Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Silvester in Berlin: Wenig krachend ins neue Jahr
> Böllerverbot und Coronamaßnahmen bescheren Berlin einen viel ruhigeren
> Jahreswechsel als sonst. Innensenator Geisel bedankt sich.
Bild: Bis auf die viele Polizei fast menschenleer: Berliner Straßen am Silvest…
Silvesterimpressionen aus Nordneukölln: Dort, wo in normalen Jahren
kriegsähnliche Szenen zu beobachten sind, herrscht diesmal ungewohnte
Stille. Auf den großen Verkehrsadern ist kaum ein Mensch unterwegs. Dafür
ist teils sogar das Knistern von Wunderkerzen zu hören, die auf Balkonen
abgebrannt werden. In der Sonnenallee steht ein kleines Grüppchen, die vier
haben ihr Jahresendmenü kurz unterbrochen, um vor dem Dessert auf der
Straße anzustoßen: „Möglichst viele Gänge essen, um Zeit zu schinden“,
beschreiben sie ihre Taktik an diesem seltsamen Abend.
Vor einem Späti in der Hermannstraße schauen gegen Mitternacht ein paar
Freunde des Besitzers vorbei. Ein Dutzend Polizist*innen patrouilliert,
hier ist eine der Böllerverbotszonen, die es zu kontrollieren gilt. Als
sich zwei weitere Freunde zur Späti-Gruppe gesellen, kommt einer der
Ordnungshüter: „Maximal zu zweit, die anderen ab nach Hause.“ Die
Angesprochenen ärgern sich: „Warum sprechen sie dauernd uns an, aber
andere, die hier mit Getränk die Straße langlaufen, nicht?“ Sie erzählen
von Polizeikontrollen im Alltag, die sie als Schikane empfinden. Und sie
sind erstaunt über das ruhige Silvester. „Ich hätte nicht gedacht, dass die
Leute sich dran halten“, sagt einer.
Ganz so still ist es in den Seitenstraßen dann aber auch nicht. Dort, wo es
weniger übersichtlich ist und das Böllern offiziell nicht untersagt, stehen
immer wieder Grüppchen von Ballerwütigen, die entweder einen großen
Vorratsschrank voll Pyrotechnik besitzen oder sich in Polen mit Feuerwerk
eingedeckt haben. Zwar wird insgesamt viel weniger Material abgebrannt als
sonst, die ortsüblichen Abschusstechniken – Rakete quer über die Straße,
Kanonenschlag unters Auto – lassen sich aber weiterhin beobachten. Unweit
des Richardplatzes steht eine größere Gruppe in einem Hauseingang, ein Kind
feuert eine ohrenbetäubende Salve aus einer Schreckschusspistole ab.
## Nur 211 Brände
Am Neujahrsmorgen ist die Bilanz des Innensenators Andreas Geisel (SPD) und
der Polizei dennoch positiv. Die überwiegende Mehrheit der Berlinerinnen
und Berliner habe sich verantwortungsbewusst verhalten. „Dafür möchte ich
mich ausdrücklich bedanken“, sagte Geisel. Die Polizei teilte mit, dass es
zwar einige Angriffe auf Polizisten gegeben habe, aber kein Beamter schwer
verletzt worden sei. Die Feuerwehr, die mit rund 1.500 Kräften im Einsatz
war, dokumentierte 862 Einsätze zwischen 19 und 7 Uhr. In der
Silvesternacht 2019 hatte sie noch fast doppelt so oft ausrücken müssen.
211 Brände mussten gelöscht werden (im Vorjahr: 617), 5-mal (statt 24-mal)
kam es zu Übergriffen auf Einsatzkräfte, 4 davon mit Pyrotechnik.
