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# taz.de -- Islamistischer Terror und Politik: Anrufung der Linken
> Nach den Anschlägen in Paris und Dresden wird das Schweigen der Linken
> beklagt. Engagement aber lässt sich nicht von der Seitenlinie verordnen.
Bild: Samuel Paty wurde am 16. Oktober von einem islamistischen Attentäter erm…
Wenn ein islamistischer Terroranschlag Europa erschüttert [1][wie der Mord
an Samuel Paty bei Paris am vergangenen Freitag][2][,] dann wird die Linke
angerufen wie der Prophet. Man bescheinigt [3][ihr „zum Großteil Schweigen“
(Sascha Lobo)] beziehungsweise ermahnt sie, ihr „unangenehm auffälliges
Schweigen“ (Kevin Kühnert) nun endlich zu beenden.
Dabei stellen sich einige Fragen: Wer ist diese Linke? Und wenn das
irgendwann einmal geklärt wäre: Wie soll eigentlich ausgerechnet sie, die
schon den Kampf gegen Nazis und Klimakatastrophe, gegen Sexismus,
Rassismus, Antisemitismus und last, not least den gegen den Klassenkampf
von oben auf ihren schmalen Schultern hat, nun sich hauptamtlich auch noch
mit dem Islamfaschismus beschäftigen?
Warum fordern gerade ausgewiesene Linke wie Kühnert und Lobo die Linke
beredt auf, das Schweigen zu beenden? Ist Antifaschismus nicht, [4][mit
Margarete Stokowski gesprochen, „Handarbeit“] oder bildungsbürgerlich
gesagt: Hic Rhodus, hic salta: Hier seid ihr Mahner selbst gefragt, den
Widerstand zu organisieren und zu mobilisieren.
Wer sich für welches Thema engagiert, seine Freizeit opfert und sich eben
sogar in Lebensgefahr begibt – das kann nicht von oben oder von der
Seitenlinie verordnet werden. Oft genug müssen sich Aktivistinnen vielmehr
von einstigen Verbündeten anhören, die „Zeit der Banner“ sei vorbei: Mit
diesen Worten jedenfalls hat Tarek Al-Wazir in Hessen die urgrünen
„Danni“-Aktivist:innen „hinausgeschmissen“ (FAZ, 30. 9.).
## Lebensfremder Laizismus
Gerade bei der Thematisierung des Islamismus ist die quasi religiöse
Beschwörung der Linken [5][à la Peter Alexander] – „der Papa wird’s sch…
richten, der Papa macht’s schon gut, der Papa der macht alles, was sonst
keiner gerne tut“ – unscharf. Schauen wir allein in unsere kleine Zeitung,
die wir jetzt mal unter „links“ einordnen, so finden wir eine Vielzahl von
islamismuskritischen Stellungnahmen, von [6][Deniz Yücel] über [7][Ronya
Othmann] und Cemile Sahin bis hin zu [8][Klaus Ottomeyer] und Stephan
Grigat.
Die Frage ist also nicht, warum auf der Linken nicht über islamistischen
Terror gesprochen wird; sondern die, wer eigentlich zuhört.
Blicken wir ergänzend etwa nach Italien, so muss man feststellen, dass sich
die betont laizistische Alt-Linke dort im Wesentlichen mit sich selbst
unterhält, während einerseits, und viel berichtet, die Rechtsextremen auch
über antimuslimische Propaganda mehrheitsfähig geworden sind, wo aber
andererseits in multikulturellen Großstädten wie Mailand der
[9][lebensfremde Laizismus] von Kathedersozialist:innen [10][überhaupt
keine Rolle spielt].
Wie immer, wenn es um Einschüchterung, um Terror geht müssen wir
schließlich fragen: Hakt es wirklich beim Aufstand der Anständigen oder
nicht vielmehr beim fehlenden Anpacken der Zuständigen? „Wir hätten ihn
stoppen können, aber wir haben es nicht gemacht“, lautete das Fazit eines
früheren V-Manns der NRW-Polizei im Fall des Berliner
Weihnachtsmarktattentäters Anis Amri. „Das Bundesinnenministerium und die
Sicherheitsbehörden“, [11][bilanzierte Sabine am Orde in der taz,]
„scheinen wenig Interesse an grundsätzlicher Aufklärung zu haben.“
Ist die große Anrufung der Linken bei der Bekämpfung des Islamismus also
nur ein weiterer Fall von „Framing“, ein billiges Ablenkungsmanöver, um vom
Versagen der wirklich Mächtigen abzulenken?
Nein.
Die Realität, in der die Werte der Aufklärung und die Menschen, die mutig
für sie einstehen, attackiert werden, ist eben komplex. Anis Amris Flucht
endete in einem Vorort von Mailand. [12][Er wurde von einem rassistischen
Polizisten erschossen], der auf Instagram mit Hitlergruß posierte.
Wir werden den islamistischen Terror nur bekämpfen können, wenn wir diese
Aufgabe nicht an die üblichen Verdächtigen auslagern. [13][Und vor allem
werden wir den Kampf verlieren], wenn es nicht gelingt, die islamischen
Communities in Europa davon zu überzeugen, dass der Kampf gegen den
islamistischen Terror auch ihr Kampf ist. Mehr Analysen, warum das bisher
nur eingeschränkt gelingt, und mehr Aktionspläne, wie das gelingen soll –
das ist, was wir jetzt brauchen.
22 Oct 2020
## LINKS
[1] /Trauer-um-ermordeten-Lehrer-bei-Paris/!5720032
[2] /Messerangriff-in-Dresden/!5722909
[3] https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/islamistische-anschlaege-die-li…
[4] https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/afd-im-bundestag-antifaschismus-…
[5] https://www.youtube.com/watch?v=za5bLB4M-jA
[6] /Kommentar-Je-suis-Charlie-Hebdo/!5024440
[7] /Kritik-an-Islamismus/!5700251
[8] /Sozialpsychologe-ueber-Rechte-in-Chemnitz/!5532066
[9] /Debatte-um-Identitaeten-und-Multikulti/!5702485
[10] https://www.redattoresociale.it/article/notiziario/a_milano_un_video_pro-m…
[11] /Anschlag-auf-dem-Breitscheidplatz/!5641860
[12] https://www.badische-zeitung.de/polizisten-die-amri-erschossen-sind-faschi…
[13] https://jungle.world/artikel/2020/40/bastard-wurde-ein-ganz-alltaeglicher-…
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Islamismus
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Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Islamistischer Terror
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