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# taz.de -- Neue Coronavirus-Entwicklungen: Gesundheitsämter überlastet
> Wieder gibt es in Deutschland über 11.000 Neuinfektionen an einem Tag.
> Die USA lassen Remdesivir zu. Spanien rechnet mit drei Millionen
> Infizierten.
Bild: Coronatests von Fußballfans vor einem Spiel des FC Bayern München Ende …
Berlin/Madrid/Washington dpa/reuters/afp | In mehreren deutschen Städten
sind die Gesundheitsämter wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen
überlastet. Sie könnten in einer ganzen Reihe von Städten nicht leisten,
was anzustreben sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in
Berlin. Sie könnten daher nicht in jedem Fall die Kontakte der Betroffenen
nachvollziehen. Auch in Teilen Berlins sei das zu erleben.
Seibert mahnte die Bevölkerung zu strenger Einhaltung des
Infektionsschutzes: „Wir sind nicht machtlos, wir haben es in der Hand,
diesen Trend zunächst einmal zu stoppen und umzukehren.“
Warnungen vor 20.000 Neuinfektionen pro Tag und einer außer Kontrolle
geratenden Lage wollte sich die Bundesregierung nicht anschließen. Seibert
wies darauf hin, „dass man die Sache sicher auch regional und lokal
betrachten muss“.
## Quarantäne in Berlin auch ohne ärztliche Anordnung Pflicht
Weil die Gesundheitsämter zunehmend überlastet sind, gilt für Infizierte
und Kontaktpersonen in Berlin künftig bereits ohne individuelle
amtsärztliche Anordnung eine Pflicht zur Selbstisolation und
Selbstquarantäne. Das gab Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am
Freitag nach Beratungen mit allen Bezirken über ein einheitliches Vorgehen
bekannt. Alle Bezirke haben demnach eine entsprechende Allgemeinverfügung
erlassen oder tun dies umgehend.
Demnach sind Betroffene bereits ab Kenntnis einer Infektion oder eines
möglichen Kontakts mit einem Infizierten rechtlich dazu verpflichtet, sich
selbst in Quarantäne zu begeben. Damit soll sichergestellt werden, dass
trotz zeitlicher Verzögerungen bei der Information und
Kontaktnachverfolgung durch die Ämter die nötigen Eindämmungsmaßnahmen
erfolgen.
Bei der Kontaktnachverfolgung würden sich die Gesundheitsämter ab sofort
schwerpunktmäßig um Ausbrüche im Umfeld von besonders gefährdeten
Risikogruppen etwa in Altenheimen und Krankenhäusern konzentrierten,
kündigte Kalayci an. Alle anderen Bürger müssten nun mehr
Eigenverantwortung zeigen.
## Labore und Corona-Warn-App
Noch immer sind nicht alle Labore, die Coronatests auswerten, an die
Warn-App angeschlossen. Mittlerweile sind nach Angaben von
Regierungssprecher Steffen Seibert 148 von bundesweit 165 Test-Laboren an
die Corona-Warn-App angeschlossen. Rund 90 Prozent der Labore könnten damit
App-Nutzern das Testergebnis digital übermitteln. Die App sei inzwischen
20,4 Millionen Mal von möglichen Nutzern heruntergeladen worden.
EU-Minister wollen Grenzen offen halten
Trotz der steigenden Zahl von Corona-Infektionen wollen die für
Wettbewerbsfähigkeit zuständigen EU-Minister*innen die Grenzen offen
halten. „Unter keinen Umständen werden wir die Grenzen wieder schließen“,
sagte der für Binnenmarktfragen zuständige EU-Kommissar Thierry Breton am
Freitag nach einer informellen Videokonferenz. „Da waren wir uns alle
einig.“ Der gemeinsame europäische Binnenmarkt sei „eine Säule der
Widerstandsfähigkeit Europas“.
Ähnlich äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. „Wir sind
alle sehr besorgt aufgrund der hohen Ausbreitungsgeschwindigkeit der
Coronapandemie“, sagte der CDU-Politiker. Man wolle Grenzschließungen
vermeiden. Ähnlich hatte sich zuvor das Auswärtige Amt geäßert. Das
Frühjahr habe gezeigt, dass Grenzschließungen „nicht in unser aller Sinn“
seien, sagt eine Sprecherin. Sie verwies auf Störungen beim Warenverkehr
und des Verkehrsflusses.
