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# taz.de -- Gewerkschaftsgründung bei Google: Die Macht des Kollektivs
> Eine Seltenheit im Silicon Valley: US-Beschäftigte von Google haben eine
> Gewerkschaft gegründet. Ihr Potenzial sollte nicht unterschätzt werden.
Bild: Angestellte vor dem Google-Hauptquartier in Mountain View, Kalifornien 20…
Don't be evil – sei nicht böse. Das langjährige Motto der Suchmaschine
Google ist ein wenig verblasst, aber nicht vergessen. Am Montag erinnerten
225 Angestellte und Honorarkräfte des Mutterkonzerns Alphabet an das
Versprechen dieser Maxime. Mit einem PR-Coup, [1][inklusive Gastkommentar
in der New York Times], gaben sie ihre gewerkschaftliche Organisation
bekannt.
Angesichts rund 200.000 Beschäftigter wirkt die Zahl der
Gründungsmitglieder vielleicht klein. Und tatsächlich kann eine
Gewerkschaft in den USA erst dann Tarifpartei sein, wenn sie von einer
Mehrheit der Angestellten unterstützt wird. Jedoch gibt das
US-amerikanische Arbeitsrecht auch einer Minderheitenvertretung diverse
Möglichkeiten der Einflussnahme, nicht zuletzt über öffentlichkeitswirksame
Aktion und Stellungnahme. Zumindest diesen ersten Test im Kampf um
Aufmerksamkeit hat die [2][Alphabet Workers Union] bestanden.
Gewerkschaftliche Organisation ist extrem selten bei den großen
Digitalplattformen. Einerseits ist die ideologische Erzählung einer
techno-utopischen Meritokratie, in der die Besten es am weitesten bringen
und Leistungen mit grandiosen Boni belohnt werden, tief im
Selbstverständnis vieler Angestellter verankert. Anderseits werden
wiederholte Kritik oder gar koordinierter Protest mit ziemlicher Härte
beantwortet. Entlassungen oder [3][forcierte „freiwillige“ Abgänge von
Aktivist*innen kommen bei Google], wie bei anderen Konzernen, immer wieder
vor.
Selbst die Organisator*innen von Aktionen mit großer Beteiligung ihrer
Kolleg*innen bezahlen ihr Engagement bisweilen teuer. Vier der sieben
Angestellten, die 2018 zehntausende Google-Mitarbeiter*innen aus Protest
gegen den Umgang des Konzerns mit sexueller Belästigung auf die Straße
brachten, [4][arbeiteten ein Jahr später nicht mehr dort].
## Mehr Appell als Kampf?
Umso bemerkenswerter und letztlich unausweichlicher ist der Versuch
gewerkschaftlicher Organisation. Auch wenn das Mission Statement der
Alphabet Workers Union streckenweise weniger nach Arbeitskampf, dafür mehr
nach einem Appell an das Unternehmen klingt, sich auf seine Gründungswerte
zu besinnen – also wieder gut zu sein –, sollten das Potenzial und die
Signalwirkung dieser Gründung nicht unterschätzt werden.
Es wird deutlich, dass Beschäftigte auf ganz unterschiedlichen Stufen der
Hierarchie, vor allem aber inklusive der zwar immer noch gut bezahlten,
aber dennoch prekär gehaltenen Honorarkräfte, kein Vertrauen mehr in ein
gutwillig zu klärendes gemeinsames Interesse mit ihren Vorständen haben.
Die Manifestation dieses Misstrauens in der Gewerkschaftsgründung ist der
entscheidende Schritt, weg von der kalifornischen Ideologie, weg vom
unbedingten Glauben an die alles in Frieden und Freude verbindende
Technologie. Hin zu der an sich gar nicht so neuen Erkenntnis, dass
langfristig organisiertes kollektives Handeln die einzig nachhaltige
Strategie zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen ist.
225 Menschen erklären also öffentlich, dass sie von ihrem Arbeitgeber
verlangen, dass er sie fair behandelt, dass er für ein
diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld sorgt und dass er seiner aus
Marktmacht gewachsenen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gerecht
wird. Die Zeit für dieses Begehren ist günstig gewählt. Der US-Kongress
sucht noch immer nach Wegen, die Monopole der digitalen Plattformen zu
beschränken. Die einen oder anderen Abgeordneten werden sicherlich Zeit für
Gespräche, selbst mit einer kleinen Minderheitenvertretung, finden.
Die Gegenmaßnahmen des Konzerns, das union busting, sind zweifellos bereits
eingeleitet. Die Frage ist, wie gut sich die frisch gebackenen
Kämpfer*innen für Arbeitnehmer*innenrechte schützen können. Gute
Pressearbeit ist dabei das eine, geduldige Organisationsarbeit das andere.
Und wenn schon Regierungen und Parlamente in aller Welt an der Regulierung
der Plattformkapitalisten scheitern, heißt es ja vielleicht eines Tages von
innen drin, tief aus dem Herz der Bestie: Algorithmen stehen still, wenn
dein starker Arm es will!
5 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.nytimes.com/2021/01/04/opinion/google-union.html
[2] https://alphabetworkersunion.org/
[3] /Vorwuerfe-von-schwarzer-KI-Forscherin/!5730475
[4] https://www.wired.com/story/most-google-walkout-organizers-left-company/
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Silicon Valley
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Wir retten die Welt
Datenschutz
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