# taz.de -- Kohle-Pläne in Indien: Protest im Ferienparadies Goa | |
> Bewohner*innen und die Tourismusbranche Goas sind in Sorge: Die Regierung | |
> plant, die Region zum Umschlagplatz für den fossilen Brennstoff | |
> auszubauen. | |
Bild: Als Partylocation bekannt, künftig soll dort mehr Kohle umgeschlagen wer… | |
MUMBAI taz | Auf den Bahngleisen im Chandor haben sich erneut | |
Demonstrant*innen versammelt. „[1][Goyant Kollso Naka]“ – „Goa ist gegen | |
Kohle“ – ist ihr Standpunkt. Sie wollen den Ausbau des kleinen | |
westindischen Bundesstaats zu einem Zentrum des Kohleumschlags verhindern | |
und blockieren Züge mit Kohletransporten. | |
Kohle spielt in Indien immer noch eine wichtige Rolle. Im Jahr 2017 | |
entfielen 11,4 Prozent des globalen Kohleverbrauchs auf Indien, nach China | |
ist das Land der zweitgrößte Kohlekonsument. Nun will Indien den Umschlag | |
von Kokskohle (aus Kanada, Südafrika und Australien) im staatlichen Hafen | |
von Goa erhöhen, um sie leichter zu Stahlunternehmen im südindischen | |
Karnataka und ins westindische Maharashtra zu transportieren. | |
Die Erweiterung der Bahngleise, um den Brennstoff von Goa durch den | |
Nationalpark in die Nachbarbundesstaaten zu schicken, ist nur ein Teil | |
eines großen Plans. „Auf der Schiene, auf Straßen und auf dem Meer werden | |
wir von Kohle umgeben sein“, warnt Jim Dias, der sich der [2][Bewegung Save | |
Mollem] angeschlossen hat. Damit sind die Protestierenden sogar | |
erfolgreich. Die Südwesteisenbahn hat den Gleisbau vorübergehend gestoppt. | |
Doch Mollem, ein 240 Quadratkilometer großer Nationalpark im Süden Goas, | |
ist weiter in Gefahr. Das Schutzgebiet gehört zum Gebirgszug Westghats. Es | |
ist der Lebensraum von Wildpflanzen, Tigern, Bachstelzen und einem uralten, | |
artenreichen Wald. Hier entspringt der Fluss Mandovi, das Rückgrat der | |
Landwirtschaft Goas und eine wichtige Trinkwasserquelle. | |
## Nationalpark ist bedroht | |
Der Abbau von Eisenerz verschmutzt bereits das Gewässer. Nun soll der | |
Nationalpark schrumpfen. AktivistInnen warnen: 70.000 Bäume und etwa 250 | |
Hektar Wald sollen gerodet werden für den Ausbau der Eisenbahn, eine | |
vierspurige Autobahn und die Verlegung einer neuen Hochspannungsleitung. | |
Das stört auch Cecilie Lee Rodrigues. Auf Instagram teilt die Tanzlehrerin | |
Bilder, wie die Bagger bereits im Schutzgebiet am Werk sind. Sie macht wie | |
viele andere mobil gegen die Zerstörung. „Viele Menschen, gerade ältere, | |
kommen trotz Corona auf die Straße. Sie wollen nicht mitansehen, wie Goa | |
kaputtgemacht wird“, sagt Rodrigues. | |
Damit legen sie sich mit einem multinationalen Riesen, dem indischen | |
Versorger Adani, an, der ebenfalls das umstrittene Steinkohlebergwerk | |
Carmichael in Australien erworben hat. Es war Anfang des Jahres in den | |
Schlagzeilen, als Aktivisten gegen Siemens protestierten, weil der deutsche | |
Konzern Signaltechnik für Carmichael liefern will. | |
In Indien engagieren sich Rodrigues und Dias in einer Kampagne, die | |
hinterfragt, warum jährlich 136 Millionen Tonnen Kohle durch Goa verschickt | |
werden müssen. Außerdem thematisieren sie die Folgen des Kohlemasterplans. | |
## Proteste durch Pandemie behindert | |
Zwar erfahren nun die Bewohner weiter im Norden Indiens durch soziale | |
Netzwerke, was sich im Süden Goas abspielt. Aber sonst können die | |
Kohlekritiker*innen wegen der coronabedingt strikten Ausgangsbeschränkungen | |
zunächst nicht viel unternehmen. Zu Beginn des Lockdowns erlebte Rodrigues, | |
wie schwierig plötzlich die Versorgung mit Obst und Gemüse in Goa war. | |
Und dennoch versuche die Lokalregierung weiter, den Aktivist*innen | |
weiszumachen, dass größere Straßen nötig seien, um Gemüse besser nach Goa | |
zu transportieren, anstatt die eigene Landwirtschaft zu fördern, sagt | |
Rodrigues. Solche Argumente können sie nicht überzeugen. | |
„Die Regierung hat die Coronasituation für ihre Zwecke ausgenutzt“, meint | |
Rodrigues. Es gebe keine Möglichkeit für einen Dialog, sagt sie. | |
Stattdessen wurden Teilnehmer der Bahngleisblockaden in Chandor angezeigt. | |
Auch die Tourismusbranche schlägt Alarm. 150 Unternehmer*innen hatten | |
bereits im Juni vergebens einen Brief mit warnenden Worten an den indischen | |
Umweltminister geschrieben. Denn nicht nur für Reisende aus der Ferne ist | |
Goa eine beliebte Urlaubsregion. | |
Der Tourismus ist eine der wenigen Einnahmequellen. Doch wer will in Goa | |
Urlaub machen, wenn der Kohlenstaub stark zunimmt, fragen sich viele. Schon | |
jetzt gebe es Menschen, die durch die derzeitige Kohlebeförderung unter | |
Atemwegsprobleme leiden, sagt der Kohlegegner Viriato Fernandes. | |
Es wird jedoch nicht leicht sein, das Projekt zu stoppen. Denn Indien hält | |
an Kohle als wichtigstem Energieträger fest und hat bereits angekündigt, | |
die Produktion bis 2024 auf eine Milliarde Tonnen auszuweiten. | |
13 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/goyantkolsonaka/ | |
[2] https://www.change.org/p/wildlife-threatened-by-sanctioning-of-developmenta… | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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