| # taz.de -- Neujahrsansprache von Angela Merkel: „Die Kraft der Vielfalt“ | |
| > Die Kanzlerin findet an Silvester berührende Worte und zeigt Haltung. | |
| > Nur: Über Politik spricht sie wenig, dabei hat ihre Politik die Krise | |
| > erschwert. | |
| Bild: Angela Merkel findet einlullende Worte | |
| Berlin taz | Berührende Worte [1][hat die Kanzlerin in ihrer letzten | |
| Neujahrsansprache gefunden]. Das Coronavirus treffe „uns da, wo wir am | |
| allermenschlichsten sind: im engen Kontakt, in der Umarmung, im Gespräch, | |
| beim Feiern“, sagte Angela Merkel. Sie spricht damit aus, was vermutlich | |
| neben den Existenzsorgen oder der Arbeitsüberlastung, alle beschäftigt: | |
| die fehlende Nähe. Die Pandemie „war und ist eine politische, soziale, | |
| ökonomische Jahrhundertaufgabe“, sagte sie. | |
| Sie hat ja recht. Die Versuchung ist groß, ihr einfach nickend zu folgen. | |
| Sie findet Worte der Anteilnahme für alle, die geliebte Menschen verloren | |
| haben. Sie beweist Haltung und gibt den Coronaverharmloser:innen einen mit: | |
| Verschwörungstheorien seien nicht „nicht nur unwahr und gefährlich“, | |
| sondern auch „zynisch und grausam diesen Menschen gegenüber“. Sie dankt den | |
| Ärzt:innen und Pflegekräften, den Menschen, die das Land am Laufen halten, | |
| den disziplinierten Bürger:innen. | |
| Und sie beschwört die „Kraft der Vielfalt“. Die Impfstoffentwickler:innen | |
| Uğur Sahin und Özlem Türeci hätten ihr erzählt, dass in ihrer Firma | |
| Biontech „Menschen aus 60 Nationen“ arbeiten. Mit dem Wissen, dass Merkels | |
| Ära nach der Bundestagswahl im September endet, kommt man kaum umhin, ihr | |
| angesichts des grassierenden Rechtspopulismus dankbar zu sein für ihre | |
| integrierenden, ruhigen Worte. | |
| Nur: Merkel hebt alles auf eine persönliche Ebene, sie lulllt ein mit | |
| warmen Worten. Spricht die mächtigste Politikerin Deutschlands auch über | |
| Politik? Ja, sie redet über die Milliardenhilfen. Aber mit keinem Wort | |
| erwähnt sie die erbärmliche, [2][menschenunwürdige EU-Flüchtlingspolitik]. | |
| Dass [3][Pfleger:innen an der absoluten Belastungsgrenze] arbeiten, dafür | |
| ist ihre Politik mit verantwortlich, das war schon vor der Krise so. Und | |
| dass die Bundeswehr „an allen Ecken und Enden Unterstützung leistet“, ist | |
| nur Folge der Personalknappheit. Die Arbeiter:innen an den Kassen, | |
| [4][in den Fleischfabriken] oder in den Kitas wurden nicht erst jetzt als | |
| „systemrelevant“ entdeckt. Gewerkschaften und linke Bündnisse kreiden die | |
| Missstände in den Branchen seit Jahren an. Die Maxime des Profits hat die | |
| Krise maximal erschwert. Wer mit Hoffnung ins neue Jahr blicken will, muss | |
| auf eine andere, sozialere Politik setzen. | |
| 1 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/mediathek/videos/merkel-neujahrsansp… | |
| [2] /Gefluechtete-in-Bosnien/!5735586 | |
| [3] /Pflegerinnenmangel-in-Heimen/!5700955 | |
| [4] /Arbeitsbedingungen-der-Fleischindustrie/!5722671 | |
| ## AUTOREN | |
| Jasmin Kalarickal | |
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