# taz.de -- Gewalt gegen Geflüchtete in Suhl: Eskalation in Erstaufnahme-Heim | |
> Im thüringischen Suhl erheben Geflüchtete schwere Vorwürfe gegen | |
> Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma. Die Polizei ermittelt in beide | |
> Richtungen. | |
Bild: Was geschah in der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl? Dazu gibt es untersch… | |
TAZ Leipzig | Acht Videos und sechzehn Fotos liegen der taz vom Abend des | |
29. September aus der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete im | |
thüringischen Suhl vor. Videos, auf denen Personen aneinander zerren, viele | |
durcheinanderschreien und Kinder weinen. Fotos von Frauen, ihre Arme und | |
Beine übersät mit Hämatomen, Kratzspuren auf der Brust. Ein anderes zeigt | |
Würgemale an dem Hals eines Mannes. | |
Nachdem sich eine Bewohnerin der Gemeinschaftsunterkunft über Lärm | |
beschwert hatte, kam es am Dienstag, 29.09.2020, gegen 22.30 Uhr zu einem | |
Einsatz des Sicherheitspersonals. Weil sie den Verdacht hatten, dass eine | |
iranische Familie unerlaubt eine Kochplatte in ihrem Zimmer betreibe und | |
den Rauchmelder abgeklebt hätte, verschafften sich drei Männer des | |
Wachdienstes gegen Proteste der Familie Zutritt zu deren Zimmer. | |
An diesem Punkt beginnen die Videoaufzeichnungen, aufgenommen mit dem Handy | |
der Mutter. Die Aufnahmen zeigen Chaos, mehrere Menschen in einem kleinen | |
Raum, immer wieder hört man Geschrei. Zwei Mitarbeiter des Wachdienstes | |
drängen den Vater gegen einen Schrank, die Hände an seinem Hals, drücken | |
gegen seinen Brustkorb. Er versucht sich zu wehren. Die Kinder weinen. | |
Andere Personen versuchen einzuschreiten, ein Sicherheitsmitarbeiter | |
schlägt gegen das Handy, mit dem die Frau filmt. Dann nur noch verwackelte | |
Bilder, Schreie. | |
In einem anderen Video sieht man die Mutter selbst auf einem Treppenabsatz | |
vor dem Heim sitzen, weinend, sich den Bauch haltend. Sie ringt nach Atem, | |
ein Kind ruft “Mami“. Ein weiterer Film zeigt, wie das Wachpersonal sie am | |
Arm durch die Dunkelheit zieht, ein Mann brüllt “es reicht“, sie versucht | |
sich loszureißen. | |
## Vorwurf: An den Haaren über den Boden geschleift | |
Die Bilder aus Suhl sind verstörend. Doch es gibt unterschiedliche Aussagen | |
darüber, wer die Eskalation zu verantworten habe. Der Thüringer | |
Flüchtlingsrat sieht die [1][Schuld beim Wachpersonal]. Der Verein spricht | |
von einer “massiven Anwendung von Gewalt“ und sieht eine Verletzung des in | |
Artikel 3 des Grundgesetzes festgelegten Gleichheitssatzes. Der | |
Sicherheitsdienst hätte nicht in die [2][Wohnräume der Geflüchteten] | |
eindringen dürfen. In anderen Bundesländern gibt es hierzu bereits | |
Entscheidungen von Gerichten – in Thüringen jedoch bislang nicht. Dort gilt | |
das Hausrecht. | |
Das Sicherheitspersonal selbst stellte bei der Polizei Anzeige wegen eines | |
tätlichen Übergriffs von einem der Bewohner. Eine Polizeisprecherin sagte | |
gegenüber der taz, im Rahmen der Ermittlungen habe die Polizei eine | |
Gegenanzeige stellen müssen – gegen das Wachpersonal. Sie ermittelt nun in | |
beide Richtungen wegen Körperverletzung. | |
Die betroffenen Bewohner:innen der Erstaufnahmeeinrichtung haben sich | |
mittlerweile in einem Brief an den Flüchtlingsrat gewandt. In einer der taz | |
vorliegenden Übersetzung erklärt der Vater der Familie, wie es aus seiner | |
Sicht zu der anfänglichen Ruhestörung kam. Er sei mit seinem kleinen Sohn | |
auf die Gemeinschaftstoilette gegangen, wobei eine schwere Tür laut | |
zugeschlagen worden sei. Dies habe eine Nachbarin gestört, die sich | |
daraufhin ebenfalls lautstark beschwert und an den Sicherheitsdienst | |
gewandt habe. Daraufhin sei die Situation eskaliert. | |
In dem Brief heißt es, die Sicherheitsmänner hätten den Vater geschubst und | |
seinen Hals zugedrückt. Die Frau hätten sie an den Haaren über den Boden | |
geschleift und mit Tritten und Fäusten auf ihre Brust eingeschlagen. Auch | |
zwei Nachbar:innen, die dazwischen gehen wollte, seien bei der | |
Auseinandersetzung von den Wachmännern geschlagen worden. Die Kinder seien | |
durch den Vorfall “stark traumatisiert“. | |
## Vorwürfe auch gegen einen Arzt | |
“Wenn das wirklich so passiert ist, dann ist das auf gar keinen Fall zu | |
entschuldigen“, sagt Jeannette Roth, Leiterin des Arbeiter-Samariter-Bundes | |
(ASB), des sozialen Dienstes der Unterkunft, gegenüber der taz. Bei den | |
drei beschuldigten Wachleuten habe es bisher jedoch keinerlei Vorkommnisse | |
gegeben. Ein Sprecher der für den Sicherheitsdienst verantwortlichen | |
CitySchutz GmbH sagte, man habe den Ermittlungsbehörden die volle | |
Unterstützung bei der Aufklärung angeboten, sich sofort mit den Vorwürfen | |
beschäftigt und die drei Mitarbeiter bis auf Weiteres beurlaubt. | |
Es ist nicht das erste Mal, dass es Vorwürfe gegen Menschen gibt, die in | |
der Unterkunft in Suhl arbeiten. In der Vergangenheit hatte eine Frau | |
Anzeige gegen den Arzt des Heims erstattet. Sie warf dem Arzt vor, sie | |
nicht angemessen fachärztlich versorgt zu haben – die Frau gab an, deshalb | |
eine Fehlgeburt erlitten zu haben. Roth vom ASB dementierte damals die | |
Vorwürfe und sagte, die Frau habe alle notwendigen Untersuchungen erhalten. | |
Auch in diesem Fall ermittelt die Polizei. | |
Die Familie, die vom Sicherheitspersonal der Unterkunft angegriffen worden | |
sein soll, wurde mittlerweile in eine andere Unterkunft gebracht. In den | |
kommenden Tagen soll es weitere Gespräche zur Situation geben. | |
6 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Ulrich | |
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