# taz.de -- Neues Album von Future Islands: Flennen mit den Profis | |
> Große Gefühle sind bierzeltkompatibel: Die US-Band Future Islands lässt | |
> es auf ihrem neuen Album „As Long As You Are“ wieder menscheln. | |
Bild: Future Islands, rechtsaußen Heulboje Samuel T. Herring | |
„Who am I?“, „Is it too much to carry?“, „What’s my purpose?“, �… | |
fool learn love?“, „Am I the one I forgot to love?“ et cetera, et cetera: | |
Auch „As Long As You Are“, das neue Album der US-Band Future Islands, zeigt | |
Sänger Samuel T. Herring wieder als eifrigen und tiefgründigen | |
Fragensteller – an das Leben und an sich selbst. | |
Wenn Herring auf der Bühne steht, haut er sich zur Versinnbildlichung | |
seiner Songtexte gerne auf den Brustkorb, dass es hörbar kracht. Dass er | |
beim Singen in Tränen ausbricht, ist keine Seltenheit. Zwischen den | |
Strophen schaut er mit großen, grün-grauen Augen erwartungsvoll ins | |
Publikum, als wolle er sagen: Euch geht es doch genauso wie mir! Auch ihr | |
seid auf der Suche nach dem Glück, und bekommt es nicht hin! Auch ihr steht | |
euch selbst im Weg, und hasst euch am Ende dafür! | |
Und so haben Future-Islands-Konzerte immer auch etwas von kollektiven | |
Therapiestunden: Band und Fans verwandeln das Abarbeiten am alltäglichen | |
Abgrund gemeinsam in ein kathartisches Konzerterlebnis. | |
Natürlich polarisiert diese Band, verlogenes Authentizitätsgehabe sagen | |
manche. Die Haarschnitte wie von Mutti, Sänger Herring mit beginnender | |
Glatze mehr Gröne- als Diestelmeyer. Doch wer sich ihren Auftritt von 2014 | |
in der TV-Show von David Letterman anschaut, als sie den Song „Seasons“ | |
spielten, kann kaum übersehen, [1][dass Future Islands mehr wagen als | |
andere]. Das Video wurde über drei Millionen Mal aufgerufen und bescherte | |
ihnen größeren, wenn auch immer noch bescheidenen Ruhm. | |
Da war die Band schon seit acht Jahren auf Ochsentour, nicht ohne Stolz | |
zählt sie auf ihrer Website future-islands.com bis heute jeden einzelnen | |
Liveauftritt. Auf Albumlänge funktioniert diese Band etwas anders, wobei | |
sich ja auch einiges von Herrings Leidenschaft über seinen Gesang | |
vermittelt. Wie seine Stimme im Auftaktsong „Glada“ supersonor über die | |
sanften Synthesizer-Flächen kratzt, ist fast schon obszön. | |
„Glada“ gibt den Tonfall für „As Long As You Are“ vor. Das neue Album … | |
nicht weniger leidenschaftlich als die Vorgänger, klingt insgesamt aber | |
weniger verzweifelt. Fans wissen es bereits, Herring ist seit drei Jahren | |
glücklich mit der schwedischen Schauspielerin Julia Ragnarsson liiert – | |
plötzlich erscheint der hemdsärmelige Leidensmann in unverhofftem Glamour. | |
„Meine erste ernsthafte Beziehung im Erwachsenenalter“ nennt sie der | |
36-Jährige in einem Interview. | |
## Keine neue Erkenntnis, aber die Band macht Schlager | |
Im Weiteren schrauben sich auf dem Album die Refrains in ekstatische Höhen, | |
getrieben von Gerrit Welmers’ Synthesizer und William Cashions hüpfendem | |
New-Wave-Bass. Sam Herring kämpft dieses Mal weniger mit der Welt, er | |
feiert auch sich und das Leben. | |
Es ist keine neue Erkenntnis, dass diese Band Schlager macht; auch dieses | |
Mal könnten Stücke wie „The Painter“, „Waking“ oder „Born in a War�… | |
problemlos aus der Jukebox der häkelgardinenbehangenen Eckkneipe dröhnen. | |
Mit „For Sure“, dem zweiten Stück auf dem Album, setzen Future Islands aber | |
noch mal eins obendrauf, hier gehen Helene Fischer und Indie-Disco eine | |
Kernfusion ein, man hört schon das Bierzelt mitgrölen. Das ist nicht mehr | |
schön, aber mit einem wie Samuel T. Herring am Mikrofon geht das dann | |
gerade noch irgendwie in Ordnung. | |
Eigentlich wollte der 36-Jährige nie Musik machen – erst als ihm klar | |
wurde, dass er seiner Leidenschaft für Performancekunst auch als Sänger in | |
einer Popband nachgehen kann, hat er sich umentschieden. „Who am I?“, | |
„What’s my purpose?“, „Am I the one I forgot to love?“ – vielleicht… | |
diese und ähnliche Fragen bald in Stadien und Bierzelten gestellt, „As Long | |
As You Are“ hat das Zeug dazu. | |
25 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dirk Schneider | |
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