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# taz.de -- Die Wahrheit: „Ich starte bald mit Miet & Greed“
> Das wahre Wahrheit-Interview mit dem schwäbischen Vermieter Cornelius W.
> M. Oettle aus Stuttgart: Wie der „Kultvermieter“ wirklich tickt.
Bild: Schöner Wohnen in Berlin
Cornelius W. M. Oettle ist 29 Jahre alt und lebt und arbeitet als Vermieter
in Stuttgart. Auf Twitter und Instagram gibt er seinen Followern Tipps für
den Umgang mit ihren Mietmenschen. Eine Begegnung im Eigenheim zum
Eigeninterview.
taz: Herr Oettle, Sie sind Besitzer mehrerer Wohn …
Cornelius W. M. Oettle: Da muss ich Sie gleich mal korrigieren: Ich bin der
sogenannte Eigentümer. Besitzen tut die Wohnung der Mieter. Er übt die
unmittelbare Sachherrschaft aus, wie man im Mietrecht sagt.
Danke. Sie sind also „Eigentümer“ mehrerer Wohnungen.
Sehr gut. Sie lernen schnell.
Im Internet sind Sie als „Der Kultvermieter“ bekannt …
Ich berichte auf meinen Social-Media-Kanälen über den Alltag mit meinen
Mietmenschen. Natürlich ist es anstrengend und nicht immer leicht,
Vermieter von gleich mehreren Mieterinnen und Mietern unterschiedlichen
Alters zu sein. Aber sie geben einem am Ende des Tages auch viel zurück.
Wohl vor allem am Ende des Monats.
Das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter ist mehr als ein Dauerauftrag.
Ich versuche, auch zu fordern und zu fördern.
Wie muss man sich das vorstellen?
Im Frühjahr während der Pandemie etwa bat mich eine Mieterin um eine
Mietminderung, da sie in dieser Zeit weniger Einkommen hatte. Ärgerlich,
klar, aber wieso sollte nur ich darunter leiden? Anstelle einer
Mietminderung habe ich ihr einen guten Tipp gegeben: Sie sollte stattdessen
einfach die Mietbeträge erhöhen, die sie von ihren eigenen Mietern bekommt.
Gemeldet hat sie sich daraufhin nicht mehr, es hat also wahrscheinlich
geklappt.
Bei Ihnen läuft aber nicht immer alles so harmonisch ab. Einmal haben Sie
sich über einen Mieter beschwert, weil dieser nach vier Jahren aus Ihrer
Wohnung ausziehen wollte, obwohl diese noch nicht ganz abbezahlt war.
Ja, das war wirklich egoistisch von ihm. Unterschreibt man einen
Mietvertrag, sollte man schon den Anstand haben, die Miete solange zu
überweisen, bis die Wohnung endfinanziert ist. Das Ganze macht sonst
überhaupt keinen Sinn – ich kaufe die Wohnung doch nur, damit sie ein
Mieter für mich bezahlt. Andernfalls könnte ich ja gleich selbst drin
wohnen.
Der Mann musste aus beruflichen Gründen umziehen!
Das hätte er ja tun können, ohne seinen Dauerauftrag zu kündigen. Gerade
wenn er doch jetzt einen neuen, lukrativeren Job bekommen hat. Aber der
wollte sich nicht einmal um einen Nachmieter kümmern, der meine Schulden an
seiner statt hätte begleichen können. Es war ihm auch egal, dass ich den
monatlichen Fehlbetrag dann auf die anderen Mieter umwälzen musste – wie
unkollegial kann man sich verhalten? Ich habe ihm ein entsprechend
schlechtes Arbeitszeugnis ausgestellt.
Stichwort Arbeit. Mit einem anderen Mieter liegen Sie im Clinch, weil
dieser sich weigert, Sie mit „Chef“ anzusprechen.
Ein besonders aufmüpfiger Kerl. Für diese Frechheit habe ich ihm einen
ordentlichen Lohnabzug verpasst.
Das können Sie als Vermieter doch gar nicht.
Sind Sie vom Mieterschutz, oder was?
Sie haben keinen Einfluss auf den Lohn ihres Mieters.
Doch, ich kann ja die Miete erhöhen. Das ist unterm Strich das Gleiche wie
eine Gehaltskürzung. Deutschland ist immer noch ein Rechtsstaat, hier
herrscht Gewaltenteilung zwischen Arbeitgeber, Wohnungsgeber und
Gesetzgeber.
Auch über die Steuer auf Mieteinnahmen haben Sie sich echauffiert.
Zu Recht, nicht wahr? Das Geld, das ich über die Miete erhalte, wurde doch
schon versteuert durch die Lohnsteuer meiner Mieter! Und wenn ich die
Mieteinnahmen an der Börse anlege, muss ich auf die Gewinne wieder
Kapitalertragssteuer zahlen. Dieser Bürokratiewahnsinn ärgert mich maßlos,
jetzt soll auch noch ein Mietendeckel kommen. Wenn das so weitergeht,
stirbt das traditionelle Handwerk des Vermietens aus.
Welche Tipps haben Sie für junge Menschen, die sich für den Beruf des
Vermieters interessieren?
Wer sich den Traum von der eigenen Immobilie erfüllen will, muss früh
anfangen. Für mein erstes Häuschen habe ich schon vor meiner Geburt meine
Eltern für mich arbeiten lassen.
Nicht einmal jeder zweite Deutsche verfügt über Wohneigentum. Warum?
Dafür habe ich ehrlich gesagt auch keine Erklärung. Aber im Alter jammern
diese Leute dann.
Verraten Sie uns zum Schluss: Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich werde wie jeder junge Mann mit zu viel Tagesfreizeit bald einen Podcast
starten, in dem ich mich pro Folge mit einem meiner Mieter unterhalte. Der
Titel: „Miet & Greed“.
Danke für das Gespräch.
5 Jan 2021
## AUTOREN
Cornelius Oettle
## TAGS
Die Wahrheit
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Mietenpolitik
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