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# taz.de -- Berlin und Corona: Berlin vor dem Lockdown
> Ab Mittwoch gilt: Schulen und Kitas zu, auch Friseure müssen schließen.
> Kein Böllerverkauf und keine Versammlungen zu Silvester.
Bild: Steve Morell, Musiker, Geschäftsmann, Punker, beim Haircut in der Oranie…
Berlin taz | So schnell können sich die Zeiten ändern. Vor genau einer
Woche hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) noch gesagt, er schaue wegen
der unübersichtlichen Versammlungslage mit großer Besorgnis auf den
Jahreswechsel. Nun ist klar: Silvester und Neujahr sind in Berlin wie im
Bundesgebiet alle An- und Versammlungen untersagt, auch Feuerwerkskörper
dürfen nicht verkauft werden.
Die Maßnahmen sind Bestandteil des harten Lockdowns, auf das sich Bund und
Länder am Sonntagvormittag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel verständigt
haben. Der Senat kam am Sonntagnachmittag zusammen und bestätigte die
Maßnahmen im Anschluss bei einer Pressekonferenz. Berlin hat den
Bund-Länder-Beschluss nahezu 1:1 übernommen.
Ab Mittwoch bis zum 10. Januar soll das öffentliche Leben in der Stadt
radikal heruntergefahren werden. Der Einzelhandel wird mit Ausnahme von
Lebensmitteln und weiteren Waren des dringenden Bedarfs geschlossen. Auch
Schulen und Kitas werden dann geschlossen, es kann aber eine Notbetreuung
in Anspruch genommen werden. Mit Ausnahme der Weihnachtstage sollen die
Kontakte auf maximal fünf Menschen aus zwei Haushalten reduziert bleiben.
Heiligabend und an den Weihnachtsfeiertagen gilt die Regel 5 Personen aus 5
Haushalten.
Ab Mittwoch findet in den Schulen kein Präsenzunterricht mehr statt.
Bereits am Samstag hatten einige Eltern von ihren Schulleitungen per E-Mail
mitgeteilt bekommen, dass Grundschulen in der Woche ab dem 4. Januar ins
Homeschooling gehen sollen. Alle Schülerinnen und Schüler sollten in dieser
Woche mindestens zweimal vom pädagogischen Personal kontaktiert und im
Lernen zu Hause „individuell begleitet werden“, heißt es in der Mail. Wie
im ersten Lockdown soll es eine Notbetreuung für Eltern aus
systemrelevanten Berufen geben.
## Frisur und Psyche
Zu den Geschäften, die ab Mittwoch schließen müssen, gehören auch die rund
2.500 Friseurläden der Stadt. Im Unterschied zu den Kosmetik- und
Tattoo-Studios waren Friseure nach dem ersten Lockdown im Frühjahr die
ganze Zeit offen. Cengiz Khan Akkoç, Inhaber von zwei Frisörsalons, hält
die Schließungsentscheidung für „eine Katastrophe“. Nicht nur weil die Ta…
vor und nach Weihnachten für Frisöre die Hauptsaison seien. „Zum Friseur zu
gehen ist kein Luxus“, ist Akkoç, der nur Khan genannt wird, überzeugt.
„Das ist so notwendig wie Essen und Trinken.“
Das Aussehen habe großen Einfluss auf die Psyche: Frauen seien deprimiert,
wenn auf dem Kopf der Farbansatz zu sehen sei, unrasierte Männer wirkten
„wie tot“. Khan, seit 15 Jahren Friseurmeister, geht davon aus, dass sich
deshalb jetzt wieder viele Leute privat zu Hause die Haare schneiden und
färben ließen. Schon beim ersten Lockdown im März und April, als die
Frisöre sieben Wochen geschlossen waren, habe er im Kollegenkreis häufig
von entsprechenden Kundenanfragen gehört. Auf der Straße seien ihm viele
Menschen mit perfekten Frisuren und Rasuren begegnet. „Das können nur
Fachleute gemacht haben“, ist Khan überzeugt.
Immer montags, wenn das Geschäft geschlossen ist, veranstaltet Khan in der
Adventszeit mit befreundeten Frisören eine kostenlose Frisieraktion für
Pflegekräfte. Die Solidaritätsaktion läuft unter dem Hashtag: „Klatschen
kann jeder“. Ausgedacht habe sich das ein Kollege, der ein
Handelsunternehmen für Friseurbedarf vertrete, sagt Khan. Das Unternehmen
sponsere die Pflege- und Färbemittel. 100 Termine an Pflegekräfte habe man
vergeben. Um die Aktion zu Ende bringen zu können, hofft Khan nun für
Montag, den 22. Dezember, eine Sondergenehmigung zum Frisieren der
Pflegekräfte zu bekommen.
Der Lockdown hatte sich abgezeichnet. Bei dem Friseur Robert Schuh steht
seit Tagen das Telefon nicht mehr still. „Alle wollen sofort einen Termin,
es ist ein Albtraum“, sagt er. Schuh findet es richtig, dass nun auch die
Frisöre zumachen müssen. „Wir haben genauso engen Kundenkontakt wie die
Kosmetikstudios.“ Außerdem sei es zurzeit egal, wie man aussehe. „Man kann
eh nicht ausgehen, und Familie verträgt einen auch mit Ansatz.“
Das für Silvester und Neujahr beschlossene Versammlungsverbot hat vor allem
für Coronaleugner Folgen. Am 31. Dezember hat „Querdenken“ eine Versammlung
mit 22.500 Teilnehmern in Berlin angemeldet. Er fände es „schwierig“,
politische Versammlungen zu verbieten“, sagt Niklas Schrader,
innenpolitischer Sprecher der Linken, am Sonntag zur taz. Aber wenn sich
jemand so hartnäckig wie „Querdenken“ weigere, die
Infektionsschutzmaßnahmen einzuhalten, „sollte man das prüfen“. Auch
Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, hält ein
Versammlungsverbot „für einen kurzen Zeitraum“ für vertretbar.
Das Verkaufsverbot von Feuerwerk begrüßen Schrader und Lux. Man habe das
schon lange gefordert, sagt Lux. Dieses Jahr sei ein Verbot erst recht
angezeigt, um die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten.
Innensenator Andreas Geisel (SPD) ließ am Sonntag mitteilen, dass das
Böllerverbot am Alexanderplatz und im Steinmetzkiez in Schöneberg Nord
bestehen bleibe. Trotz des generellen Verkaufsverbots von Pyrotechnik werde
es bestimmt noch Leute geben, die versuchen würden, Feuerwerk zu zünden. Am
Silvestertag gilt ab 14 Uhr ein Alkoholverzehrverbot in der Öffentlichkeit.
13 Dec 2020
## AUTOREN
Plutonia Plarre
Susanne Memarnia
## TAGS
Böllerverbot
Schwerpunkt Coronavirus
Lockdown
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Coronaleugner
Polizei Berlin
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