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# taz.de -- Netflix-Film „Rebecca“: Böse Frau, gute Frau
> Nach Hitchcock hat Ben Wheatley den Roman „Rebecca“ für Netflix verfilmt
> – mit queerem Subtext und altbackenen Frauenbildern.
Bild: Als neue Mrs de Winter spielt Lily James in der „Rebecca“-Adaption vo…
Es ist Alfred Hitchcocks einziger Film, der mit einem Oscar in der
Kategorie „Bester Film“ ausgezeichnet wurde. Bereits 1940 adaptierte er
Daphne du Mauriers zwei Jahre zuvor erschienen Roman „Rebecca“. Weil er den
lesbischen Subtext ihres bekanntesten Romans aufgriff, wurde der
Schwarz-Weiß-Film Teil des queeren Kanons und ist es bis heute.
Auch außerhalb des LGBTQ-Kosmos schaffte es keine der darauffolgenden
Adaptionen, [1][aus Hitchcocks Schatten hervorzutreten]. Warum also noch
eine Verfilmung? Bereits [2][etablierter Stoff scheint aus Netflix-Sicht
ein Garant für mehr Abonnent*innen-Bindung zu sein]. Die Taktik könnte
zumindest in Großbritannien aufgehen, wo die Geschichte wesentlich
bekannter ist als hierzulande. Man muss auch keine Begeisterung für
„Rebecca“ mitbringen, um Zugang zu Regisseur Ben Wheatleys („High-Rise“)
Version zu finden. Mit dem Glamour der ersten Szenen im exklusiven Monte
Carlo, dem atemberaubenden Prunk im Anwesen Manderley, dem ach so
hinreißenden Armie Hammer und der mädchenhaften Lily James ist diese
Version darauf ausgelegt, leicht gemocht zu werden.
Vor dieser Kulisse, in einem dekadenten Grand Hotel an der Côte d’Azur,
wird der hochbegehrte, weil hochvermögende, Witwer Maxim de Winter (Armie
Hammer) auf eine namenlose junge Frau (Lily James) aufmerksam. Als
„Gesellschafterin“ angestellt von der wohlhabenden Mrs Van Hopper (Ann
Dowd) gehört sie zur Entourage an Bediensteten vor Ort und damit zum
gesichtslosen Prekariat. Das tut sie, bis sie den Antrag des Witwers und
damit seinen Namen erhält. Doch zur Mrs de Winter zu werden, erweist sich
als schwieriger als gedacht. Die Vorbesitzerin, die titelgebende Rebecca,
scheint das familieneigene Manderley an der englischen Küste trotz ihres
Ablebens vor rund einem halben Jahr immer noch zu beseelen.
Die Eleganz des Films ringt mit schwülstigen Wohlstandskitsch. Zugunsten
blendender Schönheit wurde darauf verzichtet, Raum für Schattierungen zu
lassen und damit dem einfachen Plot die notwendige Tiefe zuzugestehen.
## 80 Jahre nach Hitchcock
Am nachhaltigsten pflegt Haushälterin Mrs Danvers (Kristin Scott Thomas)
das Andenken ihrer einstigen Herrin Rebecca. Von ihrer Haltung, ihrem Stil,
ihrer Schönheit schwärmt sie. Sie achtet darauf, dass der gesamte
Westflügel des Anwesens so bleibt, wie sie ihn vor ihrem Tod zurückgelassen
hat. Es braucht nicht viel, um das als Begehren zu lesen. Dass Wheatley
den queeren Subtext noch durch einige explizite Äußerungen Mrs Danvers
unterstreicht, ist erfreulich.
80 Jahre nach Hitchcock weniger freimütig zu sein, wäre andererseits auch
eine Enttäuschung gewesen. Zumal es heute als relativ gesichert gilt, dass
Daphne du Maurier sexuelle Beziehungen zu Frauen unterhielt und der
lesbische Beiklang entsprechend ganz bewusst eingeflochten wurde.
Die Neue ohne Namen ist Mrs Danvers deshalb ein Dorn im Auge. Doch auch für
Maxim scheint seine neue Gemahlin bald ein Störfaktor zu sein. Alte
Erinnerungen plagen ihn, plötzlich zeigt er sich von seiner jähzornigen
Seite und straft sie mit Nichtbeachtung. Schlagartig ist Mrs de Winters
Situation erneut prekär – eine Scheidung angesichts des Mangels an
Alternativen undenkbar. Als sich das Geheimnis um Rebeccas Tod lüftet, ist
sie daher schnell bereit, sich auf die Seite des Ehemanns zu schlagen.
Wegen ihrer aussichtslosen Lebensumstände kämpft sie für ihren Gatten,
gleichgültig gegenüber der Vergangenheit.
Drehbuchautorin Jane Goldmans Adaption von du Mauriers Roman scheint ihr
recht zu geben. Der Film liebäugelt mit der Position, Rebecca als
Kaltherzige zu sehen, die ihr Schicksal ja doch irgendwie verdient hat; das
liebe „Weibchen“ triumphiert also über die herrische „Lebedame“. Ander…
in filmischer und literarischer Vorlage endet die Geschichte in Kairo. Eine
undurchsichtige und doch befremdliche Entscheidung vor dem Hintergrund,
dass Daphne du Maurier „Kairo“ als Codewort für ihre heterosexuelle
Beziehung zu ihrem Ehemann verwendete, „Venedig“ hingegen für ihre
lesbischen Gefühle.
Am Ende fühlt man sich nach über zwei Stunden Spielzeit zwar durchaus gut
unterhalten, fragt sich jedoch, ob ein Prequel, das Rebeccas und Mrs
Danvers Vorgeschichte beleuchtet, nicht besser in den Zeitgeist gepasst
hätte. Interessanter, als altbekannte Abhängigkeitsmuster zu romantisieren,
wäre es allemal gewesen.
20 Oct 2020
## LINKS
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[2] /Netflix-Doku-zu-Rohwedder-Attentat/!5714278/
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
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