# taz.de -- Moynihan Train Hall in New York City: Wie ein strahlendes UFO | |
> Gegenüber der Penn Station in Manhattan steht eine neue Bahnhofshalle. Am | |
> 1. Januar wurde die glamouröse Moynihan Train Hall eröffnet. | |
Bild: Blick in die neue von den alten Trägern überspannte Halle | |
New York. Wer die neue Moynihan Train Station besuchen will, muss erst | |
durch eine der unattraktivsten Ecken von Midtown in Manhattan laufen: | |
überall Baustellen, Fastfood-Ketten, Baugerüste, verrammelte Ladenlokale | |
und zerdrückte Cola-Dosen. Ganz anders sieht es im Inneren der neuen | |
Bahnhofshalle der Penn Station aus: eine sich über einen ganzen | |
Straßenblock erstreckende lichte Halle mit glänzendem Marmorfußboden. Grau | |
gestrichene Stahlträger tragen hoch gewölbte Glaskuppeln. Alles wirkt hell, | |
luftig und durchdacht. Das Gegenteil zur Pandemie-Tristesse da draußen. | |
1,6 Milliarden Dollar hat dieser architektonische Lichtblick gekostet, | |
finanziert mit öffentlichem und privatem Geld. Die 1912 gebaute Posthalle | |
wurde dafür in nur drei Jahren Bauzeit in eine Erweiterung der bisherigen | |
Penn Station verwandelt, die in direkter Nachbarschaft unter dem Madison | |
Square Garden liegt. Entworfen hat den aufwendigen Umbau das | |
Architekturbüro Skidmore, Owings & Merrill (SOM). Am 1. Januar wurde der | |
Bau eröffnet. Der Pandemie zum Trotz. | |
Die Erwartungen an die neue Bahnhofshalle könnten nicht höher sein. Die | |
Presseveröffentlichung von SOM spricht von „einem der monumentalsten | |
städtischen Projekte seit Generationen“, und Andrew Cuomo, der Gouverneur | |
von New York, sagte zur Eröffnung, die neue Halle verspreche nicht weniger | |
als „die Erneuerung und die Wiedergeburt des öffentlichen Lebens in New | |
York“. | |
Tatsächlich hat der Gedanke an Tausende von Fahrgästen, die hier | |
irgendwann, wenn Corona vorbei ist, über den glänzenden Marmorboden eilen | |
sollen, etwas Tröstliches. Momentan wirkt die knapp 24.000 Quadratmeter | |
große Haupthalle allerdings hauptsächlich – leer. Die Züge fahren. Reisende | |
und vor allem Pendler aber gibt es gerade so gut wie nicht. Die sind alle | |
im Homeoffice. Midtown ähnelt deshalb an manchen Tagen einer Geisterstadt. | |
## Kühler Mix aus Nostalgie und Moderne | |
Das soll, wird, muss sich nach der Pandemie ändern. Die Moynihan Train Hall | |
wird der neue, glamouröse Hauptbahnhof von New York City sein. Die | |
US-Eisenbahngesellschaft Amtrak will ihren gesamten nationalen | |
Reiseverkehr von und nach New York über die neue Halle abwickeln. Die Penn | |
Station verbindet zwar seit den frühen neunziger Jahren die | |
Millionenmetropole mit dem Rest der USA. Aber letztlich nur als | |
unterirdischer Haltepunkt. Jetzt hat der Intercity-Bahnverkehr in New York | |
wieder das Gesicht, das ihm so lange gefehlt hat. | |
Dem Grand Central, der New Yorker Bahnhofsikone, die seit 1991 eine reine | |
Pendlerstation ist, ist die neue Halle nicht ganz unähnlich. In beiden | |
Bahnhöfen ist der Boden mit Tennessee-Marmor ausgelegt. In beiden Bahnhöfen | |
wird die Mitte der Haupthalle von einer Uhr dominiert, beide Bahnhöfe sind | |
ähnlich hoch und groß. | |
