# taz.de -- Trumps Anhänger bei den US-Wahlen: Besser als nichts | |
> Noch nie seit Richard Nixon haben so viele Nichtweiße einen Republikaner | |
> gewählt. Für sie ist Trump der personifizierte amerikanische Traum. | |
Bild: Latinos und Republikaner teilen ähnliche Werte | |
Als US-Präsident Donald Trump vergangene Woche seinen letzten großen | |
Wahlkampfauftritt in Grand Rapids im Bundesstaat Michigan vor Hunderten – | |
mehrheitlich unmaskierten – Anhängern absolvierte und ebenso viele rote | |
Fähnchen wehten, war Linda Lee Tarver ganz vorne jubelnd mit dabei. Ihre | |
über schulterlangen blonden Haare trug sie onduliert, dazu ein rotes | |
Basecap mit dem Slogan „Make Amercia great again“. | |
In die Kamera des lokalen Fernsehsenders sagte die Rentnerin: „Die | |
Demokraten haben uns schwarze Wähler im Stich gelassen.“ Trump hingegen | |
habe eine bessere wirtschaftliche Situation für Menschen der schwarzen | |
Community in Amerika geschaffen. Linda Lee Tarver ist eine ehemalige | |
Staatsdienerin aus Michigan in ihren Sechzigern, Gründerin einer | |
Beratungsfirma und als typische republikanische Wählerin einer lokalen | |
Fernsehstation normalerweise keine Viertelstunde Sendezeit wert, wäre sie | |
nicht Mitglied der Black Voices for Trump und damit Teil eines aktuell | |
hochbrisanten politischen Phänomens. | |
Denn was bislang auf linke demokratische Wähler geradezu grotesk wirkte, | |
offenbart jetzt eine Studie des Edison Research Center. Der Amtsinhaber | |
Donald Trump konnte nicht nur unter schwarzen Männern und Frauen, sondern | |
auch unter Latinos und Latinas und Mitgliedern der asiatischen Community | |
gegenüber dem Jahr 2016 deutlich zulegen. 18 Prozent der schwarzen Wähler | |
gaben laut CNN dem US-Präsidenten ihre Stimme – 5 Prozentpunkte mehr als | |
noch vor vier Jahren. Bei den schwarzen Frauen konnte er seinen | |
Stimmenanteil von 4 auf 8 Prozent sogar verdoppeln. | |
Damit konnte Trump den höchsten Stimmenanteil eines republikanischen | |
Kandidaten bei Nichtweißen seit Richard Nixon im Jahr 1960 einholen. Und | |
das trotz seiner Anti-Mexiko-Rhetorik, [1][trotz der Anstiftung zum Hass | |
auf Migranten aus Südamerika] („Rapists“) und trotz seiner rassistischen | |
Beleidigung der Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris („nastier than | |
Pocahontas“). „Was ist da los bei den schwarzen Männern und Trump?“, | |
wunderte sich jüngst auch die Washington Post. | |
Tatsächlich lieferten sich der Demokrat Joe Biden und Donald Trump laut | |
New York Times in den Staaten Michigan, Pennsylvania und Wisconsin, jenen | |
Staaten, in denen es bereits 2016 zum Showdown um die Entscheidung gekommen | |
war, während des Wahlkampfs einen gnadenlosen trash talk um die Stimmen der | |
schwarzen Wähler. | |
So trat Biden in Michigan mit dem früheren US-Präsidenten Barack Obama auf, | |
Trump absolvierte nicht nur den Abschluss seiner Wahlkampftour in Michigan, | |
sondern wies in einem Fernsehwerbespot der Partei und in 40 (!) | |
Motivplakaten darauf hin, dass Joe Biden Millionen Schwarze beleidigt habe. | |
Der Kandidat der Demokraten hatte in einem Interview gesagt, dass Schwarze, | |
die für Trump stimmten, nicht schwarz („ain’t black“) sein könnten. | |
Viele junge Afroamerikaner wie der 23-jährige Hakim Rahman aus Philadelphia | |
entschieden daher, für Trump zu stimmen. „Joe Biden denkt, er hätte ein | |
Recht auf unsere Stimmen“, zitiert ihn die New York Times. Auch Musa | |
Al-Gharbi, Soziologe an der Columbia Universität, schiebt die Schuld an | |
Trumps wachsende Beliebtheit auf die Herzschwäche der Demokraten. „Viele | |
Wähler mit Migrationshintergrund glauben einfach nicht daran, dass ihr | |
Leben besser wäre, wenn Biden an der Macht wäre.“ | |
Dass der US-Präsident in seinem Wahlkampf aggressiv um die Stimmen der | |
hispano- und afroamerikanischen Stimmen warb, lässt sich auch am Beispiel | |
Linda Lee Tarvers aus Michigan zeigen. Sie arbeitet seit diesem Jahr | |
