# taz.de -- Bürgermeister über Hass von Rechten: „Ich nehme nichts zurück�… | |
> Der Bürgermeister von Neustadt an der Waldnaab kritisierte „Querdenker“. | |
> Seitdem wird der SPD-Politiker bedroht. Aufgeben will er nicht. | |
Bild: Findet deutliche Worte gegen Verschwörungsideolog*innen: Sebastian Dippo… | |
taz: Herr Dippold, Sie haben am Samstag [1][ein Video] veröffentlicht, in | |
dem Sie sich in sehr deutlichen, manche würden sagen, beleidigenden, Worten | |
gegen die „Querdenker“ in Weiden positionieren. Wie ist das entstanden? | |
Sebastian Dippold: Ich kam an dem Tag am Festplatz in Weiden vorbei, wo | |
später die Kundgebung stattfinden sollte. Zu dieser hatte das Who-is-who | |
der Querdenker-Szene aufgerufen. Wir, also alles was in Weiden ab der SPD | |
links ist, hatten zu Gegenkundgebungen mobilisiert, mussten die dann aber | |
wegen der dunkelroten Corona-Ampel absagen. Ein Bündnis hat dazu | |
aufgerufen, unter #wirzeigenmaske online etwas zu veröffentlichen. | |
War das Video denn gründlich überlegt oder ein spontaner Schnellschuss? | |
Nein, spontan war das nicht. Ich komme aus dem Hörfunk und der PR. Mir war | |
klar, wenn ich diese Worte so wähle, dass das Thema gepusht wird. Es war | |
volle Absicht, sehr deutliche Worte zu finden, um Reaktionen zu provozieren | |
und aufzuzeigen, was das für Leute sind. Hätte ich mich mit der üblichen | |
Polit-Wortwahl hingestellt – „ich finde das verantwortungslos“ – hätte… | |
niemanden interessiert. Ich wollte Reaktionen provozieren, um zu | |
demaskieren. | |
Dass das dann so weit geht, damit hätte ich nicht gerechnet, ist auch meine | |
erste Morddrohung. Der Bayrische Rundfunk hat das Video in einer ersten | |
Meldung „Wutpost“ genannt, das ist völliger Käse. Das war gar nichts | |
wütend. Den Wortlaut habe ich mir aber nicht zurechtgelegt, man hätte es | |
etwas feiner schleifen können. | |
Wie schnell kamen dann die entsprechenden Reaktionen bei Ihnen an? | |
In meiner Bubble kam das zuerst nur positiv an. Die ganzen [2][Rechten, | |
Neurechten, Esos und Verschwörungstheoretiker] waren da noch auf der Demo | |
gebunden. Am Abend ging es richtig los. Man muss aber auch sagen: Ich habe | |
in Neustadt im Landtagswahlkampf zwei Kundgebungen gegen die AfD | |
veranstaltet. Ich mache seit zehn Jahren Arbeit gegen Rechts. Wenn ich | |
morgen Krebs heile, hassen diese Leute mich trotzdem. | |
Was neu war, war die bundesweite Reichweite. Im Laufe des Sonntags kam die | |
Morddrohung. Ich kannte das Wort gar nicht – füsilieren – standrechtlich | |
erschießen, immerhin standrechtlich. | |
In Eslarn, nahe der tschechischen Grenze, lebt Helmut Bauer. Der ist kein | |
Nazi, aber stramm rechts. Vor Corona hat er sich eher als Klimaleugner | |
profiliert. Der war mit Versammlungsleiter in Weiden. Bauer hatte gepostet, | |
dass man ab sofort immer nach Neustadt fahren würde zum Demonstrieren, zu | |
diesem Bürgermeister. Und darunter stand in einem Kommentar diese Drohung. | |
Die Person kenne ich nicht, die stammt auch aus Rheinland-Pfalz. Ich nehme | |
so etwas aber trotzdem ernst. Deshalb die Anzeige. | |
Hat sich der Shitstorm auf Facebook-Posts beschränkt? | |
Es kamen Anrufe, E-Mails, Fax, alles. Ich muss mich bei meiner | |
Vorzimmerdame bedanken. Die ist am Telefon teilweise angeschrien worden. | |
Das tut mir im Endeffekt leid, dass es die Mannschaft im Rathaus trifft. | |
Die Leute können gerne mich bedrohen, anpöbeln, bespucken, dafür stehe ich | |
in der Öffentlichkeit. Aber die Menschen, die hier nur arbeiten, können da | |
