate nach dem Coronavirus noch | |
| Beschwerden.“ Etwa Müdigkeit, Atemnot und geringere Leistungsfähigkeit. | |
| Durch eine Veränderung der Blutgefäße sei „der Spieler gefährdet für | |
| weitere Krankheiten“ wie Herzprobleme. Sollte das niemanden kümmern? Es | |
| sollte. Und was ist mit all den Beschäftigten, BusfahrerInnen, | |
| ZeugwartInnen, MasseurInnen? Oder deren Kontakten? Wenn eine dritte Welle | |
| kommt, muss der Fußball schließen. Er ist nicht systemrelevanter als | |
| TätowiererInnen. Derzeit macht man es ihm viel zu leicht. Herthas | |
| Sportdirektor Arne Friedrich sagte: „Matheus hat seinen Fehler eingesehen | |
| und wird eine Spende an eine soziale Einrichtung leisten. Damit ist das | |
| Thema für uns erledigt.“ | |
| 1 Feb 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.gq-magazin.de/mode-stil/pflege/tattoos-der-fussballer | |
| [2] https://www.sportbuzzer.de/artikel/rb-gegen-liverpool-auf-der-kippe-leipzig… | |
| [3] /Archiv-Suche/!5739109&s=fu%C3%9Fball+friseure&SuchRahmen=Print/ | |
| [4] https://www.t-online.de/sport/fussball/bundesliga/id_89379784/bundesliga-st… | |
| [5] https://www.watson.ch/sport/fussball/352985814-corona-fast-jeder-5-profifus… | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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