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# taz.de -- Bundesverfassungsgericht zu Haftbedingungen: Mindestens drei Quadra…
> Karlsruhe hat Mindeststandards für Haftbedingungen in anderen EU-Staaten
> definiert. Werden sie nicht erfüllt, dürfen Häftlinge nicht ausgeliefert
> werden.
Bild: Wird die Menschenwürde für Häftliche hier gewahrt? Gefängnis nahe Buk…
Freiburg taz | Deutsche Gerichte müssen bei der Auslieferung von
mutmaßlichen Straftätern in andere EU-Staaten künftig gründlicher prüfen,
ob dort unmenschliche Haftbedingungen bestehen. Das
Bundesverfassungsgericht gab jetzt den Verfassungsbeschwerden von zwei
Betroffenen statt, die nach Rumänien ausgeliefert werden sollten.
Im ersten Fall war ein Rumäne in seiner Heimat wegen versuchten Mordes zu
einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Nachdem er in
Berlin festgenommen wurde, billigte das dortige Kammergericht (KG) die
Auslieferung nach Rumänien.
Im zweiten Fall ging es um einen Iraker, dem die rumänische
Staatsanwaltschaft vorwarf, er habe illegal Ausländer ins Land geschleust.
Hier billigte das Oberlandesgericht (OLG) Celle die Auslieferung.
Die betroffenen Männer wollten die Überstellung nach Rumänien verhindern,
weil die Haftbedingungen dort gegen die Menschenwürde verstießen.
Tatsächlich war Rumänien vom [1][Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte] (EGMR) in Straßburg deshalb bereits mehrfach verurteilt
worden. Wenn die Auslieferung hieran gescheitert wäre, hätten die Männer
freigelassen werden müssen, da sie in Deutschland ja keine Straftaten
begangen haben.
## Wird die Menschenwürde gewahrt?
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte nun Vorgaben auf, was
deutschen Gerichte in solchen Fällen zu prüfen haben. So gelte zwischen
EU-Staaten grundsätzlich das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens,
insbesondere bei der Auslieferung auf Grundlage eines Europäischen
Haftbefehls. Dennoch müssten die Gerichte prüfen, ob in den Gefängnissen
des Ziellandes die Menschenwürde gewahrt ist.
Erforderlich sei in Gemeinschaftszellen zum Beispiel ein Mindestmaß
„persönlichen Raums“ von drei Quadratmetern. Außerdem komme es auf
Belüftung, Heizung und [2][Hygiene] des Haftraums an.
Zunächst müssten deutsche Gerichte klären, so die Karlsruher Vorgabe, ob es
in den Haftanstalten des Ziellandes „systemische Defizite“ gibt. Hinweise
könnten zum Beispiel EGMR-Urteile geben. Wenn dies der Fall ist, müsse in
einem zweiten Schritt geprüft werden, ob dem Betroffenen im konkreten Fall
eine „echte Gefahr“ unmenschlicher Behandlung droht. Dies müsse nicht der
mutmaßliche Straftäter beweisen, so das BVerfG, vielmehr hätten deutsche
Gerichte eine „Aufklärungspflicht“. Sie dürften dabei aber grundsätzlich
auf Zusagen des Ziellandes vertrauen.
Diese Zweistufenprüfung übernahm das BVerfG aus der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. Da Europäische Haftbefehle
EU-rechtlich definiert sind, prüfte des BVerfG den Fall auch nicht an den
Grundrechten des Grundgesetzes, sondern an der EU-Grundrechtecharta.
Karlsruhe stellte fest, dass der Schutz hier identisch ist.
In einem wichtigen Punkt ging das BVerfG nun aber über den EuGH hinaus. Der
EuGH verlangte 2018, dass Gerichte den Zustand der Zielland-Haftbedingungen
nur in denjenigen Anstalten prüfen, in denen der Betroffene nach der
Auslieferung eindeutig inhaftiert werden soll. Dagegen verlangt das BVerfG
auch eine Prüfung all der Haftanstalten, in die eine spätere Verlegung „mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten ist.
In den beiden Ausgangsfällen hob das BVerfG die Auslieferungsentscheidungen
auf, weil die Gerichte nicht gründlich genug geprüft hatten. Das KG Berlin
und das OLG Celle müssen nun neu prüfen und neu entscheiden. Die beiden
Männer sitzen seit rund drei Jahren in deutscher Auslieferungshaft.
30 Dec 2020
## LINKS
[1] /Gerichtshof-fuer-Menschenrechte/!5663709
[2] /Regisseur-ueber-Oscar-Einreichung/!5729054
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Haftbedingungen
Bundesverfassungsgericht
Rumänien
DUH
Europäischer Gerichtshof
Bundesverfassungsgericht
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