# taz.de -- Queere Weihnachten bei Taylor Mac: Highheels und Bimbam | |
> Taylor Mac, preisgekrönte:r Theatermacher:in und Sänger:in aus New York, | |
> schmeißt eine queere Weihnachtssause. | |
Bild: Taylor Mac ist Gastgeber:in der Online-Show „Holiday Sauce… Pandemic!… | |
Apfel, Nuss und Mandelkern wären für Taylor Mac zu konventionell. | |
Stattdessen sind Taylor Mac, vor ultrafloraler Kulisse samt jüdischem | |
Chanukkaleuchter, ins Gesicht geschminkt: Apfel, Kürbis, Birne, | |
Mandarinen, Rosen und Zucchini. Dann kann’s ja losgehen mit der queeren | |
Feiertagssause: „Holiday Sauce… Pandemic!“ heißt die Onlineshow. Die | |
einstündige ingwerscharfe, honigsüße, queere englischsprachige | |
Standup-Comedy wird garniert mit einer Handvoll selbst gebackener | |
Weihnachtslieder. | |
Der Anlass ist übrigens, nebst Weihnachten freilich, ein ganz | |
staatstragender, nämlich dass Taylor Mac am Sonnabend vom norwegischen | |
Staat den Internationalen Ibsen Award 2020 erhielt – mit 2,5 Millionen | |
norwegischen Kronen (zirka 235.000 Euro) einer der höchstdotierten | |
Theaterpreise der Welt. Deshalb wird dieser, etwas großspurig, manchmal | |
auch als Theater-Nobelpreis bezeichnet. Wobei: 2014 hat Peter Handke den | |
Ibsen Award gewonnen, ist also, Handke hin oder her, schon eine Hausnummer, | |
dieser Preis. | |
Nix auf dem Smartphone könnte jetzt besser sein, verkündet Taylor Mac | |
gleich zu Beginn der Show in besagtem Outfit, das manche vielleicht over | |
the top fänden, aber bei Taylor Mac gilt: It’s never too much. Nichts | |
weniger als eine Holiday-Show auf LSD solle das jetzt werden. Dann aber | |
auch gleich die Warnung an die Eltern, die vielleicht ihre Kids | |
feiertagsbespaßen wollten: Man müsse laut Veranstalter darauf hinweisen, | |
dass die Show nur für Erwachsene geeignet sei. „Meine Zucchini-Schminke an | |
der Kieferpartie könnte die Kinder traumatisieren!“ So schaut’s nämlich | |
aus. | |
„Weihnachten und Covid haben schon Gemeinsamkeiten“, erklärt Taylor Mac, | |
„man verliert den Geschmackssinn – und findet plötzlich, Rot und Grün | |
würden wahnsinnig gut zusammenpassen.“ Indes: Wenn nur zehn Leute bei einer | |
Weihnachtsfeier zusammenkommen dürften, wäre dabei, rechnet Taylor Mac aus, | |
statistisch gesehen immer nur ein Queer. Allein. | |
## Früher war weniger Lametta! | |
Ja, es war ein hartes Jahr für alle, aber für marginalisierte Gruppen eben | |
noch mal mehr: Für viele Queers heißt die Schließung ihrer Bar oder ihres | |
Clubs vielleicht, gar keinen Ort mehr zu kennen (außerhalb der eigenen vier | |
Wände), der sich sicher anfühlt, um mit dem oder der Liebsten Händchen zu | |
halten, ohne Gewalt zu erfahren, mit Worten oder Fäusten. | |
Einen solchen sicheren, aber auch spaßigen Ort, an dem sich Queers | |
verstanden und verzaubert fühlen dürfen, den hat Taylor Mac im Berliner | |
Festspielhaus im Herbst 2019 schon einmal, nein, viermal kreiert, bei der | |
Europa-Premiere der [1][Show „A 24-Decade History of Popular Music“]: 24 | |
Stunden Showkonzert, quer, nein, queer und antirassistisch durch die | |
Popgeschichte, aufgeteilt in vier Abende à sechs Stunden. Taylor Mac war | |
dabei Showmaster*in und Leadsänger*in einem, begleitet von einer | |
24-köpfigen Big Band. Sagenhaft. Das dürfte wohl ein Grund dafür sein, | |
weshalb die Berliner Festpiele auch bei der Online-Feiertagssause von | |
Taylor Mac nun sozusagen Streamingplattform sind. | |
## Song gegen homofeindliche Familie | |
Flankiert von Klavier, Kontrabass, Trompete, Violine, Bassgitarre (keine | |
Sorge: alle tragen Masken) gibt Taylor Mac Klassiker wie „Silent Night“ und | |
„O Holy Night“ zum Besten – unterstützt von den Gastsängerinnen Steffan… | |
Christi’an und Thornetta Davis, die Taylor Mac als Queen of Detroit Blues | |
ankündigt und die sich lässig eine Rolling-Stones-Zungen-Maske überstreift. | |
Früher war weniger Lametta! | |
Zwischendurch schaltet Taylor Mac Queers aus aller Welt zu, einen lebenden | |
Weihnachtsbaum, ein Waffel-Animé, David-Bowie-Schminke, Blowjob-Choreo mit | |
Heiligenschein, man sieht Discokugeln an der Tanne und einen Gold-Dildo, | |
Baby Jesus und Sexual Consent Santa – Kunstfiguren, die gegen Hass und | |
Vorurteile appellieren. Man wirft Blumen gegen Polizisten und Trump-Fans. | |
Yes! | |
Wer bei Bandcamp Taylor Macs neues Album „Taylor Mac’s Holiday Sauce“ | |
gekauft hat, auf dem sich Coverversionen von The Velvet Underground bis | |
[2][Frank Ocean] finden, kennt auch schon Taylor Macs Eigenkomposition | |
„Christmas with Grandma“ über eine homofeindliche Familie – und wie man | |
sich von ihr lossagt zugunsten einer queerfreundlichen Wahlfamilie, die | |
einen inspirieren kann – wie zum Beispiel die Berlinerin Mahide Lein, | |
lesbische Queer-Aktivistin seit Jahrzehnten, die in Taylor Macs Show eine | |
der Geehrten ist. | |
Falls beim Weihnachtsfest jemand queerfeindlich-doof kommen sollte, hilft | |
am besten: Taylor Mac anschalten. Das wird sicher ein Spaß! | |
17 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Hochgesand | |
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