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# taz.de -- Proteste in Polen und Belarus: Die Revolution ist eine Frau
> Die Demonstrationen in Belarus und Polen unterscheiden sich in wichtigen
> Aspekten. Gemeinsam ist ihnen die Message: Leg dich nicht mit den Frauen
> an!
Bild: Weder die Frauen in Polen (Foto) noch die in Belarus wollen sich länger …
Die Revolution ist eine Frau. Das ist [1][in Belarus] nicht anders als in
Polen. In beiden Ländern demonstrieren Frauen nun schon seit Wochen und
Monaten – gegen die dreist gefälschte Präsidentenwahl in Belarus und gegen
das [2][beinahe totale Abtreibungsverbot in Polen], das die regierenden
Nationalpopulisten geradezu hinterhältig durch das Verfassungsgericht
durchsetzen wollen. Hier wie dort bricht sich die Wut Bahn, die sich über
viele Jahre aufgestaut hat.
In Belarus sind es die Bürgerrechte des Souveräns, die Präsident Alexander
Lukaschenko und seine Getreuen seit Jahrzehnten missachten. In Polen ist es
insbesondere das seit der politischen Wende 1989 mit (Männer-)Füßen
getretene Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Die Polinnen fordern auf den
Massendemonstrationen nichts geringeres als ihre Teilhabe am politischen
Leben Polens zurück.
Während die Belarussinnen sich erstmals als Souverän mit einer eigenen
Stimme definieren, fordern die Polinnen ihre Rechte zurück, die ihnen in
den letzten 30 Jahren systematisch genommen wurden. So prangern sie ganz
offen an, dass der hochgelobte “Kompromiss“ von 1993 zwischen Gegnern und
Befürwortern eines Abtreibungsrechts in Polen über die Köpfe der Frauen
hinweggeschlossen wurde – von zumeist männlichen Ministern und Abgeordneten
sowie – ebenfalls männlichen – katholischen Bischöfen.
Das schon damals überaus restriktive Gesetz sah einen
Schwangerschaftsabbruch nur in drei Fällen vor: bei einer Vergewaltigung
der Frau, bei einer Gefahr für Leib und Leben der Schwangeren und bei
„einer hohen Wahrscheinlichkeit einer schweren und irreversiblen
Fehlbildung des Fötus oder bei einer unheilbaren, lebensbedrohlichen
Krankheit“.
## Leg dich nicht mit Frauen an
Nur im letzten Fall konnte die betroffene Frau selbst entscheiden, ob sie
eine solche Schwangerschaft austragen wollte oder nicht. Im ersten Fall
entschied bislang der Staatsanwalt, im zweiten ein Ärztegremium. Das
Verfassungsgericht in Warschau entschied nun auf Antrag eines
nationalpopulistischen Abgeordneten von der regierenden Recht und
Gerechtigkeit (PiS), dass [3][diese letzte Entscheidung, die die Frau als
Schwangere noch hatte, verfassungswidrig sei].
Die PiS unterschätzte die Folgen, die die Verschärfung des
Abtreibungsrechts durch die Hintertür des Verfassungsgerichts nach sich
ziehen würde, da sie nur auf die Zahlen schaute: 1100 legale Abtreibungen
im Jahr 2019. Dass illegal viel mehr Abbrüche vorgenommen werden, geschätzt
bis zu 100.000 im Jahr, tut hier kaum etwas zu Sache. Denn es geht um etwas
ganz anderes. Um Frauen, die das selbe Entscheidungsrecht einfordern wie es
auch Männer haben.
Während sich also in Belarus die Frauen vor ihre Männer stellen, um sie vor
brutalen Schlägen durch die Polizei und vor Folter in den Gefängnissen des
Regimes zu bewahren, stellen die Polinnen die Männer vor die Frage: „Bist
Du auf meiner Seite? Dann komm mit!“ Der ganz große Verlierer wird die
katholische Kirche in Polen sein, die ihre Moral ins Strafgesetzbuch
schreiben wollte. Doch auch die PiS-Regierung gerät ins Wanken. Die
politische Lehre für autoritäre Politiker lautet: „Leg Dich nicht mit den
Frauen Deines Landes an! Es könnte Dein Ende bedeuten“.
5 Nov 2020
## LINKS
[1] /Kuenstlerin-ueber-Proteste-in-Belarus/!5715771
[2] /Konflikt-um-Abtreibungsverbot/!5724935
[3] /Urteil-zu-Abtreibungen-in-Polen/!5723190
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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Polen
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Andrzej Duda
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