| # taz.de -- Plädoyer im Halle-Prozess: Gegen die Menschenfeindlichkeit | |
| > Im Prozess zum Anschlag von Halle hielt am Mittwoch die Anklage ihr | |
| > Plädoyer. Die Forderung nach lebenslanger Haft dürfte niemanden | |
| > überraschen. | |
| Bild: Bundesanwalt Kai Lohse hält den Attentäter für vollumfänglich schuldf… | |
| Magdeburg taz | Wenn ein Täter die belastenden Beweise in großen Teilen | |
| selbst liefert, ist sein Gerichtsprozess dann ein vorwiegend bürokratischer | |
| Akt? Im Prozess gegen den [1][Attentäter von Halle] hätte es so laufen | |
| können. Und doch vergehen 20 Prozesstage, bis am Mittwoch die | |
| Beweisaufnahme geschlossen und das erste Plädoyer verlesen wird. | |
| Es ist nicht so, dass der Fall juristisch besonders komplex wäre. Nachdem | |
| die Schuldfähigkeit des Täters in den vergangenen Prozesstagen festgestellt | |
| werden konnte, dürfte die Forderung der Bundesanwaltschaft nach einer | |
| lebenslangen Haftstrafe kaum verwundern. | |
| Als „den widerwärtigsten antisemitischen Akt seit dem zweiten Weltkrieg“ | |
| bezeichnet der Bundesanwalt Kai Lohse am Mittwochmittag das Attentat vom 9. | |
| Oktober 2019, bei dem zwei Menschen ermordet und zahlreiche Menschen | |
| physisch und psychisch verletzt wurden. Deutlicher als durch diese Tat | |
| könne nicht werden, „dass sich antisemitische, rassistische und | |
| antifeministische Gewalt gegen uns alle richtet“, sagt Lohse. | |
| Menschen aus Minderheiten kennen diesen Satz. Er fällt verlässlich immer | |
| dann, [2][wenn Minderheiten in diesem Land angegriffen werden]. Er | |
| suggeriert einen Schutz und eine Einheit, die sich häufig rasch als leeres | |
| Versprechen entpuppen. | |
| ## „Jetzt erst recht“ | |
| In dem Prozess gegen den Attentäter von Halle sollte auch das anders | |
| laufen. Den Unterschied macht die vehemente Forderung der Betroffenen, die | |
| im Prozess als Nebenkläger:innen auftreten. Viele von ihnen sagten im | |
| Zeugenstand aus. Laut Lohse hätten sie dem Täter eine Botschaft des | |
| Trotzes, des Widerstands gegen die Menschenfeindlichkeit entgegengebracht: | |
| „Jetzt erst recht“. | |
| Dass diese Botschaft auch der deutschen Mehrheitsgesellschaft und dem | |
| Rechtsstaat gelten könnte, sagt Lohse nicht. Über die breite Kritik an der | |
| Arbeit der Ermittler:innen sagt er, dass sie „einer Grundlage entbehrt“. | |
| Dabei hatten die als Zeugen geladenen Ermittler:innen immer wieder gezeigt, | |
| dass sie [3][nicht die nötige Expertise besaßen, um das Onlineumfelds des | |
| Täters zu ergründen]. Es wurde klar: Datenträger des Angeklagten waren nur | |
| oberflächlich ausgewertet worden. Die Ideologie des Täters wurde nur | |
| abstrakt benannt. Ohne die Aussagen jener Expert:innen, die ergänzend von | |
| der Nebenklage vorgeschlagen wurden, hätte der Prozess wohl einen deutlich | |
| anderen Weg genommen, wäre noch viel weniger ans Licht gekommen über den | |
| Täter und seine Ideologie. | |
| Lohse sagt: In einem juristischen Sinne handle es sich beim Angeklagten um | |
| einen Einzeltäter. In einem nicht-juristischen Sinne sehe sich der | |
| Angeklagte in Verbindung mit anderen Menschen. Er stünde in einer Reihe mit | |
| den Tätern von Auschwitz und jüngeren antisemitischen Attentaten. | |
| Im juristischen Sinne lautet die geforderte Gesamtstrafe der | |
| Bundesanwaltschaft lebenslange Haft in Sicherheitsverwahrung und die | |
| Feststellung der besonderen Schwere der Schuld des Attentäters. Im | |
| Nicht-juristischen Sinne dürfte die Forderung sein, dass Deutschland sich | |
| der Aufgabe annehmen muss, solche Taten in Zukunft zu verhindern. | |
| 18 Nov 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Pia Stendera | |
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