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# taz.de -- Nach Protesten gegen Dumpingpreise: Händler einigen sich mit Bauern
> Nach Blockaden von Lidl und Aldi versprechen die großen Supermarktketten
> den Landwirten Hilfe. Doch vielen Bauern reicht das nicht.
Bild: Cloppenburg: Landwirte blockierten die Zufahrt zum Zentrallager von Lidl …
Berlin taz | Nach massiven Bauernprotesten haben die großen
Supermarktketten versprochen, die unter niedrigen Erzeugerpreisen leidende
Landwirtschaft in Deutschland zu stärken. Eine einzurichtende Ombudsstelle
solle Konflikte zwischen Handel und [1][Landwirten] beilegen, teilten der
Handelsverband Lebensmittel (BVLH) und die Bauernorganisation Land schafft
Verbindung Deutschland (LsV) am Dienstag mit.
Sie „verfolgen das Ziel“, eine Herkunftskennzeichnung für heimische
Agrarerzeugnisse einzuführen, heißt es weiter in der erst mit tagelanger
Verspätung veröffentlichten Abschlusserklärung zu den Gesprächen, die LsV,
BVLH, Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Kaufland in der vergangenen Woche geführt
hatten. Die Handelsunternehmen kündigten auch an, in ihrer Werbung die
Leistungen der deutschen Landwirtschaft stärker hervorzuheben. Zwei
Arbeitsgruppen sollen darüber hinaus kurzfristig „konkrete und
strukturelle“ Lösungen erarbeiten, damit Milch- und Schweinebauern mehr
Geld bekommen.
Die Lebensmittelhändler wollen außerdem die Forderung der Landwirte nach
einem Sofort-Hilfsfonds unterstützen, um Einkommenseinbußen der Bauern
durch die Coronakrise und den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in
Deutschland abzufedern. Neben dem Handel sollen sich daran auch der Staat,
die Lebensmittelverarbeitung und die -industrie beteiligen. Die
vereinbarten Maßnahmen sollten „so schnell wie möglich umgesetzt werden“,
heißt es in der Erklärung.
LsV sagte im Gegenzug zu, darauf hinzuwirken, „dass der Warenverkehr
künftig ungehindert fließen kann“. Damit dürfte gemeint sein, dass die
Bewegung sich gegen weitere Blockaden, beispielsweise von Lidl-Lägern oder
Molkereien, durch Trecker ausspricht.
## Blockadeteilnehmer unzufrieden
Doch Unzufriedenheit mit der Erklärung gibt es gerade in den Reihen der
Landwirte, die im Raum Cloppenburg solche Proteste organisiert haben. „Die
Leute, die da vor den Toren gestanden haben, die sind damit nicht
einverstanden“, sagte Jan-Bernd Stolle, Bauer aus Großenkneten, am
Mittwoch der taz. Es fehlten konkrete und schnelle Hilfen. Er schloss
weitere Blockaden nicht aus.
Auch Stefan Grotjann, der für die Blockadeteilnehmer an den Verhandlungen
beteiligt war, sagte: „Da waren wir so nicht mit einverstanden, weil wir
auf der Straße waren für alle Betriebszweige.“ In der Erklärung seien aber
nur Arbeitsgruppen für die Sektoren Milch und Schwein erwähnt.
„Das ist ein bisschen heiße Luft und sonst nichts“, sagte der der taz der
niedersächsische Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft, Ottmar Ilchmann, über die Einigung. Dass Beteiligte an den
Aktionen in Cloppenburg mit dem Papier nicht einverstanden seien, werde zu
Diskussionen führen, ob der LsV-Sprecher Dirk „Andresen und der
LsV-Bundesvorstand überhaupt die richtigen Verhandlungsführer sind – und
Bauer Willi noch“. Unter diesem Namen tritt der Nebenerwerbslandwirt und
Blogger Willi Kremer-Schillings auf, der früher in der Agrarchemieindustrie
arbeitete. Auch er war bei dem Gespräch mit den Konzernen dabei.
Wahrscheinlich würden nur wenige Bauern die geplante Ombudsstelle anrufen
können. „Kein Bauer verkauft seine Rohmilch direkt an den
Lebensmitteleinzelhandel“, sagte Christian Böttcher, Pressesprecher des
BVLH, der taz. Schweinemäster würden ihre Tiere ebenfalls nicht
beispielsweise an Aldi, sondern an Fleischkonzerne wie Tönnies, Vion oder
Westfleisch liefern.
## Handel dämpft Erwartungen
Auch die angedachte Herkunftskennzeichnung wird wohl den Bauern keinen
großen Vorteil bieten. Es müsse bereits jetzt auf dem Etikett stehen, woher
etwa Frischfleisch komme, so der Sprecher. „Wir haben bei Milch und
Schweinefleisch Selbstversorgungsgrade, die weit jenseits der 100 Prozent
liegen. Wir produzieren viel mehr, als wir selbst bei uns verbrauchen“,
ergänzte Böttcher. Deshalb glaube er, „dass der überwiegende Großteil der
Lebensmittel in Deutschland von landwirtschaftlichen Rohstoffen stammt, die
unsere Bauern erzeugt haben.“ Zahlen dazu waren weder bei der Bundesanstalt
für Landwirtschaft und Ernährung noch beim Statistischen Bundesamt zu
bekommen.
Böttcher dämpfte auch Erwartungen, dass die Herkunftskennzeichnung bald
komme. Erst müsse man sich auch mit den Verarbeitern der Lebensmittel
einigen. „Ich habe von einigen gehört: Mal doch einfach eine
Deutschland-Fahne auf die Produkte. Nee, so einfach ist das nicht“, sagte
der Handelslobbyist.
## Bauernvertreter warnt wegen Corona vor Blockaden
LsV-Sprecher Andresen nannte die Einigung im Gespräch mit der taz denn auch
„ein Zwischenergebnis, das bei weitem nicht ausreicht.“ Aber wenn jetzt
Trecker Lebensmittellager zustellen würden, könnte das die Verbraucher
gegen die Landwirte aufbringen: „Unser Problem ist, dass wir in dieser
coronabedingten Zeit nicht Läger blockieren sollten.“
Im Hinblick auf die geplante Ombudsstelle räumte Andresen ein, dass der
Lebensmitteleinzelhandel in der Regel nicht der direkte Vertragspartner der
Landwirte sei. Einige Obst- und Gemüsebauern aber würden an
Supermarktketten liefern. Die Frage der taz, wieviel der Zutaten in
Lebensmitteln nicht aus Deutschland kämen, konnte Andresen nicht
beantworten. „Es gibt da wenig Transparenz“, sagte er.
16 Dec 2020
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[1] /Landwirtschaft/!t5007831
## AUTOREN
Jost Maurin
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