# taz.de -- Wegen Druck aus Nordkorea: Straftat Informationsschmuggel | |
> Das demokratische Südkorea stellt jetzt das Versenden von politischen | |
> Flugblättern oder USB-Sticks über die innerkoreanische Grenze unter | |
> Strafe. | |
Bild: Ein Ex-Flüchtling aus Nordkorea bereitet einen Ballon zum Flug von Südk… | |
Peking taz | Seit über 15 Jahren fährt Park Sang-hak alle paar Wochen ins | |
Niemandsland der innerkoreanischen Grenze, meist gefolgt von einer Schar an | |
Aktivist*innen, Schaulustigen und Fernsehjournalist*innen. Im Gepäck seines | |
Trucks führt er Tausende politische Flugblätter und speziell präparierte | |
Riesenballons mit sich. Mehr braucht der schmächtige Mann mit dem Charisma | |
eines staatsmännischen Freiheitskämpfers nicht, um für das nahe | |
nordkoreanische Regime zum Staatsfeind Nummer eins zu werden – jenem | |
Regime, vor dem Park einst selbst geflohen ist. | |
Doch nun droht er auch in seiner Wahlheimat Südkorea zum Kriminellen zu | |
werden. Denn kürzlich hat die demokratische Regierung in Seoul einen | |
Gesetzentwurf verabschiedet, der das Schmuggeln von Flyern, USB-Sticks oder | |
Bibeln über das verminte Grenzgebiet nach Nordkorea – etwa mithilfe von | |
Ballons auf dem Luftweg oder eingespeist in flaschenartigen Behältern über | |
die Mündung des Han-Flusses – mit einer Geldstrafe von umgerechnet bis zu | |
23.000 Euro oder drei Jahren Haft belegt. | |
Die 187 anwesenden Parlamentarier*innen hatten letzte Woche einstimmig | |
dafür gestimmt, doch zuvor hatten die 113 Vertreter*innen der konservativen | |
Opposition das Gebäude aus Protest verlassen. | |
Außenministerin Kang Kyung-wha räumte in einem Interview mit CNN zwar ein, | |
dass die Meinungsfreiheit durch das neue Gesetz eingeschränkt würde. Doch | |
das Wohl der Allgemeinheit sei wichtiger: „All das passiert in einer sehr | |
sensiblen Gegend – der am stärksten militärisch hochgerüsteten Zone der | |
Welt“, sagte Kang. | |
## Pjöngjang wertet Flugblätter als Kriegserklärung | |
Seit jeher wertet das nördliche Regime von Kim Jong Un die Handlungen der | |
Flugblattaktivisten als Kriegserklärung – und hatte sie zuletzt im Juni in | |
einer Stellungnahme direkt angegriffen. [1][Kim Yo Jong], die mächtige | |
Schwester des Diktators, forderte die südkoreanische Regierung dazu auf, | |
„ein Gesetz zu machen, um den menschlichen Abschaum zu stoppen“. Wenige | |
Tage später ließ Pjöngjang demonstrativ das [2][innerkoreanische | |
Verbindungsbüro] in der Demarkationslinie sprengen und [3][kappte die | |
Kommunikationsverbindungen] mit dem Süden. | |
Warum Nordkorea so empfindlich auf die Aktivist*innen reagiert, belegt eine | |
Studie der Organisation „Database Center for North Korean Human | |
Information“ in Seoul. Demnach seien knapp zwei Drittel aller | |
nordkoreanischen Flüchtlinge, die sich später in Südkorea niederlassen, | |
zuvor in ihrer alten Heimat mit Informationen aus dem Ausland in Berührung | |
gekommen. Bei vielen hat etwa das Schauen südkoreanischer Fernsehserien, | |
die auch den Wohlstand im Nachbarlandes porträtieren, den Wunsch zur Flucht | |
ausgelöst. | |
Einer, der wie kein Zweiter um die Gefahr der freien Information weiß, ist | |
Thae Yong-ho. Als zweithöchster Diplomat der nordkoreanischen Botschaft in | |
London zählt Thae bisher zu den mächtigsten Überläufern des Regimes. | |
Jahrelang vertrat er die Propaganda des Systems im Ausland, nun kämpft er | |
auf der anderen Seite. | |
Für Thae liegt die einzige nichtmilitärische Hoffnung auf Wandel in | |
Nordkorea auf einem freien Informationsfluss: „Es gibt viele | |
Nichtregierungsorganisationen, die sehr aktiv Informationen nach Nordkorea | |
schmuggeln – wir sollten sie unterstützen, damit die Bevölkerung gebildet | |
und aufgeklärt wird.“ | |
## Schweigen zu den Menschenrechtsverletzungen des Nordens | |
In Nordkorea gibt es auch kein Internet, sondern lediglich ein „Intranet“, | |
das vollständig vom Rest der Welt abgekapselt ist. Auch Telefonverbindungen | |
der Bevölkerung ins Ausland sind untersagt. | |
Südkoreas linksliberale Regierung von [4][Präsident Moon Jae-in] muss sich | |
nicht nur den Vorwurf gefallen lassen, demokratische Werte einzuschränken, | |
sondern auch blind gegenüber den Menschenrechtsverbrechen in Nordkorea zu | |
sein. | |
Denn während Moon etwa regelmäßig die systematischen Verbrechen der | |
japanischen Kolonialmacht in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts | |
anklagt, ist er im Rahmen der von ihm vertretenen Entspannungspolitik | |
gegenüber Nordkoreas Regime handzahm. | |
Die Argumentation seiner Regierung ähnelt durchaus der der westdeutschen | |
Linken gegenüber der damaligen DDR im geteilten Deutschland: Man wolle den | |
Nachbarn nicht mit offener Konfrontation zur Menschenrechtslage vergraulen, | |
um die fragile Annäherung nicht zu gefährden. | |
In drei Monaten wird der Gesetzentwurf in Kraft treten. Aktivist Park hat | |
bereits rechtliche Schritte dagegen angekündigt. Kommt er damit nicht | |
durch, will er trotzdem mit seinen Flugblattaktionen weitermachen. Angst | |
vor einer Verhaftung in Südkorea habe er nicht. | |
21 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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