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# taz.de -- Journalisten in Belarus: Orden oder Knast
> Loyalität wird belohnt, Kritik am Regime Lukaschenkos hart bestraft. Olga
> Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 53.
Bild: Brüssel: Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen in Belarus am 17.0…
Am Fenster Dreikönigsfröste. In einigen Regionen herrschen nachts bis zu 30
Grad Frost, an manch sonnigem Sonntag zeigt das Thermometer in der
Hauptstadt Minsk minus 17 Grad. Warum schreibe ich hier über das Wetter?
Trotz niedriger Temperaturen gingen die mutigen Belarussen, wie seit fünf
Monaten schon, auch am vergangenen Sonntag wieder in kleinen Gruppen und
verschiedenen Stadtteilen von Minsk auf die Straße, um gegen die
Staatsmacht zu demonstrieren. Sie hatten sich warm angezogen, trugen
riesige gestrickte Schals, Pelzhandschuhe sowie Flaggen und Plakate.
Wenn du so etwas aus dem Fenster eines beheizten Busses siehst, füllen sich
deine Augen mit Tränen. Denn die Protestierenden sind am Ende ihrer Kräfte.
An den Demonstrationen nehmen die Hartnäckigsten teil – diejenigen
Belarussen, die bislang weder durch eine Festnahme noch den Verlust ihres
Arbeitsplatzes gebrochen wurden.
In der vergangenen Woche erreichten uns zwei unangenehme Nachrichten. Der
Journalist einer unabhängigen Nachrichtenagentur Andrej Aleksandrow und
seine Freundin wurden in Untersuchungshaft genommen. Angeblich sollen sie
die Proteste finanziell unterstützt und geholfen haben, Strafen von
Demonstranten zu begleichen.
„Wenn das so ist, respektiere ich meinen Kollegen noch mehr“, kommentierte
eine Journalistin die Nachricht auf ihrer Seite.
Seit der Präsidentenwahl [1][werden Journalisten in Belarus festgenommen],
Akkreditierungen entzogen, und Medien wird ihr Status aberkannt.
Journalisten werden zusammengeschlagen und mit Strafverfahren überzogen.
Die Bilanz für 2020: 477 Festnahmen von Journalisten, Geldstrafen in Höhe
von umgerechnet 20.000 Euro.
97 Mal saßen Journalisten Arreststrafen ab, neun Medienvertreter sitzen
derzeit in Untersuchungshaft, gegen sie laufen Strafverfahren. Die Leute
schmoren im Gefängnis, weil sie ihren Job gemacht haben. Wie heißt es bei
uns so schön: Wo ein Mensch ist, wird sich für ihn schon eine juristische
Vorschrift finden lassen. Alle abweichenden Meinungen werden durch
Repressionen unterdrückt.
Am 11. Januar 2021 unterzeichnete Alexander Lukaschenko eine Verordnung
über die Verleihung von Orden und Medailien an Mitarbeiter staatlicher
Medien. Darunter war auch eine Reihe von Medienvertretern, die qua Statut
dem Präsidenten unterstellt sind. Lukaschenko empfing alle im großen Saal
seiner Residenz. Es gab ein großes Konzert mit Schlagersternchen
belarussischer und russischer Bühnen sowie ein Buffet.
Die Medailie „für Mut“ wurde beispielsweise dem 25jährigen Grigori Asaren…
verliehen. Er arbeitet für den staatlichen Fernsehkanal STW und
verantwortet dort das Programm „Geheime Quellen der Politik 2020“. Im
vergangenen Frühjahr sagte er in einem seiner Beiträge, Covid-19 sei eine
biologische Waffe des Westens gegen seine Feinde.
Im Großen und Ganzen sind seine Äußerungen nach Memes sortiert. Darunter
gibt es wenig Ethisches und viel Diskriminierendes. Er kann es sich
erlauben, Protestierende mit dem Teufel und dem Satan zu vergleichen. Und
diejenigen, die das Propagandaschiff verlassen haben, als Verräter zu
verunglimpfen.
Früher, während des Krieges, wurden solche Auszeichnungen Helden zuteil,
und das war ein besondere Ehre. Niemand hat verstanden, wofür dieser
Journalist die Auszeichnung erhalten hat.
Auf Facebook kursiert folgender Witz: Die Leute, die Lukaschenko
auszeichnet – das ist für Europa und den Westen schon eine fertige
Sanktionsliste. Übrigens, der oben genannte Journalist wird nicht nach
Europa reisen können.
Es gab auch eine gute Nachricht. Bekannte Firmen für Kosmetik, Autos und
Uhren haben angekündigt, sich als Sponsoren der
[2][Eishockey-Weltmeisterschaft] zurück zu ziehen, sollte sie in Belarus
stattfinden. (Belarus wurde die Austragung des Wettbewerbs in dieser Woche
entzogen, Anm. d. Red.).
Am Tag der Ankündigung kauften die Belarussen Unmengen von Cremes für sich
und als Geschenk. Aus Dankbarkeit für diese Nachricht starteten sie einen
Flashmob. Die Firmen machten an diesen Tagen gute Kasse. So jedenfalls
scheint es, wenn ich mir die Bilder in den sozialen Netzwerken anschaue.
Aus dem Russischen von Barbara Oertel
22 Jan 2021
## LINKS
[1] /Journalismus-in-Belarus/!5716586
[2] /Eishockey-WM-wurde-Belarus-entzogen/!5745351
## AUTOREN
Olga Deksnis
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Belarus
Protest
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