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# taz.de -- Trauer um ermordeten Lehrer bei Paris: Der zurückhaltende Monsieur…
> Freunde beschreiben den von einem Islamisten Getöteten als ausgleichenden
> Charakter. Es sei nicht seine Art gewesen, Öl ins Feuer zu gießen.
Bild: Gedenken: Vor der Schule, an der Samuel Paty gearbeitet hat
Paris taz | In Conflans-Sainte-Honorine versammelten sich am Morgen
[1][nach der Ermordung eines Geschichtslehrers] der dortigen Mittelschule
rund tausend Schüler und Schülerinnen mit ihren Eltern, Kolleginnen und
Kollegen, einige BehördenvertreterInnen und andere MitbürgerInnen. Am
Tatort legten sie Blumen nieder. Manche der Jugendlichen haben angeblich
auf ihren Snapchat-Gruppen das makabre Bild gesehen, das der Attentäter vom
enthaupteten Opfer auf Twitter publiziert hatte.
Auf Schildern war zu lesen „JeSuisSamuel“. Dass so an den
Solidaritätsslogan „Je suis Charlie“ (Ich bin Charlie) nach dem
[2][Terroranschlag auf die Satirezeitung Charlie Hebdo] angeknüpft wird,
ist mehr als verständlich: Der 47-jährige Lehrer Samuel Paty ist am Freitag
das Ziel eines Terroranschlags geworden, weil er im Rahmen des Unterrichts
zwei Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte die zuvor in der Pariser
Satirezeitung erschienen waren.
Er hat dabei lediglich wie Tausende andere im französischen Schulsystem den
Lehrplan befolgt und seinen SchülerInnen erklärt, was Meinungsfreiheit in
Frankreich bedeutet – auch wenn dies die einen oder anderen stört. Dass ein
an sich völlig gewöhnlicher Mitbürger aus diesem Grund auf bestialische
Weise ermordet wurde, ist umso erschreckender.
In den Zeitungen ist seit Samstag ein schwarzweißes Foto des Opfers zu
sehen: Ein sportlicher Mann, der durch eine Sonnenbrille und mit ernster
Miene in die Ferne schaut. Ein ehemaliger Kollege von Samuel Paty, aus der
Zeit als dieser noch in Lyon lebte, hat dieses Bild auf dem Internet
publiziert. Wie andere, die ihm im Lehrberuf begegnet sind, sagt eine
frühere Kollegin, Paty habe seinen Beruf als Berufung verstanden und sei
überzeugt gewesen, dass die Erziehung und Bildung die Menschen verändern
könnten.
Das bestätigen in den Medien ehemalige Schüler. Sie nennen ihn respektvoll
„Monsieur Paty“, er sei ein eher zurückhaltender, nie provozierender Lehrer
und Mensch gewesen. „Ich kannte ihn als Klassenlehrer von den Treffen mit
den Eltern. Seine Bemerkungen waren stets ausgewogen, er sprach nie, um
nichts zu sagen. Es war nicht sein Stil, bei Meinungsverschiedenheiten Öl
ins Feuer zu gießen“, berichtet Myriam Moire, die ihm als Mitglied der
Elternvereinigung FCPE mehrfach begegnet war.
## Unterricht in einem ruhigen Vorort
Nach seinem Studium in Lyon und ersten Posten in der Pariser Region kam
Paty als Geschichts- und Geografielehrer vor fünf Jahren in die
Mittelschule Bois d'Aulne (auf Deutsch: Erlenwald) von
Conflans-Sainte-Honorine. In diesem Vorort am Zusammenfluss der Seine und
der Oise im Nordwesten von Paris lebt eine gemischte Bevölkerung in
Reihenhäusern oder Einfamilienhäuschen. Der Ort ist aber nicht mit einem
der „Banlieue-Ghettos“ mit einer fast homogen aus Immigrationsfamilien
bestehenden Einwohnerschaft zu vergleichen, wie es sie in anderen Zonen
außerhalb von Paris gibt.
Mit seiner Partnerin, von der er seit Kurzem getrennt war, bezog er eine
Wohnung im stillen Quartier Grillon von Eragny. Ihr gemeinsamer Sohn ist 5
Jahre alt. „Ich sehe ihn noch mit seinem Sohn mit den Einkäufen nach Hause
kommen. Er war ein netter und ruhiger Mensch, der allen Guten Tag sagte,
aber ein wenig schüchtern war. Er sah jünger aus“, wird von Le Parisien
eine Nachbarin zitiert. Paty spielte regelmäßig Tennis, er trainierte im
lokalen Klub dreimal in der Woche.
Dass er mit diesem Leben und seiner Art, den Beruf auszuüben, von
islamistischen Fanatikern als Feind betrachtet werden konnte, versteht
niemand von seinen privaten und beruflichen Bekannten. Die Polemik wegen
einer Unterrichtsstunde über die Meinungsfreiheit blieb auch für ihn
unbegreiflich. Eine Schülerin sagte dem Journal du Manche: „Seit einigen
Tagen senkte er den Kopf in den Korridoren. Es hieß, er sei islamophob und
rassistisch, aber ich glaube nicht, dass das wahr war.“ Das Gerücht aber
drang, im Internet gehässig angeheizt, bis nach Evreux in der Normandie, wo
ein junger Tschetschene wohnte.
18 Oct 2020
## LINKS
[1] /Mord-an-Lehrer-in-Frankreich/!5721702
[2] /Fruehere-Chefredakteurin-zu-Charlie-Hebdo/!5711111
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
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