# taz.de -- Vor Gerichtsurteil in Deutschland: Dänische Ökos für Belttunnel | |
> Deutsche Naturverbände kämpfen gegen den Tunnel zwischen Fehmarn und | |
> Lolland. Die aus dem Nachbarland sind dafür. Warum? | |
Bild: Vorbereitung der Bauarbeiten für den Fehmarnbelt in Roedbyhavn auf der d… | |
BERLIN taz | Wenn an diesem Dienstag das Bundesverwaltungsgericht in gleich | |
mehreren Verfahren zum [1][Fehmarnbelttunnel] das Urteil spricht, haben | |
Umweltschützer*innen und Fährunternehmen bereits mindestens einen | |
Achtungserfolg errungen: Ihre Bedenken gegen das derzeit größte Bauprojekt | |
in Europa wurden von Deutschlands oberstem Verwaltungsgericht ernst | |
genommen. | |
Der 18 Kilometer lange Tunnel von Puttgarden auf der Insel Fehmarn nach | |
Rødby auf der dänischen Insel Lolland soll fast 11 Milliarden Euro kosten. | |
Drei Viertel davon will Dänemark tragen, das sich eine bessere | |
Verkehrsanbindung erhofft. So soll die Fahrzeit mit dem Zug zwischen | |
Kopenhagen und Hamburg von 5 auf 3 Stunden sinken. | |
„Wir werden das Projekt wahrscheinlich nicht komplett verhindern, können | |
aber in vielen Punkten für einen besseren Umweltschutz sorgen“, sagte Malte | |
Siegert vom klagenden Naturschutzbund Nabu am letzten Verhandlungstag im | |
Oktober. Ein Bündnis mehrerer deutscher Verbände fürchtet, dass Vögel, | |
Fische und der Meeresboden vom Tunnel auf Dauer geschädigt würden. | |
Bemerkenswert: Dänische Umweltschützer*innen klagen nicht gegen den | |
Jahrhundertbau über den Belt. Die dänischen Kolleg*innen finden sogar den | |
[2][deutschen Widerstand] ökologisch problematisch. | |
„Der Tunnelbau wird die Biodiversität der Region erhöhen“ sagt Michael | |
Løvendal Kruse vom [3][Danmarks Naturfredningsforening] (DN), dem dänischen | |
Naturschutzbund. Für Kruse gründet der deutsche Widerstand gegen das | |
Tunnelprojekt auf einem altmodischen Naturverständnis, das die | |
Konservierung der Natur zu hoch bewerte. | |
## 40 neue Tümpel für gefährdete Frösche | |
Zwar bezweifelt auch der DN nicht, dass die Bauarbeiten Schäden anrichten | |
werden – aber die Kompensationsmaßnahmen für das Projekt würden der Natur | |
nützen. So ein etwa 130 Hektar großes, neues Naturgebiet und mehr als 40 | |
neue Tümpel für gefährdete Frösche. „Wir bekommen mehr und bessere Natur | |
als die, die zerstört wird“, sagt Kruse. Der DN ist die größte | |
Umweltorganisation in Dänemark – und gilt nicht als besonders folgsam: Er | |
hat große Autobahnen bekämpft und deren Umweltschäden gemindert. | |
Der bei den deutschen Klägern tonangebende Nabu hält die dänische | |
Argumentation für „komplett absurd“. So sagt es Malte Siegert, Leiter der | |
Nabu-Umweltpolitik, am Telefon. „Und ein bisschen eigenwillig.“ Die | |
Naturzerstörungen durch die Bauarbeiten zu kompensieren hält der Nabu für | |
ein minimales Pflichtprogramm. Der Bau sei aber grundsätzlich nicht zu | |
tolerieren, weil seine Umweltschäden nicht im adäquaten Verhältnis zum | |
realen Verkehrsbedarf stünden. | |
Mehre Zugvögelarten auf Fehmarn würden das Projekt nicht überleben, der Bau | |
belästige Schweinswale im Belt unzulässig mit Lärm, Brutplätze des Herings | |
würden zerstört. Höchstens 12.000 Fahrzeuge dürften laut Nabu-Schätzungen | |
den Tunnel täglich benutzen, vermutlich sogar weniger, weil die | |
deutsch-dänische Reederei Scandli nes, die heute die Wasserstrecke | |
betreibt, vorerst weiterarbeiten will. „Man sollte nur Natur anfassen, wenn | |
man einen Grund dafür hat“, sagt Siegert. | |
Der DN findet dagegen, dass die Schäden des Bauprojekts seltene Tiere oder | |
Natur nicht besonders hart treffen. Sogar dass die Kompensationsmaßnahmen | |
vielfach besser seien als der Status quo. In Mitleidenschaft gezogene Sand- | |
und Steinriffe seien einfach zu ersetzen. | |
## Das Beispiel Öresund | |
Und: Erfahrungen mit ähnlichen Megaprojekten wie die Brücken- und | |
Tunnelverbindung im Öresund zwischen Dänemark und Schweden hätten gezeigt, | |
dass die Natur nach dem Bau sogar vielfältiger werde. Auf einer Insel in | |
Öresund, die als Teil der Querung entstanden ist, gibt es heute mehr als | |
500 Insekten- und 400 Pflanzenarten. 30 Vogelgattungen vermehren sich dort, | |
viele von ihnen sind selten und geschützt. Auf der Insel leben Robben, und | |
im Wasser sind heute wieder Große Thunfische zu sehen. | |
„Diese Bau- und Naturerfahrung haben die Deutschen nicht“, sagt Kruse. Er | |
glaubt sogar, dass der deutsche Widerstand seine Ursachen in einem | |
prinzipiellen Staatsskeptizismus und einer streitlustigeren Kultur habe. | |
Dagegen arbeite der DN nah mit dem dänischen Staat zusammen und suche | |
stärker den Konsens. | |
Es gilt als wahrscheinlich, dass die Leipziger Richter das | |
Milliardenprojekt an diesem Dienstag nicht verhindern werden. Allerdings | |
wird das Urteil festlegen, ob die existierenden Umweltuntersuchungen | |
überprüft, wiederholt oder erweitert werden müssen, was die | |
Fehmarnbeltquerung weiter verzögern und verteuern könnte. | |
Nach den ursprünglichen Plänen hätte der Bau schon vor zwei Jahren fertig | |
sein sollen, aber die juristischen Verfahren behinderten das bislang. Laut | |
dem neuen Zeitplan sollen im Jahr 2029 Autos und Züge die Strecke befahren | |
können. | |
2 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Bilder-von-Riffen-im-Fehmarnbelt/!5704248 | |
[2] /Kritik-an-Protestaktion/!5609945 | |
[3] https://www.dn.dk/ | |
## AUTOREN | |
Kåre Holm Thomsen | |
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