# taz.de -- Warten auf die Impfung: „Toi, toi, toi!“ | |
> Es ist kein Spaß, als hochbetagter Mensch auf einen Impftermin warten zu | |
> müssen. Ein fiktives Gespräch an der Supermarktkasse. | |
Bild: Für viele noch keineswegs datiert: Corona-Impfung | |
„Mensch, Frau Eberhard, Sie werden doch bestimmt die Tage geimpft“, sagt | |
der Supermarktkassierer zur Frau im pinken Mantel mit Rollator. – „Nee, | |
dass das dazu noch kommt, bevor ich dem Herrgott Moin an der Pforte sach, | |
daran glaub ich nicht mehr.“ | |
„Haben Sie denn keine Behördenpost bekommen?“ – „Doch, längst schon! | |
Seitdem ruf ich da jeden Tag an, morgens, mittags, abends, ich hab mir | |
sogar einmal nachts um 3 Uhr den Wecker gestellt, weil ich dachte, Inge, | |
jetzt biste mal ganz ausgefuchst, vielleicht sitzt da doch jemand für die | |
ganz Ausgeschlafenen. Aber wieder nix. Eine Enttäuschung folgt auf die | |
nächste! Jetzt bin ich schon so lange pensioniert, ich hätt’ nicht damit | |
gerechnet, noch mal in einen Wettbewerb zu geraten, wo der schönste Ehrgeiz | |
im Frust versickert, da spür’ ich nochmal bis ins Mark, was existentielle | |
Konkurrenz ist, dachte, damit muss ich mich nie mehr rumplagen, als ich aus | |
der Firma ausgeschieden bin.“ | |
„Ach Mensch, Frau Eberhard, das tut mir so leid, das ist ja schon fast | |
Körperverletzung, mit Mitte 90 hat man bestimmt Besseres zu tun.“ – „Gen… | |
nix als genießen hat man gefälligst zu tun, jeden Tag leben, als wär es der | |
letzte, hat man zu tun – die jungen Leute reden immer nur davon – lebe im | |
Augenblick! Und wissen doch gar nicht, wie es is’, wenn es wirklich um die | |
Wurst geht mit der Zeit! Das hab ich denen da an der Telefonschranke auch | |
mal deutlich gesagt, dass ich endlich wieder in Ruhe müßig gehen will und | |
zwar am besten in Gesellschaft meiner Skatrunde.“ | |
„Mensch, was ein Skandal, Frau Eberhard, kann man sich da irgendwo | |
hinwenden? An oberste Stelle?“ – „Hatte ich mir auch schon überlegt, dir… | |
an die Behörde zu schreiben, aber dann hab ich Angst bekommen, dass ich | |
ganz unten auf die Liste komme, falls es eine gibt.“ | |
„Nur weil Sie auf Recht und Würde pochen?“ – „So war das einst auch be… | |
Arbeit, wenn man den Mund aufgemacht hat, hat man früher oder später die | |
Nachteile gespürt.“ | |
„Haben Sie denn keine Kinder, die es im Internet für Sie versuchen | |
könnten?“ – „Ich hab eine Tochter, aber wissen Sie, die hat nicht mehr a… | |
Sinne beisammen, die macht den ganzen Januar Detox! Sie reduziert alles, | |
dabei ist doch nun schon alles reduziert! Ihre gute Laune hat sich auch | |
reduziert, sie ist noch miesepetriger als vorher, dem Hirn fehlt Kapazität, | |
der Psyche Elastizität, weil sie hungert, dabei isse dürr genug.“ | |
„Detox bedeutet aber nicht unbedingt Diät, Frau Eberhard, vielleicht will | |
ihre Tochter einfach mal entgiften.“ – „Ach Papperlapapp, Giftstoffe, daf… | |
haben wir doch Leber und Niere. Das wahre Gift sitzt bei uns allen im Kopf, | |
das sag ich Ihnen, und das wird immer giftiger, wenn man den ganzen Tag am | |
Telefon sitzt!“ | |
„Mensch, Frau Eberhard, ich drück Ihnen die Daumen, toi toi toi und alles | |
Gute!“ | |
29 Jan 2021 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Ramadan | |
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