# taz.de -- Coronapandemie trifft Nomaden: Auch ohne Infektion tödlich | |
> Die Coronapandemie vollendet, was der Klimawandel und politische | |
> Grenzziehungen (noch) nicht vermochten. Nomaden kämpfen ums Überleben. | |
Bild: Ein leerstehendes Nomaden-Zelt in der Sahara | |
Als sich Ahmed im März 2020 aus der marokkanischen Sahara in ein Dorf im | |
Wüstenrandgebiet begab, um auf dem Markt Ziegen gegen Waren des täglichen | |
Lebens zu tauschen, fand er eine gespenstische Szenerie vor: Wo sonst | |
buntes Leben und Handel herrschen, war nichts als Stille. Kein Mensch, kein | |
Markt – nichts. | |
Ahmed ist ein Nouaji, ein Wüstennomade. Ein Viehzüchter und | |
Karawanenhändler. Er lebt mit seiner Familie und seinen Tieren in der | |
Sahara. Noch heute werden an den Lagerfeuern die Geschichten von den | |
Karawanen erzählt, die die Sahara in Ost-West-Richtung durchquerten. Die | |
alten Nomaden trieben Handel im weiten Saharagebiet – bis politisch | |
bedingte Grenzziehungen dies erschwerten und schließlich unmöglich machten. | |
Früher kannten die Nomaden tausend Orte, an denen sie ihre Viehherden | |
weiden konnten. Man blieb an einem Platz, solange das Vieh versorgt war, | |
und zog weiter, wenn sich woanders bessere, neue Weideflächen auftaten. | |
Doch sie geraten immer stärker unter Druck. Schon seit vielen Jahren müssen | |
sie sich mit den [1][Folgen des Klimawandels] auseinandersetzen. Die | |
Wüstennomaden spürten die klimatische Veränderung schon lange. | |
Das Oasendorf M’hamid liegt am Ende einer Straße, am Anfang der Wüste. Hier | |
sterben die Dattelpalmen. Zwei Drittel der Oasen Marokkos fallen gerade dem | |
Klimawandel zum Opfer. Auch im Tal des Draa, des einst längsten Flusses | |
Marokkos, der früher das marokkanische Wüstengebiet durchquerte und in den | |
Atlantik mündete, trocknet derzeit die größte Palmenoase Marokkos aus. Sie | |
war berühmt für ihre Datteln. Nur vereinzelt gibt es noch ein paar | |
Gärtchen. | |
In den Dörfern am Rande des Draa wird noch ein wenig Landwirtschaft | |
betrieben; die abgeernteten Flächen werden an die Nomaden zum Abweiden | |
vermietet. Der Preis hierfür betrug im vergangenen Jahr rund 50 Euro pro | |
Hektar und versprach Futter für eine Woche. Nun ist der Preis auf 200 Euro | |
gestiegen. | |
## Und jetzt auch noch Corona | |
Als wären die Umstände für die Nomadenfamilien nicht schon schwierig genug, | |
kommt nun noch die Coronapandemie hinzu. Dabei hätte das Virus im | |
Wüstenklima keine großen Überlebenschancen. Die herrschende Hitze und die | |
extreme Trockenheit erschweren die Übertragung. Und auch das isolierte | |
Leben in kleinen Gruppen schützt. | |
Nun müssen die Nomaden immer häufiger an die Grenze der Sahara, um ihren | |
Tieren – und damit sich selbst – das Überleben zu sichern. Im Frühjahr | |
wollten sie zu neuen Weideflächen in Richtung Mittlerer Atlas weiterziehen. | |
Aber es kam dann wegen des [2][Coronavirus und des Lockdown] ganz anders. | |
In Marokko gibt es eine sehr streng und ohne Vorankündigung durchgesetzte | |
Form der Quarantäne. Sie führte dazu, dass sich die Nomaden für mehrere | |
Monate nicht von der Stelle rühren durften. Ein Ausweichen in die Tiefen | |
der Wüste wäre vielleicht möglich gewesen, weil ein Umherziehen dort kaum | |
kontrollierbar gewesen wäre – aber es gibt dort keine Weidegründe mehr. | |
Dadurch ist das Leben der Herden und damit die Existenz der Familien | |
gefährdet. | |
5 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Weltwasserforum-in-Brasilien/!5491750 | |
[2] /Corona-in-Marokko/!5699177 | |
## AUTOREN | |
Daniela Vogt | |
## TAGS | |
Wassermangel | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Nomaden | |
Reiseland Tunesien | |
Marokko | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Saharafestival im tunesischen Douz: Tradition reloaded | |
Das Festival am Rande der Sahara ist ein lebendiges Museum der | |
Wüstenfolklore. Langbeinige Renndromedare konkurrieren mit chinesischen | |
Mopeds. | |
Corona in Marokko: Neuer Lockdown vor dem Opferfest | |
In Marokko erreichen die Corona-Infektionen neue Rekordwerte. Die Regierung | |
riegelt ohne Vorwarnung acht große Städte ab. | |
Entwicklung des Weltklimas: Lebensfeindliche Hitze | |
Die Klimakrise führt dazu, dass viele Regionen zu heiß für Menschen werden. | |
Ein Drittel der Weltbevölkerung könnte 2070 unter großer Hitze leiden. |