Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Korruption in Österreich: Acht Jahre Haft für Grasser
> Der Ex-Finanzminister wird wegen Untreue und Fälschung von Beweismitteln
> verurteilt. Die Anwälte haben bereits Berufung angemeldet.
Bild: Verurteilt: Karl Heinz Grasser im Gericht
Wien taz | Österreichs früherer Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist
schuldig. Er hat bei der Privatisierung der Bauen und Wohnen GmbH (BUWOG)
der Republik durch Untreue und Beweismittelfälschung einen Millionenschaden
verursacht. Das sah der Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richterin
Marion Hohenecker am Freitag in seinem Urteilsspruch als erwiesen an. Mit
acht Jahren Haft hat die Richterin das Strafmaß von 15 Jahren zu mehr als
der Hälfte ausgeschöpft.
Schuldsprüche gab es auch für Grassers mutmaßliche Komplizen, die
Lobbyisten Walter Meischberger (sieben Jahre) und Peter Hochegger (sechs
Jahre). Letzterer war der einzige der insgesamt 14 Angeklagten, der sich
teilweise schuldig bekannte.
60.000 Wohnungen wurden 2004, als [1][Grasser Finanzminister der Regierung
Wolfgang Schüssel (ÖVP) war], für nur 961,2 Millionen Euro verkauft. Fünf
Jahre nach dem Verkauf wurden seltsame Überweisungen an die Lobbyisten
Meischberger und Hohenegger aufgedeckt – mit 9,6 Millionen just ein Prozent
der Kaufsumme.
Sie gaben später zu, dass sie dem Bestbieter Immofinanz die Information
zugesteckt hatten, wie hoch die Angebote der anderen Interessenten waren.
Die Immofinanz legte dann noch 1,2 Millionen Euro drauf – das sind weniger
als 0,1 Prozent – und machte bald mehr als eine Milliarde Euro Gewinn.
## Shooting Star der Politik
Grasser, selbst parteilos aber von Jörg Haider im Jahr 2000 zum jüngsten
Finanzminister der Republik bestellt, galt anfangs als smarter Shooting
Star der Politik, geriet aber immer heftiger in den Ruch der
Bestechlichkeit.
Seine private Homepage ließ er sich von der Industriellenvereinigung
sponsern, beim Kauf von Abfangjägern änderte er über Nacht seine Position
von der billigsten Variante zu den teuren Eurofightern. Der Konzern EADS
gab bei einem Prozess in den USA zu, dass bei dem Deal Schmiergeld
geflossen sei.
Die Staatsanwaltschaft bemühte sich jahrelang, wasserdicht nachzuweisen,
dass der Tipp im BUWOG-Verkauf von Grasser gekommen war und er selbst auch
Schmiergelder kassiert habe. Neben Hoheneggers Aussage, alles sei von
Anfang an „ein abgekartetes Spiel“ gewesen, bei dem keine Spuren zu Grasser
nachweisbar sein sollten, belasten zahlreiche Indizien den ehemaligen
Finanzminister.
So konnte er nie schlüssig erklären, was der Ursprung einer halben Million
Euro in bar war, die er persönlich im Geldköfferchen von der Schweiz nach
Österreich brachte. Er behauptete, seine Schwiegermutter hätte sein
Anlagegeschick testen wollen. Der Sohn eines Autohändlers in Klagenfurt
hatte in den Swarovski-Kristall-Clan eingeheiratet und zelebrierte ein
Jet-Set-Dasein zwischen Capri, Kitzbühel und Wien.
## Berufung angemeldet
In ihrer Urteilsbegründung zitierte die Richterin Legionen von Zeugen, die
Grasser und seine Spezis belastet hatten. Verschleierungshandlungen und
Beweismittelfälschungen konnten nachgewiesen werden. Wer rechtmäßig
Zahlungen in Österreich bekommt, „braucht keine Konten in Liechtenstein
oder Delaware“, so Richterin Hohenecker. Neben den Prozesskosten müssen die
Verurteilten auch den Schaden von 9,6 Millionen Euro plus 4 Prozent Zinsen
berappen.
Nach sechsjährigen Ermittlungen und drei Jahren vor Gericht ging einer der
[2][längsten Korruptionsprozesse] der Zweiten Republik damit zu Ende.
Zumindest in erster Instanz. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, da
die Anwälte bereits Berufung angemeldet haben.
4 Dec 2020
## LINKS
[1] /Korruptionsskandal-in-Oesterreich/!5086447
[2] /Misstrauensvotum-in-Oesterreich/!5598469
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Österreich
Schwerpunkt Korruption
Finanzpolitik
Schwerpunkt Korruption
Sebastian Kurz
Österreich
## ARTIKEL ZUM THEMA
Korruptionsprozess in Österreich: Gericht bestätigt Schuld Grassers
Nach 16 Jahren ist einer der größten Korruptionsfälle Österreichs
entschieden. Ex-Finanzminister Grasser muss vier Jahre in Haft.
Misstrauensvotum in Österreich: Kurz zieht den Kürzeren
Sebastian Kurz hat den Misstrauensantrag der Opposition nicht überstanden.
Auch der bisherige Koalitionspartner FPÖ stimmte gegen ihn.
Eurofighter-Ausschuss in Österreich: Luftgeschäfte mit Schrottfliegern
Der zweite Untersuchungsausschuss zur Eurofighter-Beschaffung zeigt, wie
sehr die verantwortliche Regierung über den Tisch gezogen wurde.
Korruptionsskandal in Österreich: Käufliche Konservative
Österreichs Ex-Innenminister Ernst Strasser ist wegen Bestechlichkeit
angeklagt. Gegen weitere Mitglieder der früheren ÖVP-Regierung laufen
Ermittlungsverfahren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.