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# taz.de -- Zuflucht Hotel: Quarantäne de luxe
> Der literarische Besuch veredelt noch jede Unterkunft. Ein üppiger
> Bildband über Schriftsteller*innen und Literatur im Hotel.
Bild: Ort der Kreativität und des Absturzes: Das Chelsea Hotel in New York in …
Lockdown. Winter. Kalt. Grau. Und alles spielt sich zu Hause ab. Nie hat
sich das Bedürfnis vieler Schriftsteller*innen, für einige Zeit im Hotel zu
leben und zu schreiben, besser von selbst erklärt. Ausscheren aus dem
Alltag mit seinen Anforderungen, seiner Enge. Seine Zumutungen gegen die
geborgene Einsamkeit eintauschen, am liebsten selbstverständlich im
Luxushotel, wenn man es sich denn leisten kann. Quarantäne de luxe: zum
Nachdenken, Schreiben, Alleinsein.
Thomas Mann, Hermann Hesse oder J. K. Rowling schrieben ihre Romane im
Hotel. Vor allem um den Alltag auszublenden, sagt die Autorin Barbara
Schaefer. Auf den Spuren berühmter Schriftsteller stellt sie schöne Hotels
weltweit vor. Eine Lehnstuhlreise zu Sehnsuchtsorten in Zeiten der
Beschränkung und Reiseunfreiheit. Berlin, Bangkok, London, Łódź, Sorrent –
es ist eine Reise zu 19 Hotels, in denen Literatur und Bücher entstanden.
Repräsentative Hotels, eingefangen in einem großformatigen Bildband, einem
veritablen Coffee-Table-Book. Neben Fotos der Schriftsteller*innen und
historischen Aufnahmen der Hotels hat Barbara Schaefer vor allem Werbefotos
der Hotelbetreiber benutzt. Das schadet der Ästhetik des Bandes nicht. Im
Gegenteil, die gefälligen Fotografien unterstreichen die verführerische
Absicht des Buches.
Die freie Autorin Barbara Schaefer ist selbst passionierte Reisende. Ihre
Texte auf den überregionalen Reiseseiten sind Liebeserklärungen ans Reisen,
ans Unterwegssein. Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien und
Frankreich, England, Schottland und Polen, die Türkei Thailand und die USA
sind die Stationen ihres neuen Buches.
Im Hotel Adlon in Berlin trifft sich ab 1907 die Berliner Kulturprominenz,
im Waldhaus in Sils Maria im Schweizer Engadin logieren Hermann Hesse, Elsa
Morante und Donna Leon. Im Oriental in Bangkok mieteten sich Joseph
Conrad, James Michener, Lucinda Riley, Somerset Maugham und Graham Green
ein und trotzten den Moskitos auf der Terrasse. Im „Authors’ Wing“ hat das
Hotel heute Suiten mit den Namen seiner schreibenden Gäste eingerichtet.
Und wer sich die Luxusvariante nicht leisten konnte, schlürfte wie D. H.
Lawrence seinen Nachmittagstee auf der Terrasse des Belmond Hotel Timeo in
Südsizilien.
Im ältesten Hotel von New York City – The Algonquin – traf sich der
legendäre Literaturzirkel, der „Algonquin Round Table“, wo die
Theaterkritikerin Dorothy Parker eine zentrale Rolle spielte. „Ein Haufen
von Leuten, die einander Scherze erzählten und sich gegenseitig
versicherten, wie gut sie waren“, schrieb Parker darüber. Sie wohnte einige
Zeit ganz im Algonquin. Heute betreibt das Haus eine Partnerschaft mit
Simon & Schuster. Der Verlag stellt dem Hotel für dessen Gäste vorab
Lesekopien von Romanen zur Verfügung.
Auch neuere Hotels mit Liebe zur Literatur stellt die Autorin vor. Etwa das
Literaturhotel Berlin in Friedenau, in dem die Nobelpreisträgerin Swetlana
Alexandrowna Alexijewitsch schrieb. Für die Betreiberin Christa Moog ist
Friedenau das Schriftstellerviertel Berlins. Neben Alexijewitsch lebten
zwei weitere Literaturnobelpreisträger gleich um die Ecke: Günter Grass und
Hertha Müller. Oder das Wellnesshotel Bleiche im Spreewald mit hauseigener
Buchhandlung und dem Spreewald-Literaturstipendum, das Schreibenden eine
Verwöhnauszeit ermöglicht. Denn der literarische Besuch veredelt noch jede
Unterkunft.
„Und dann gibt es noch die legendären Hotels, die es nicht mehr gibt“,
schreibt Schaefer. Etwa das Chelsea Hotel in Manhattan, ein roter
Backsteinbau, der heute leer steht. Dort flirtete Leonard Cohen mit Janis
Joplin und widmete dann der früh verstorbenen Musikerin ein wehmütiges
Lied: „I remember you well in Chelsea Hotel.“ Ein bisschen Wehmut schwingt
auch im Buch „Literaturhotels“ mit: über vergangene Herrlichkeit und
eingefrorene Reiselust.
20 Jan 2021
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Aufgeschreckte Couchpotatoes
Hotel
Literatur
Entnazifizierung
Mobilität
Reisen
Buch
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