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# taz.de -- Dicke Luft beim Hilfsverein St. Ansgar: Alimaus-Leiterin ist raus
> Vor der Hamburger Tagesstätte Alimaus warteten Hilfsbedürftige am
> Mittwoch vor geschlossenen Türen: Alle Mitarbeiter:innen hatten sich
> krankgemeldet.
Bild: Hilfe unweit der Reeperbahn: die Essensausgabe in der Alimaus läuft wied…
Hamburg taz | „Ich hab’ mir dann zu Hause ’ne Dose aufgemacht“, sagt Ol…
und rückt ein Stück vorwärts. Er steht in der Schlange vor der Alimaus am
Nobistor. Olaf ist der letzte in der Reihe, vor ihm warten rund 20 Menschen
auf ein warmes Essen, das hier in Sichtweite der Reeperbahn überreicht
wird. Olaf hat sein Fahrrad dabei, die Jeans ist über die neonfarbenen
Turnschuhe gerutscht. „Das war für den einen Tag okay, jetzt gibt es ja
wieder was“, sagt er. Rund 300 Menschen versorgt die Tagesstätte Alimaus
täglich mit Kaffee, warmem Essen oder Schlafsäcken. Heute gibt es
Gänsekeulen. Doch am Mittwoch hatte die Alimaus zu – und Olaf musste zu
Hause essen.
Der Grund der Schließung ist schnell erzählt: Alle Mitarbeiter:innen hatten
sich krankgemeldet; die Ehrenamtlichen waren nicht erschienen. Doch die
Situation scheint komplizierter zu sein. „Am Mittwoch sind alle Dämme
gebrochen“, sagt Andreas Fecht. Er arbeitet als Koch in der Alimaus. „Das
war kein Protest, wir können einfach nicht mehr“, sagt Fecht am Telefon.
Kurz vor Weihnachten wurde der Leiterin der Alimaus, Christiane Hartkopf,
mitgeteilt, dass ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert würde. Dies habe der
katholische Träger St. Ansgar so entschieden. Hartkopfs Stelle läuft im
Februar aus. Bislang arbeitete sie mit Einjahresverträgen – nun hätte sie
Anspruch auf eine unbefristete Anstellung gehabt. Warum sie die Alimaus
verlassen soll, wurde ihr nicht mitgeteilt, sagt Hartkopf. „Die Mitglieder
von St. Ansgar leben in ihrer eigenen Welt, mit uns Mitarbeitern hat nie
jemand gesprochen.“
Hartkopf vermutetet, dass ihr Vertrag auch deshalb nicht verlängert worden
sei, weil sie nicht in der Kirche ist. „Das war ich auch nie. Aber
anscheinend sind ich und meine Arbeit nicht mehr christlich genug“, sagt
sie. Als katholischer Verein wolle St. Ansgar sich neu positionieren. Eine
Übernahme des Vereins durch die Malteser stand im Raum, werde aber nicht
umgesetzt, erzählt Hartkopf.
Bei den Mitarbeiter:innen ist Hartkopf beliebt. „Ich bin wegen ihr zur
Alimaus gekommen“, sagt Koch Andreas Fecht. Sowohl Mitarbeiter:innen als
auch ehrenamtliche Helfer:innen hätten den Träger St. Ansgar mit Mails
überflutet, um Hartkopf in der Alimaus zu behalten. Eine Antwort hätten sie
bis heute nicht erhalten.
Auch Kai Greve hebt die Arbeit von Hartkopf hervor. Der Anwalt war bis zu
dieser Woche Vorstandsmitglied von St. Ansgar. „Sie ist sehr engagiert. Den
Kältebus hat sie innerhalb von wenigen Tagen auf die Beine gestellt. Die
Unterbringung von Obdachlosen in Hotels hat sie mitorganisiert.“ Dass Greve
bei den Vorstandswahlen am Dienstag nicht erneut kandidierte, habe auch an
dem Umgang mit Christiane Hartkopf gelegen. Er sei darüber „massiv
enttäuscht“ gewesen, sagt Greve.
Der neue Vorstandsvorsitzende von St. Ansgar heißt Kuno Kohn. Der Priester
wurde am Dienstag gewählt; Mittwochmorgen um 9 Uhr stand auch er vor den
geschlossenen Türen der Alimaus. „Der Koch ist krankgeschrieben, zwei
Mitarbeiterinnen haben sich kurz vorher abgemeldet, die Ehrenamtlichen
haben gesagt, dass sie nicht kommen“, sagt Kohn, während er am Donnerstag
durch die Küche der Alimaus führt. „Das ist Johannes, unser Logistikchef;
der hat gestern geheiratet, seine Frau macht heute die Essensausgabe“, sagt
er gut gelaunt.
Über Hartkopf und die Klagen der Mitarbeiter:innen spricht Kohn zögernd.
Das sei ein sensibles Thema. „Wir haben uns gefragt, wie es bei St. Ansgar
grundsätzlich weitergeht. Können wir Alimaus, Gesundheitsmobil und Kältebus
noch stemmen?“ Dieser Prozess habe viel Zeit in Anspruch genommen. Auch
deshalb habe man Hartkopf im Dezember keine Verlängerung des Vertrages
anbieten können. Man habe sich entschieden, ihre Stelle mit einer
Ordensschwester der Dominikaner zu besetzen. Diese werde wohl am 1. März
beginnen. „Das ist eine Vollzeitstelle“, sagt Kohn.
Es habe sie nie jemand gefragt, ob sie sich eine volle Stelle vorstellen
könne, erzählt Christiane Hartkopf. Ihr auslaufender Vertrag enthält eine
Arbeitszeit von 25 Stunden. De facto habe sie aber in Vollzeit gearbeitet:
„Ich war immer abrufbar. Das war mein ehrenamtlicher Input. Meine
Überstunden habe ich nie erfasst“, sagt sie.
Nun geht es in der Alimaus ohne sie weiter. Christiane Hartkopf ist
krankgeschrieben.
15 Jan 2021
## AUTOREN
Finn Starken
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