Doch während die massive Säulenhalle des Grand Central in warmen Goldtönen | |
gehalten ist, dominiert in der luftigen Moynihan Train Hall ein kühler Mix | |
aus Nostalgie und Moderne. Drei grau gestrichene Stahlträger spannen sich | |
über die ganze Breite der Halle. Sie tragen vier fast 30 Meter hohe | |
Glaskuppeln und erinnern an die Stahl-Glas-Konstruktionen europäischer | |
Bahnhöfe aus dem 19. Jahrhundert. | |
Als moderner Gegenpol bedecken große LED-Leinwände die Längsseiten der | |
Halle, die als Lichtquellen dienen und grafische Bilder von New York und | |
dem New Yorker Umland zeigen. Die acht zweireihig angeordneten Rolltreppen, | |
die zu den unterirdischen Gleisen führen, erinnern an silberne Wale, die in | |
ein Marmor-Meer abtauchen. | |
## Symbol für New Yorks Macht, Reichtum und Glanz | |
Vor fast 30 Jahren hatte Senator Daniel Patrick Moynihan die Idee, die | |
riesige Posthalle, die Teil des weiterhin bestehenden James A. Farley | |
Building war, in eine repräsentative Bahnhofshalle umzubauen. Seine Vision | |
war es, an den Glanz der 1904 im Beaux-Art-Stil erbauten ersten Penn | |
Station anzuknüpfen. | |
Ihr sich über zwei Häuserblocks erstreckender Monumentalbau mit einer | |
Halle, änger als das Kirchenschiff des Petersdom in Rom, einer über 40 | |
Meter hohen Decke und Fenstern, die das gesamte Gebäude in Sonnenlicht | |
tauchten, war damals ein Symbol für New Yorks Macht, Reichtum und Glanz. | |
In den 60er Jahren war es vorbei mit diesen glorreichen Zeiten. Autos und | |
Flugzeuge hatten der Bahn den Rang abgelaufen, und die | |
Instandhaltungskosten des riesigen Bahnhofs waren zu hoch. 1963 wurde er | |
abgerissen und hat unter anderem dem Madison Square Garden Platz gemacht. | |
Die Penn Station fristete ihr Dasein seitdem nur noch im Untergrund. Sie | |
verkam zu einem unbeliebten Durchgangsbahnhof für zuletzt täglich mehr als | |
650.000 Fahrgäste, doppelt so viele wie ursprünglich geplant. | |
Mit der Moynihan Train Hall soll nun eine neue Ära des öffentlichen Nah- | |
und Fernverkehrs eingeläutet und der öffentliche Raum gefeiert werden. Auch | |
mit der Integration von Kunst in das Bauwerk. An den Wänden im Wartebereich | |
für Amtrak-Fahrgäste hängen mannshohe Fotoarbeiten des kanadischen | |
Künstlers Stan Douglas, auf denen er mit 400 Komparsen Szenen nachgestellt | |
hat, die sich in der 1904 erbauten Penn Station abgespielt haben. | |
## Barockes Deckenfresko von Kehinde Wiley | |
Das skandinavische Künstlerduo Elmgreen & Dragset hat am Ausgang zur 34th | |
Street Hochhäuser kopfüber an die Decke gehängt, und der US-amerikanische | |
Künstler Kehinde Wiley hat in die Decke am Eingang zur 33rd Street ein | |
Triptychon eingelassen, das an barocke Decken-Freskos erinnert. Wenn es | |
nicht Break-Dancer in hipper Sportkleidung zeigen würden | |
Die Eröffnung des neuen Bahnhofs kommt zum richtigen Moment. Wie ein | |
strahlendes Ufo ist er in der von der Pandemie gezeichneten Stadt gelandet | |
und scheint den New Yorkern zuzurufen: Ja, es gibt eine Zukunft nach | |
Corona. Auch für New York. | |
18 Jan 2021 | |
## AUTOREN | |
Verena Harzer | |
## TAGS | |
Dokumentarfilm | |
New York | |
Manhattan | |
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