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# taz.de -- Schwere Vorwürfe gegen Beamte: Waldbesetzer verklagt Polizei
> Ein Aktivist aus dem Dannenröder Forst wirft Beamten Körperverletzung im
> Amt vor. Sie hätten ihn geschlagen und im Krankenhaus misshandelt.
Bild: Festnahme eines Aktivisten im Dannenröder Forst im November
Hamburg taz | Den Schlag gegen seine linke Schläfe habe er noch gespürt,
und auch, wie noch ein- oder zweimal auf ihn eingeschlagen wurde – dann
habe er das Bewusstsein verloren, berichtet Chris T., Waldname „Snoopy“.
Als er es wieder erlangte, sei er von mehreren Polizist*innen umringt
gewesen.
Sanitäter*innen wickelten ihn in eine Rettungsdecke, trugen ihn aus dem
Wald und fuhren ihn ins Krankenhaus. „Wir mussten heute den Schlagstock
einsetzen“, sagt eine Pressesprecherin der hessischen Polizei [1][später in
einem Video auf Twitter]. Das Presseteam der Polizei kommentierte den
Einsatz im Dannenröder Wald täglich mit kurzen Videos über das soziale
Netzwerk.
Gegner*innen des Ausbaus der A 49 hatten den Wald über ein Jahr lang
besetzt, [2][Anfang Dezember räumte die Polizei den Wald] und schlug mit
der Autobahnfirma Deges eine breite Schneise durch das
Trinkwasserschutzgebiet. Am 10. November, dem ersten Tag des
Polizeieinsatzes, hatten acht Autobahngegner*innen versucht, einen
Harvester, also eine große Erntemaschine, zu besetzen. „Dies stellt eine
Straftat dar“, sagt die Polizeisprecherin in dem Video. „Als Polizei ist es
unsere Aufgabe, das zu verhindern.“ Deshalb der Schlagstockeinsatz. Aber
gegen den Kopf?
Die Polizei dementiert das. In den Kommentaren unter dem Video diskutiert
sie mit anderen Usern. „Es gab keinen Schlagstockeinsatz gegen den Kopf,
woher haben Sie denn diese Information?“, schreibt das Social-Media-Team.
Die Ärzt*innen im Krankenhaus stellten bei T. eine Kopfverletzung fest.
## Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma
„In der Notaufnahme in Marburg trafen gleichzeitig mit mir zwei Polizisten
ein, die meinten ich müsste meine Personalien aufgeben, sonst würde ich
nicht behandelt werden“, berichtet T. Er habe sich jedoch geweigert. Wegen
des Verdachts eines Schädel-Hirn-Traumas und eines verletzten Handgelenks
führten die Ärzt*innen eine Computertomografie durch und röntgen ihn. Die
Polizisten hätten gewartet, um ihn wieder mitzunehmen, aber die Ärzt*innen
hätten empfohlen, ihn 48 Stunden zur Beobachtung im Krankenhaus zu
behalten, sagt T.
Während er im Behandlungszimmer lag und auf die Ergebnisse des Röntgens und
des CT wartete, seien sechs Polizist*innen in das Zimmer gekommen und
hätten ihn zur Personalienabgabe aufgefordert. Als er sich weigerte, hätten
sie ihm Handschellen angelegt und ihn mit Schmerzgriffen auf der Liege
fixiert. Dann hätten sie angefangen, ihn zu entkleiden. Vor Panik und
Schmerzen habe T. sich auf der Liege gewunden und geschrien. „Als sie mir
meine Unterhose ausziehen wollten, kamen zwei Krankenschwestern ins Zimmer
und schickten die Polizisten weg.“
T. habe nur noch weggewollt. „Ich fühlte mich nicht mehr sicher im
Krankenhaus“, sagt er. Ohne den Befund abzuwarten sei er durch die
Notaufnahme geirrt und habe schließlich den Antirepressions-Support der
Waldbesetzer*innen angerufen. Sie hätten ihn abgeholt und ins
Sanitätszelt in dem Waldcamp gebracht. Am nächsten Tag erreichte ihn dort
der negative Befund des CT.
Jetzt klagt T. gegen die Polizei vor dem Gießener Verwaltungsgericht.
Sobald er und sein Anwalt Nils Spörkel die Akten einsehen können, wollen
sie weitere Schritte prüfen: Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt,
Freiheitsentzug und gegebenenfalls Ansprüche auf Schmerzensgeld. Spörkel
hält den Schlagstockeinsatz gegen den Kopf für unverhältnismäßig, ebenso
wie die Zwangsmaßnahmen im Krankenhaus.
„Fragwürdig ist auch, dass die Polizei Mittelhessen über Tweets und
Pressemitteilungen ihre Wertung als vermeintliche Tatsachen verbreitete und
als vermeintlich neutrale Stelle Teil der öffentlichen Meinungsbildung
wurde.“ [3][So titelten die Osthessen-News nach dem Vorfall]: „Baumaschine
besetzt und abgerutscht: A-49-Gegner verletzt sich schwer“. Chris T.
hingegen sagt, er habe die Baumaschine gar nicht erreicht.
28 Dec 2020
## LINKS
[1] https://twitter.com/Polizei_MH/status/1326409889434972166
[2] /Ausbau-der-Autobahn-49/!5730751
[3] https://osthessen-news.de/n11639670/baumaschine-besetzt-und-abgerutscht-a49…
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Dannenröder Forst
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Protest
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