# taz.de -- Partytourismus in Mexiko trotz Corona: Trag deine verdammte Maske, … | |
> Trotz steigender Infektionszahlen sind Mexikos Grenzen offen. An den | |
> Stränden werden um die Endjahreszeit TouristInnen aus aller Welt | |
> erwartet. | |
Bild: Auch an den Stränden von Cancún werden viele Menschen zu Weihnachten ih… | |
It’s party time: Ob in Cancún, Puerto Escondido oder Huatulco, pünktlich zu | |
Weihnachten werden Touristinnen und Touristen aus aller Welt die Strände | |
Mexikos bevölkern. Die Voraussetzungen, um auch in Coronazeiten zu feiern, | |
seien geschaffen, beschwören Hoteliers und Behörden. | |
Diese Behauptung dürfte eher wirtschaftlichen Notwendigkeiten als der | |
realen Lage geschuldet sein: Knapp 114.000 Menschen sind hier an Covid-19 | |
gestorben (Stand: 13. Dezember), die Krankenhäuser sind hoffnungslos | |
überlastet. Die Museen in Mexiko-Stadt wurden geschlossen, kulturelle | |
Veranstaltungen und die jährliche Pilgerfahrt von Millionen von Katholiken | |
zur heiligen Jungfrau von Guadalupe abgesagt. | |
Scheiß drauf. Let’s have a Party. Zum Beispiel in Tulum, einem karibischem | |
Urlaubsort auf der Halbinsel Yucatán, unweit von Cancún. Dort fand im | |
November das „Art with me“-Festival statt. | |
Unterhalb des Maya-Tempels, der das Dorf zur Attraktion macht, trafen sich | |
mehrere hundert Menschen, um „interaktive Erfahrungen, inspirierende | |
Konferenzen, kulinarische Pop-ups, innigliche Livekonzerte, Workshops fürs | |
eigene Wohlergehen und die Gesundheit“ zu erleben. Auch für die Kinder | |
werde einiges geboten, hieß es in der Werbung. Eintritt: ca. 350 US-Dollar. | |
Nicht wenige waren aus den USA angereist, um Technopartys und Meditationen | |
in der mystischen Atmosphäre zu genießen, die Tulum aufgrund seiner | |
indigenen Vorgeschichte ausstrahlen soll. „Am Strand haben die | |
BesucherInnen die freie Entscheidung getroffen, keinen Mundschutz zu | |
tragen“, freute sich eine Beteiligte. | |
179 der US-Partygänger wurden nach ihrer Rückkehr auf das Coronavirus | |
getestet, rund 70 Prozent waren positiv. Nun ja, die meisten werden die | |
Sache überstehen, zumal ihnen ihre finanzielle Lage auch in den USA eine | |
bessere Behandlung ermöglichen wird. | |
Im Urlauberparadies bleiben die Nachfahren jener zurück, unter deren Tempel | |
die Partypeople und deren Kids ihre spirituellen interaktiven Erfahrungen | |
machen durften. Sie müssen für Billiglöhne in den Tourismusanlagen in der | |
Karibik arbeiten, weil es an Alternativen fehlt. | |
Ihre Dörfer selbst haben die Indigenen in vielen Regionen Mexikos | |
dichtgemacht. Wer dort hinfahren will, wird spätestens an einer selbst | |
organisierten Kontrollstelle vor der Gemeinde gestoppt. „Wir haben keine | |
Krankenversorgung, haut ab“, wurde uns bereits in den ersten Tagen der | |
Pandemie zu Recht gesagt. | |
Ja, haut ab. Dieses Gefühl überkommt einen auch, wenn man bei einem | |
Kurzbesuch in einem Dorf am Pazifik beobachtet, wie praktisch alle | |
Althippies, internationale Rucksackurlauber und junge Touristen aus der | |
Hauptstadt konsequent ohne Schutzmasken durch die Straßen flanieren, | |
während sich indigene Händler und einheimische Ladenbesitzer mit den | |
Stofffetzen schützen. | |
Die Ignoranz und Arroganz, mir der sie auftreten, erinnert an die | |
Esoteriker und Impfgegner, die in Deutschland als „Corona-Rebellen“ nerven. | |
Wie die Leute aus der Region im Fall einer Ansteckung über die Runden | |
kommen – oder auch nicht –, scheint ihnen egal zu sein. | |
Natürlich braucht es auch in [1][Coronazeiten Tourismus], nicht zuletzt, | |
weil viele von dem Gewerbe abhängig sind. Zu Recht werden nun die | |
weitläufigen archäologische Stätten der [2][Zapoteken, Mayas und anderer | |
indigener Völker] wieder geöffnet. Aber geht’s nicht ’ne Nummer kleiner? | |
Die News aus Deutschland machen jedenfalls Angst. Mexiko ist eines der | |
wenigen Länder, das seine Grenzen weiterhin offen hält, und so meldet | |
Lufthansa, die Zahl der Flugtickets nach Cancún habe sich in der | |
Weihnachts- und Silvesterzeit vervierfacht. Das wird nicht schön. Bleibt zu | |
hoffen, dass die Reisenden wenigstens eine Regel befolgen, die derzeit auf | |
Aufklebern in meinem Wohnort, der touristisch geprägten Stadt Oaxaca de | |
Juárez, eingeklagt wird: „Wear your fucking mask, gringo.“ | |
15 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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