unermüdlich für die Republikaner als Wahlkampfhelferin, lässt sich bei | |
jeder Gelegenheit mit Trump fotografieren. Und auch bei den Hispanics | |
konnte der Präsident durch die Unterstützung der Latinx-Anhänger | |
ausgerechnet in den Schlüsselstaaten Florida und Georgia – den | |
Ankündigungen eines Mauerbaus an der Grenze zu Mexiko zum Trotz – seinen | |
Vorsprung noch ausbauen. | |
## Trumps Rassismus spielt keine Rolle | |
Für Tarver hat diese Entwicklung plausible Gründe. „Dank Trump sind wir | |
politisch selbstbewusster geworden. Er hat unsere Gemeinschaft in ihrem | |
Zusammenhalt wiederbelebt. Bei ihm weiß ich, dass meine Stimme gehört | |
wird“, sagte sie im Lokalfernsehen. Wenn Tarver über Trump erzählt, erwähnt | |
sie die Strafrechtsreform von 2018, von der Tausende – meist schwarze – | |
Häftlinge, die wegen Kokain- und Crackdelikten verurteilt worden waren, | |
profitierten, weil sie vorzeitig freikamen. „Wenn meine Kinder heute | |
studieren, ist das wegen des Trump-Programms ‚School Choice‘ “, sagt sie | |
und bezieht sich damit auf eine staatliche Initiative, die Kindern während | |
der Pandemie, den Zugang zu Privatschulen erleichtern soll. | |
[2][Dass sich Trump offen rassistisch und sexistisch äußert], lässt Tarver | |
außer Acht. Auch ihre Mitstreiterin Robin Barnes findet, dass Privates, | |
ganz nach republikanischen Standards, Privatsache ist. „Ich würde die | |
meisten Menschen in ihren Witzen und Ansichten nicht mögen. Was für mich | |
zählt: Hältst du deine Versprechen?“ Barnes Aussage stützt die These des | |
Wissenschaftlers Tom Buchanan von der Universität Adelaide in Australien. | |
„Herkunftsfragen sind meistens nicht die Entscheidungsgrundlage für eine | |
nichtweiße Wählerschaft.“ Vielmehr würden die Themen Wirtschaft und | |
Arbeitslosigkeit bei dieser Gruppe eine große Rolle spielen. | |
[3][Maria Elvira Salazar], 59, neu gewählte Kongressabgeordnete aus | |
Florida, argumentiert dagegen mit der gleichen Gesinnung der Republikaner | |
und der Latinagemeinde. „Wir stehen für dieselben Werte wie traditionelle | |
Familienmodelle, das Verbot von Abtreibung, den konservativen | |
Katholizismus“, sagt sie dem Sender Fox News. Salazar kam als kleines | |
Mädchen mit ihren Eltern aus Kuba in die USA, lebte in Miami und Puerto | |
Rico und sieht sich heute als Repräsentantin der größten Minderheit im | |
Land, die mit rund 60 Millionen Menschen 20 Prozent der Bevölkerung | |
ausmacht. „Wir wollen Teil der Republikaner sein und warten auf unsere | |
Einladung.“ | |
Laut Auswertungen wählt immerhin jeder dritte Latinx bei den US-Wahlen | |
gelegentlich für die Republikaner, auch weil Trumps Wahlkampf laut einer | |
Analyse der Zeitschrift The Atlantic den sozialen Wertekompass der | |
Hispanics aus Individualismus, Klassenmobilität und Tradition | |
widerspiegelt. Latinx-Wähler, die Trump unterstützen, hätten demnach | |
unabhängig von Alter, Status und Migrationserfahrung eine andere Vision von | |
dem, was es heißt, Amerikaner zu sein. Konservative Role Models wie das der | |
jüngst ernannten Supreme-Court-Richterin Amy Coney Barrett, die mit ihren | |
neun Kindern (zwei adoptierten sie und ihr Mann aus Haiti) laut US-Medien | |
als die „Walmart-Soccer-Mom“ der Nation gilt, halten hierfür her. | |
Der Atlantic-Kolumnist Christian Paz sprach mit jungen Pro-Trump-Latinos | |
und kommt zu diesem Schluss: „Es interessiert sie nicht, wenn der Präsident | |
harsch über Migranten spricht, solange er die Grenzen sichert. Sie | |
interessieren sich auch nicht für seine persönlichen Aussagen, solange er | |
konservative Richter benennt und Abtreibung verurteilt. Und sie kümmern | |
sich nicht so viel um systematischen Rassismus, weil sie glauben, dass | |
jeder die Verantwortung für sich selbst übernehmen sollte.“ | |
Den Eindruck belegt auch eine Untersuchung des US-Verbandes der | |
Politikwissenschaftler. So haben Trumps Beschimpfungen der mexikanischen | |