gar nichts dazu. Daran sieht man aber auch, was für ein Klientel das | |
teilweise ist, wenn die hier vier, fünf Mal anrufen, um die Leute | |
anzuschreien. | |
Sie haben gesagt, es war Ihre erste Morddrohung. Das [3][Klima für | |
Lokalpolitiker*innen] scheint sich geändert zu haben. | |
Als ich am Montag bei der Polizei war, wurde mir sofort eine Broschüre | |
ausgehändigt: Sicherheit von Amts- und Mandatsträgern. Das spricht dafür, | |
dass der Umgang sich geändert hat. Ich sage immer wieder: Das Video war | |
auch nicht die feine Englische Art. Was aber immer überhört wird: Ich habe | |
gesagt, man muss aufpassen, mit wem man da mitläuft. Wie viele Leute sich | |
da angesprochen fühlen. Vielleicht hätte ich den Aspekt des Mitlaufens | |
deutlicher machen müssen. Es gibt auch schon mehrere Anzeigen gegen mich. | |
Ich nehme aber nichts zurück von dem, was ich da gesagt habe. | |
Mit was für Leuten hat man es in der Esoterikszene und der Weidener AfD zu | |
tun? | |
Ich habe gelernt: Die Rechten agieren außerhalb Bayerns aktiver in diesen | |
Strukturen mit als hier. Es waren Rechte vor Ort, die wurden mit Handshake | |
begrüßt. Patrick Schröder zum Beispiel, der das Modelabel Ansgar Aryan | |
führt, lange Kopf der NPD in Nordbayern, begrüßt da AfD-Leute mit | |
Handshake. Seine Jungs haben dort auch als Ordner gearbeitet, also: Nazis. | |
Die AfD-Spitze aus Weiden, Schwandorf, Amberg waren da. Es ist also | |
völliger Käse zu sagen, da waren doch gar keine Nazis. Die hatten in Weiden | |
aber nicht die Bühne, das ist der Unterschied. | |
Die Leute, die dann auch den Weg nach Neustadt vor das Rathaus gemacht | |
haben, sind die bekannt? | |
Das war der AfD-Landtagsabgeordnete Löw, ein pensionierter Bundespolizist. | |
Dann war Silvia Loew da, bekannt in der Querdenkerszene. Sonja Schumacher, | |
ehemaliges Mitglied der Grünen. Bei der hat es mit Meditieren gegen Corona | |
angefangen, später hat sie Veranstaltungen in Weiden abgehalten, bei denen | |
Journalisten bepöbelt und auch angegriffen wurden. | |
Der Staatsschutz war nach der Morddrohung bei mir und hat mir gesagt, man | |
müsse den Grad der Radikalisierung dieser Szene in Weiden durchaus ernst | |
nehmen. Ich nehme jetzt erstmal das Auto, nicht mehr das Fahrrad zur | |
Arbeit. Die Demos hier sollen jetzt übrigens jeden Montag stattfinden. | |
Gibt es Menschen, die demonstriert haben, die jetzt auch das Gespräch | |
suchen, sich erklären wollen? | |
Als Bürgermeister bin ich Träger der kommunalen Kita und der Schulen, | |
Einrichtungen, die diese Maßnahmen voll treffen. Wir haben in der Kita | |
Kleinstkinder, die nicht damit klarkommen, wenn die Maske die Mimik der | |
Erzieher verdeckt. Die schreien dann den ganzen Tag. Wir haben also den | |
Kompromiss gefunden, transparente Masken zu verwenden. Auf dieser Ebene | |
kann ich vernünftig argumentieren und ich rede mit jeder Mama, die sich um | |
das Wohl ihres Kindes sorgt. | |
Aber wenn ich mich an die Seite von Nazis stelle, ist eine rote Linie | |
überschritten und da muss ich auch nicht mehr nachdackeln und irgendwas | |
ernst nehmen. Diese Prinzipien werden nicht verhandelt. Da werden die | |
Schotten hochgefahren und es ist Konfrontation. | |
2 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/sebastian.dippold/posts/4134321496594908 | |
[2] /Radikalisierter-Corona-Protest/!5720758 | |
[3] /Kommunalpolitiker-werden-bedroht/!5655160 | |
## AUTOREN | |
Andreas Thamm | |
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