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# taz.de -- Geplantes Gesetz in Dänemark: Gottes Wort nur noch auf dänisch
> Die Regierung in Kopenhagen will, dass Predigten in dänischer Sprache
> verpflichtend sind. Das dürfte der deutschen Minderheit Probleme bereiten
Bild: Predigt in der Frauenkirche von Kopenhagen
Berlin taz | In Dänemark sollen in Zukunft alle religiösen Predigten und
Verkündungen in dänischer Sprache stattfinden. Die [1][sozialdemokratische
Regierung] plant diesbezüglich ein neues Gesetz, um mehr Transparenz
herzustellen und sogenannte islamistische Hassprediger in dänischen
Moscheen zu verhindern, wie sie bekanntgab. Dänemarks Regierungen sind für
ihre harte Linie in der Integrationspolitik bekannt.
Das Gesetzesvorhaben schreckt auch die deutsche Minderheit in Dänemark auf.
Im dänischen Nordschleswig (Sønderjylland) leben etwa 15.000 Menschen, die
sich zu dieser Gruppe zählen. „Ich mache mir Sorgen um unsere kleine
Minderheit,“ sagt Christa Hansen, deutsche Pastorin der allgemeinen
dänischen Volkskirche in Hadersleben (Haderslev) der taz. „Warum muss man
gleich in die Kultur traditioneller und zugewanderter Minderheiten
eingreifen?“ fragt auch Cornelia Simon, Pastorin in Gravenstein (Gråsten).
Im dänischen Nordschleswig kann die deutsche Minderheit Gottesdienste auf
Deutsch in zwei Typen von Kirchengemeinden hören. In der freikirchlichen
Nordschleswigschen Kirchengemeinde, die die Minderheitsdeutschen selbst
betreiben, und wo die Gottesdienste nur auf Deutsch stattfindet, oder in
der allgemeinen dänischen Volkskirche in Hadersleben, Tondern (Tønder),
Apenrade (Åbenrå) und Sonderburg (Sønderborg). Letztere leitet der dänische
Staat, dort müssen die Gottesdienste sowohl auf Dänisch wie auf Deutsch
stattfinden.
Heutzutage dürfen in Dänemark eigentlich Predigten aller Art in jeder
gewünschten Sprache stattfinden. Dänemark hat aber ein Problem mit
einreisenden muslimischen Predigern, die sich auf Arabisch kritisch gegen
demokratische Werte äußern. Zudem wurde neulich enthüllt, wie einige
dänische Imame Frauen gezwungen haben, Ehescheidungen zu unterschreiben,
die zum Beispiel vorschreiben, dass eine Frau das Recht auf ihre eigenen
Kinder verliert, wenn sie einen neuen Mann heiraten würde. Dies wolle die
Regierung verhindern, gibt sie an. Es ist aber auch eine Taktik, die Wähler
für sich einzunehmen: In Dänemark halten viele eine harte
Integrationspolitik für richtig.
## Geht eine 100-jährige Tradition verloren?
Mit dem Vorschlag könnte die dänische Regierung aber auch riskieren, eine
100-jährige Tradition zunichte zu machen. Das Recht auf Gottes Wort in
Deutsch ist nach der Volksabstimmung 1920 über die Grenzziehung zwischen
Deutschland und Dänemark entstanden. Nach der Abstimmung wohnten plötzlich
etwa 30.000 Deutsche in Dänemark. Seitdem haben sie starke Sonderrechte,
die keine andere Minderheit im Land hat. Rechte, die 1955 mit den
Bonn-Kopenhagen-Erklärungen kodifiziert und erweitert wurden.
Die deutsche Minderheit hofft nun, dass ihr dieser Sonderstatus bei dem
neuen Gesetz helfen wird. Laut Regierung sollen die Predigten zukünftig in
dänischer Sprache „zugänglich“ sein. Was damit genau gemeint ist, wird
nicht völlig klar – „Simultanübersetzung“ oder „nachfolgende schriftl…
Übersetzung“ sind zumindest als Möglichkeiten erwähnt.
Ohne eine Ausnahmeregelung für die deutsche Minderheit könnten ihre
traditionellen Gottesdienste bald nicht mehr stattfinden, fürchtet Gerd
Lorenzen, Geschäftsführer des Kirchenbüros der Nordschleswigschen Gemeinde.
„Für viele unserer Priester ist Dänisch nicht die Muttersprache. Für sie
wäre es kaum zu bewältigen, ihre Predigten zu übersetzen. Und einfach
Übersetzer anzuheuern, könnte sich unsere kleine Gemeinde gar nicht
leisten,“ sagt er am Telefon. Sein Kollege Matthias Alpen, Pastor in
Lügumkloster (Løgumkloster), weist auf „die besonderen Verhältnisse und
Beziehungen im deutsch-dänischen Grenzgebiet“ hin.
Sonderrechte in religiösen Fragen sind eine heikle Sache. Es wäre
verfassungswidrig, eine ganze Kirchengemeinde oder nationale Minderheit von
der Regel auszunehmen, sagt Frederik Waage, dänischer Verfassungsexperte
und Professor für Rechtswissenschaft der Süddänischen Universität. Und das
gelte eben auch für alteingesessene Minderheiten wie die deutsche.
## Kirchensprecherin der Sozialdemokraten wehrt Kritik ab
Die Regierung will den konkreten Gesetzesvorschlag erst Anfang des nächsten
Jahres im Parlament einbringen, ihre Absicht hat sie aber bereits im
Programm des neuen Parlamentsjahres bekundet. Dabei wird die besondere
Situation der deutschen Minderheit mit keinem Wort erwähnt. Die
Kirchensprecherin der dänischen Sozialdemokraten, Julie Skovsby, wehrt in
einem Interview die Kritik ab. [2][„Auch alte dänische Minoritäten
verwenden Dänisch im Alltag“, sagte sie der Onlinezeitung „Altinget“].
Der politische Sprecher der Sozialdemokraten, Christian Rabjerg Madsen,
beschwichtigt am Telefon und sagt, die deutsche Minderheit brauche sich
keine Sorgen machen. Ziel des Vorschlages sei nicht, die deutsche
Minderheit zu begrenzen. Man sei sich der Problemstellung bewusst und werde
versuchen, sie im konkreten Gesetzesentwurf zu berücksichtigen und zu
lösen. Auf die Frage, ob es für eine Minderheit wohl reiche, dass sich die
Regierung des Problems bewusst ist, sagt er: „Ich kann jetzt nicht
konkreter werden.“
6 Nov 2020
## LINKS
[1] /Neue-Regierung-in-Daenemark/!5606996&s=D%C3%A4nemark+Sozialdemokraten/
[2] https://www.altinget.dk/artikel/regeringen-vil-have-praedikener-og-forkynde…
## AUTOREN
Kåre Holm Thomsen
## TAGS
Dänemark
Gottesdienst
Sozialdemokraten
Schwerpunkt Klimawandel
Charlie Hebdo
Fehmarnbelt-Querung
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