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# taz.de -- Corona, Trump und Klimaaktivismus: Im Verordnungshagel
> Der Föderalismus macht den Durchblick schwer, Nena macht zu viel Wind und
> die Jugendwörter waren früher stärker.
Bild: Nena empfiehlt: „Ins Licht zu gehen“
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Zu viel Föderalismus.
Und was wird in dieser besser?
Rudelsingen.
Nach einer achtstündigen Beratung zu Maßnahmen in der Coronapandemie
einigten sich die Bundeskanzlerin und die 16 Länderchefs auf neue
Kontaktbeschränkungen. Die Umsetzung ist nun den einzelnen Ländern
überlassen. Ist Ihnen noch klar, was Sie nun wo tun dürfen oder nicht?
Ich weiß nicht mal, ob ich es wissen will. Da geht’s mir wie Kanzlerin
Merkel: Sie spricht von „Beschlüssen, die ich ausdrücklich sehr gut finde�…
und einen Absatz weiter von einem „Teil des Beschlusses, der mich noch
nicht ganz zufriedenstellt“. Sie merkelt behutsam an, was Söder ausspricht:
Einheitlichkeit bedeute „die vorsichtigsten Regeln für alle“. Also auch
bundesweit einheitlich maximale Einschränkung von Grundrechten. Das ist
happich, nachdem der Verordnungshagel ohne parlamentarisches Verfahren
niedergeht. Wir haben im Sommer verschlafen, aus dem Behelf der
Infektionsschutzverordnungen ein öffentliches demokratisches Verfahren zu
machen. Nun zerren Bund, Länder, Lobbys in allerhand Richtungen. „Es muss
ja auch ein Stück weit Berechenbarkeit geben“, seufzt die Kanzlerin. Merkel
haut nicht gern mit der Faust auf den Tisch; jetzt wo sie es möchte, ist
ihr Tisch schon fast alle.
Das Justizministerium unter Christine Lambrecht (SPD) hat einen
Gesetzentwurf komplett im Generischen Femininum formuliert – der Widerstand
dagegen war erwartbar groß. Wovor fürchten sich die Verteidiger:innen des
generischen Maskulinum eigentlich?
Das Gendersternchen, das Unterstrich_Innen, im Gesprochenen der manierierte
Innenhopser, nun auch noch dies – es nervt. Und das soll es auch. Die
Sprache drückt das Bewusstsein aus, und viele gut gemeinte Neuerungen
werden alltags flach gemümmelt werden wie Flusskiesel. Heute ist die
grundsätzlich weibliche Form eine Neuerung; morgen schon findet jemandIn
heraus: Die weibliche Form – als Blinddarm hinten an die männliche
angeklebt – ist ja total frauenverachtend! Wir werden mit der Sprache
unzufrieden bleiben, bis die gesellschaftlichen Umstände sich bessern;
allerdings kann die Sprache genau dazu einen kleinen Beitrag leisten. Wir
werden rumprobieren, was die Sprache genauer macht, und vom Ergebnis
überlassen, was sich gut und flüssig sprechen lässt. Dann geht so ein
[1][Gesetzestext] wie die Messin durch die Buttin.
Drei Tage lang dauerte die Anhörung von Amy Coney Barrett, die auf Wunsch
der Republikaner:innen, die frei gewordene Stelle am Supreme Court besetzen
soll. Da Frau Barrett nicht so viel preisgegeben hat, müssen nun alle
zwischen den Zeilen lesen. Was haben Sie rausgehört?
„Skandal: Kein Skandal!“ Im fortgeschrittenen Trumpistan wird
schlagzeilendick gemeldet, wenn’s ausnahmsweise [2][zu keiner
Schlammschlacht] kommt. Barrett wurde fair befragt und konnte es sich
erlauben, bei Obamacare, Abtreibung und Genderpolitik nebulös zu bleiben.
Immerhin. Wenn auch die Kernfrage nicht gestellt wurde: Aus welchem
vordemokratischen Auenland stammt eigentlich die Schnapsidee, solche
machtvollen Ämter auf Lebenszeit zu besetzen? Bei uns gäbe es darüber eine
Debatte ab Oberkante Ehrenpräsident der Taubenzüchter.
Nach einer Abseilaktion von Klimaaktivist:innen auf der A3 kam es zu einem
Stau, in dem ein schwerer Auffahrunfall passierte. Einige wollen nun die
Aktivist:innen für den Unfall verantwortlich machen. Ist das fair?
Mit Brecht: Was ist ein Unfall auf einer Autobahn gegen den Bau einer
Autobahn? Vorher kann man allerdings gern den Atem anhalten und mitfühlend
betrachten, dass ein 29-jähriger schwer verletzt wurde. Das sei weder den
Bleifüßen, der Polizei noch den Klimaaktivisten und „Wald statt Asphalt“
bestritten. Die Polizei twitterte, man bitte, „keine Spekulationen,
Anschuldigungen und Hasstiraden“ unter ihrer Meldung zu posten. Na gut.
Erst der Wendler und jetzt Nena, wieder haben wir zwei Promis an die
Verschwörungs-erzähler:innen verloren. Um wen trauern Sie mehr?
Zeit, dass die Stattfindekrankheit medizinisch anerkannt wird. Bei Nena mit
bisher sanftem Verlauf; [3][die Künstlerin empfiehlt], „ins Licht zu gehen
und für die Liebe“ zu stehen. Nach investigativer Auswertung einiger
Nanopartikel digitaler Kommunikation – Xavier Naidoo soll dazu ein Smiley
gepostet haben – ist so recht niemand für irgendwas überführt. Außer die
organisierte Öffentlichkeit, hier die Diagnose Aufregismus.
„Lost“ hat sich gegen „wyld“ und „cringe“ als Jugendwort 2020 durch…
Verstehen Sie die Jugend noch?
Groovy. (Jugendwort 1970)
Und was machen die Borussen?
Geschäftsführer Watzke kritisiert im „Sportstudio“ Kanzlerin Merkel. Sie
übe „populistisches Fußball-Bashing“. Gegenfrage: Wie sähe populistisches
Merkel-Bashing aus?
18 Oct 2020
## LINKS
[1] /Gesetzesentwurf-im-generischen-Femininum/!5717489/
[2] /Anhoerung-von-Amy-Coney-Barrett/!5721403/
[3] /Verschwoerungstheorien-von-Stars/!5717719/
## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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