Einwanderer einen umgekehrten Effekt auf US-Bürger mit hispanischem | |
Wurzeln. Sie fühlen sich nicht rassistisch beleidigt, weil sie davon | |
ausgehen, dass der Angriff Trumps auf neu ankommende Migranten abzielt und | |
nicht auf sie, heißt es in die Studie. | |
## Trump, der Erfolgsmensch | |
Republikanerinnen mit hispanischem Hintergrund wie Maria Salazar bemühen | |
bei ihren Erklärungen zudem immer wieder den „Sozialismus“ der Demokraten, | |
die linke, vermeintlich antiautoritäre Politik Bernie Sanders, die im | |
Widerspruch zu Kirche, Law and Order und dem einen starken Mann steht, der | |
sein Glück durch sein eigenes Geschick selbst in die Hand nimmt. Für sie | |
ist Trump ein millionenschwerer Unternehmer, der seinen Weg zum Erfolg | |
gegangen ist. So bleibt er für viele Anhänger der personifizierte | |
amerikanische Traum, und dieser ist für jeden, der es sich leisten kann, | |
auch sichtbar. Im Trump-Hotel in Las Vegas, wo der US-Präsident vor Kurzem | |
auftrat, wird das Licht des 64-stöckigen Gebäudes durch spezielles | |
Fensterglas zu jeder Tageszeit golden auf die Marmorterrasse und das | |
Poolwasser reflektiert. | |
Golden scheint in Kalifornien normalerweise auch die Sonne auf die | |
kilometerlangen Traubenplantagen der Farmen in Delano, einer Stadt mit | |
53.000 Einwohnern, eine Autobahnstunde von Los Angeles entfernt. María del | |
Refugio Gómez Alfaro, 67, ist eine von Zehntausenden Arbeiter:innen, die | |
tagsüber für derzeit 8 US-Dollar Stundenlohn auf den Feldern Rebe für Rebe | |
ernten. Vielleicht sind es bald 10 Dollar, habe das Unternehmen seinen | |
Mitarbeiter:innen kurz vor der Präsidentschaftswahl verkündet, denn | |
Amtsinhaber Donald Trump persönlich würde sich hier für bessere Bezahlung | |
einsetzen. So erzählt sie es auf Skype, ihre Enkelin Nayeli Arevalo Barrera | |
übersetzt. | |
„Aber meine Großmutter kümmert sich nicht um Politik. Obwohl sie einen | |
amerikanischen Pass besitzt, hat sie nicht gewählt. Sie würde sich nie | |
instrumentalisieren lassen“, sagt die Enkelin. Ihr halbes Leben pendle ihre | |
Großmutter nun schon zwischen Mexiko und Kalifornien, um ihrer Familie ein | |
gutes Leben bieten zu können. Dass sie heute in Deutschland | |
Neuropsychologie in der Universität Kaiserslautern studieren könne, | |
verdanke sie der Erntearbeit ihrer Großmutter. | |
„Sonst wäre meine Mutter als junge Frau nicht Ärztin in Mexiko geworden, | |
und ich würde hier und heute nicht im Seminar sitzen.“ Dass Menschen der | |
hispanischen Community Trump und die Republikaner für ihre konservativen | |
Werte wählen würden, hält sie wiederum für Blödsinn. Sicher seien viele | |
Lateinamerikaner traditionsbewusst, aber vor allem komme es der Mehrheit | |
auf die Sicherheit ihres Jobs und ihre wirtschaftliche Situation an. | |
„Menschen wählen den, der für sie am mächtigsten ist und am meisten | |
bewirken kann.“ | |
Als Beispiel dafür nennt sie die Region um Delano, die als ökonomische | |
Supermacht mehr als die Hälfte aller Früchte und Nüsse in den Vereinigten | |
Staaten produziere. Seit Jahrzehnten versuchten Lobbyist:innen der | |
kalifornischen Landwirtschaft, den Status illegal eingereister | |
Südamerikaner so zu legalisieren, dass es für die Agrarindustrie leichter | |
würde, sie ins Land zu bringen. „Alle Kolleg:innen meiner Großmutter haben | |
hier für Trump gestimmt, wenn sie gewählt haben“, ist sie sich sicher. Auch | |
habe die Republikanische Partei der venezolanischen Community Stabilität | |
in ihrem Heimatland versprochen. „Die Demokraten bieten dieser Gruppe | |
nichts an, die Republikaner schon“, ist Arevalo Barrera überzeugt. So | |
würden viele Einwanderer zu ihrem üblichen Schluss kommen: „Besser als | |
nichts.“ | |
7 Nov 2020 | |
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[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Maria_Elvira_Salazar | |
## AUTOREN | |
Caroline Rosales | |
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