Deutlich weniger als sonst, aber auch nicht nichts: Das trifft auch auf
Berlins Krankenhäuser und Rettungsstellen zu. Allein im Unfallkrankenhaus
Berlin in Marzahn mussten Handchirurgen 10 von Sprengkörpern verletzte
Menschen notoperieren. Bei zwei der Patienten wurden Teile der Hände
amputiert, so eine Sprecherin der Klinik. In den anderen Fällen habe es
sich um Brandverletzungen, Fleischwunden oder Knochenbrüche an der Hand
gehandelt.
## Alkohol verknappt
Völlig neu für die Menschen in der Partystadt Berlin war das
Alkoholabgabeverbot, das am Silvestertag um 14 Uhr in Kraft trat. Die
Supermärkte hatten verschiedene Strategien, um das ihren KundInnen zu
vermitteln. Am Neuköllner Tor machte der Laden direkt um 14 Uhr dicht.
Märkte, die länger geöffnet hatten, schirmten die Bier-, Wein- und
Schnapsregale teils mit Plastikfolien ab oder verbarrikadierten gleich
ganze Gänge mit massiven Holzpaletten. Einige KundInnen schienen trotzdem
kalt erwischt: „Ich bin aber doch vor 14 Uhr in den Laden gekommen, jetzt
werde jetzt bestraft, weil es hier alles so lange dauert“, versuchte eine
Frau im länger geöffneten Markt am Hermannquartier zu argumentieren. „Lass
mal, ich weiß schon, wo wir noch was kriegen“, beruhigt ihre Freundin.
Denn natürlich hielten sich nicht alle an die ungewohnte Bestimmung zur
Pandemiebekämpfung. „An einer Absperrung in Mitte fuhr unseren Kollegen ein
betrunkenes Pärchen auf E-Scootern in die Arme“, twitterte die Polizei kurz
vor 23 Uhr. „Beide waren sehr redselig und verrieten, dass sie den Alkohol
aus dem Späti um die Ecke hatten. Unsere Kollegen fuhren dort auch gleich
hin und machten den Laden dicht.“
Am wenigsten zu tun im Vergleich zu gewöhnlichen Jahren hat wohl die
Berliner Stadtreinigung: „Nach unserer Einschätzung gibt es deutlich
weniger Silvestermüll als in den Vorjahren“, sagte BSR-Sprecher Sebastian
Harnisch der dpa. „Wir verzeichnen kaum flächendeckende Verschmutzungen,
sondern eher punktuelle Verunreinigungen.“ Der „Spezialeinsatz
Neujahrsreinigung“ könne diesmal ausfallen, nur die „normale
Feiertagsbesetzung“ von 260 Beschäftigten und 80 Fahrzeugen sei im Dienst –
halb so viele wie sonst nach Silvester. (mit dpa)
1 Jan 2021
## AUTOREN
Claudius Prößer
Uta Schleiermacher
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Silvester
Böllerverbot
Polizei Berlin
Silvesterknallerei
Silvesterknallerei
Schwerpunkt Coronavirus
Silvesterknallerei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Feuerwerk an Silvester: Böllern oder nicht böllern?
Die Allianz um die Umwelthilfe will ein Feuerwerksverbot. Der Bundesverband
Pyrotechnik ist hingegen für die Fortführung des Brauchs.
Das Berliner Verbot von Tischfeuerk: Nichtmal Wunderkerzen sind erlaubt
Bundeweit wurde der Verkauf von Böllern und Raketen verboten, in Berlin
gelten schärfere Regeln. Dabei schaden Knallerbsen keinem Menschen.
Silvester in Berlin: Ausnahmezustand im Ausnahmejahr
Feuerwehr und Polizei bereiten sich auf den Jahreswechsel mit
Pandemie-Regeln vor: Trotz Böllerverbot rechnen sie mit einer
arbeitsreichen Nacht.
Berliner Böllerverbot: 2020 knallt nicht
54 Böllerverbotszonen wird es zu Silvester in Berlin geben. Gleich ein
stadtweites Verbot wäre laut Innenverwaltung „rechtlich schwierig“gewesen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.