## Drei Millionen – hohe Dunkelziffer in Spanien
In Spanien gibt es nach Angaben von Ministerpräsident Pedro Sanchez
voraussichtlich dreimal so viele Corona-Infektionen wie offiziell gemeldet.
Aus einer Hochrechnung einer landesweiten Antikörper-Studie gehe hervor,
dass die eigentliche Gesamtzahl bei drei Millionen liege, sagte Sanchez bei
einer Pressekonferenz am Freitag. Am Mittwoch hatte Spanien als erstes
europäisches Land auf Basis offizieller Daten des Gesundheitsministeriums
die Schwelle von einer Million Infektionen überschritten. Am Donnerstag
wurden 20.986 neue Fälle gemeldet, die Gesamtzahl lag bei 1.026.281.
## USA lassen Remdesivir zu
Die US-Arzneimittelbehörde hat das Medikament Remdesivir zur Behandlung von
Covid-19-Erkankungen zugelassen. Das geht aus einer am Donnerstag
(Ortszeit) veröffentlichten Mitteilung hervor. Seit Mai hatte das Mittel
des US-Herstellers Gilead Sciences in den USA bereits eine
Notfallzulassung, nun ist es dort das erste offiziell zur Behandlung von
Covid-19-Patienten zugelassene Medikament. Die FDA sprach von einem
„Meilenstein in der Pandemie“.
Das Mittel sei geeignet für Menschen, die mindestens 12 Jahre alt und
mindestens 40 Kilogramm schwer seien, und solle nur bei schwereren
Verläufen und von medizinischen Experten verabreicht werden, teilte der
Hersteller mit.
In Europa hatte das Mittel im Juli als erstes Medikament eine Zulassung
unter Auflagen zur spezifischen Behandlung von bestimmten
Covid-19-Patienten erhalten.
## 11.242 Corona-Infektionen
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben nach Angaben des
Robert-Koch-Instituts vom frühen Freitagmorgen 11.242 Coronaneuinfektionen
binnen eines Tages gemeldet. Die Zahl ist vergleichbar mit dem
[1][Höchstwert von 11.287 Fällen vom Vortag] und liegt deutlich über den
7.334 gemeldeten Neuinfektionen vom Freitag Mitte Oktober.
Die jetzigen Werte liegen damit über denen vom Frühjahr, sind aber nur
bedingt vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet wird – und
damit auch mehr Infektionen entdeckt werden. Expert*innen zufolge sind die
neu gemeldeten Infektionen wegen der Zeit zwischen Ansteckung, Test,
Ergebnis und Meldung ein Hinweis darauf, wie stark das Virus vor etwa einer
Woche in der Gesellschaft unterwegs war. Deshalb dauere es auch, bis sich
politische Maßnahmen in den Meldezahlen niederschlagen könnten.
Seit Beginn der [2][Coronakrise] haben sich nach RKI-Angaben mindestens
403.291 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2
infiziert (Stand: 23.10., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im
Zusammenhang mit einer Corona-Infektion lag demnach bei 9.954. Das waren 49
mehr als am Vortag. Nach Schätzungen des RKI gibt es inzwischen etwa
310.200 Genesene.
Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen in einer Woche lag
nach RKI-Angaben vom Freitag im bundesweiten Durchschnitt bei 60,3. Zwei
Tage zuvor betrug diese Inzidenz noch 51,3.
## Infektionszahlen weiterhin sehr hoch
Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag in Deutschland laut RKI-Lagebericht
vom Donnerstag bei 1,11 (Vortag: 1,09). Das bedeutet, dass zehn Infizierte
etwa elf weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das
Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.
Zudem gibt das RKI in seinem Lagebericht ein sogenanntes Sieben-Tage-R an.
Der Wert bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher
weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen liegt dieser Wert
nun bei 1,23 (Vortag: 1,17). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis
16 Tagen.
Die Stadt Hamburg gilt ab sofort offiziell als Coronarisikogebiet. Nach
Angaben des Robert-Koch-Instituts lag der Sieben-Tage-Wert am Freitag bei
52,8 und kletterte damit über den kritischen Wert von 50. Die Hamburger
Gesundheitsbehörde hatte am Donnerstag 276 neue Fälle gemeldet – so viele
Coronaneuinfektionen wie noch nie seit Ausbruch der Pandemie. Der von der
Stadt berechnete Sieben-Tage-Wert kletterte auf 64,6 Infektionen je 100.000
Einwohner*innen.
Das RKI hatte diesen in rechtlicher Hinsicht maßgeblichen Wert am
Donnerstag für Hamburg mit 46,5 angegeben. Laut Gesundheitsbehörde liegt
die Abweichung vor allem in einer verzögerten Erfassung der Daten
begründet.
## Hamburg berät über neue Maßnahmen
Hamburgs rot-grüner Senat kommt an diesem Freitag zu einer Sondersitzung
zusammen, um über weitere Maßnahmen im Kampf gegen die Coronapandemie zu
beraten. Es dürfte dabei unter anderem um eine Beschränkung der Zahl von
Personen gehen, die bei privaten Feiern im eigenen Wohnraum zusammenkommen
dürfen.
Währenddessen steigt die Zahl der Coronapatienten in den Krankenhäusern im
bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen stark an. Nach Zahlen
der Landesregierung vom Freitag werden aktuell rund 1.420 Patienten mit
Covid-19 stationär behandelt – vor einer Woche waren es noch 950, vor einem
Monat rund 320. 275 Patient*innen lägen aktuell auf der Intensivstation,
148 von ihnen müssten beatmet werden.
Die Kliniken sind den Angaben zufolge allerdings noch weit entfernt von
ihrer Kapazitätsgrenze. Aktuell gebe es rund 5.640 Intensivbetten, in denen
die Patienten auch beatmet werden könnten, 1.320 davon seien im Moment
nicht belegt. Beim bisherigen Höhepunkt der Pandemie Mitte April waren in
den NRW-Krankenhäusern mehr als 2.100 Patient*innen gleichzeitig behandelt
worden, knapp 600 mussten in der Spitze beatmet werden.
Die Coronavirus-Infektionen in Europa haben sich einer Reuters-Zählung
zufolge in den vergangenen zehn Tagen mehr als verdoppelt. Am Donnerstag
stieg die Zahl der neuen Fälle in Europa erstmals über die Marke von
200.000. Am 12. Oktober war erstmals die Marke von 100.000 Fällen
überschritten worden. Laut der Zählung beläuft sich die Zahl der
Infektionen in Europa insgesamt auf 7,8 Millionen und 247.000 Tote.
## Infektionen in Europa verdoppelt
In Polen stehen zudem offenbar neue Einschränkungen zur Eindämmung des
Coronavirus bevor. Restaurants sollten etwa Speisen nur noch außer Haus
anbieten, sagte ein Regierungssprecher. Die Regierung könne zudem
empfehlen, dass ältere Menschen ab 70 Jahre zu Hause bleiben sollten.
Nach einem Monat des zweiten Lockdowns sinken die Neuinfektionen in Israel
auf 895 am Donnerstag, wie das Gesundheitsministerium am Freitag mitteilte.
Am Sonntag waren erste Lockerungen in Kraft getreten. Kindergärten und
Vorschulen öffneten für Hunderttausende Kinder im Alter bis zu sechs
Jahren. Auch Einrichtungen ohne Publikumsverkehr durften ihre Arbeit wieder
aufnehmen. Die Auflage, dass Bürger*innen sich nicht weiter als einen
Kilometer von ihrem Zuhause entfernen dürfen, wurde aufgehoben, auch der
Besuch des Strands ist wieder erlaubt.
Indien verzeichnet 54.366 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Damit haben
sich insgesamt knapp 7,8 Millionen Menschen in dem
zweitbevölkerungsreichsten Land der Erde nachweislich mit dem neuartigen
Coronavirus angesteckt, wie das Gesundheitsministerium mitteilt. Das ist
weltweit nach den USA, die rund 8,3 Millionen Fälle zählen, der höchste
Wert. Die Zahl der registrierten täglichen Neuinfektionen in Indien bleibt
damit seit dem Höhepunkt im September rückläufig. Die Zahl der Menschen,
die mit oder an dem Virus starben, erhöhte sich um 690 auf 117.306.
23 Oct 2020
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