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# taz.de -- Stornierungen wegen Corona: Flug abgesagt, Geld behalten
> Hunderttausende Kund*innen warten noch auf Erstattungen für Flüge, die
> wegen Corona abgesagt wurden. Die Konzerne lassen die Betroffenen
> auflaufen.
Bild: Viele Kund*innen warten noch auf Rückerstattung für Flüge, die wegen C…
Berlin taz | Es ist wie bei David gegen Goliath: Die Berlinerin Úrsula
Ávalos hatte bei Air France-KLM für den 25. März einen Flug zu ihrer
Familie in Costa Rica gebucht. Er fand nie statt – wegen der
Corona-Beschränkungen. Seit sieben Monaten weigerte sich der Konzern,
Ávalos das Geld zurückzuzahlen: insgesamt 2.200 Euro für sie und ihre
beiden Kinder. „Air France hat sich einfach taubgestellt“, sagt die
taz-Leserin.
So wie Ávalos ging es Millionen Kund:innen von Fluggesellschaften in
Deutschland. Über 135.000-mal wurde ein [1][Musterbrief, mit dem die
Kostenerstattung eingefordert werden kann, auf der Website der
Verbraucherzentrale] seit März 2020 aufgerufen. Doch die Reisenden werden
oft hingehalten. „Das Buchungsportal Opodo, bei dem ich die Tickets gekauft
habe, hat fünf Tage lang nicht auf meine Bitte um Erstattung reagiert“,
erzählt Ávalos.
Dann bat Opodo um Rückruf, „damit wir gemeinsam die beste Lösung für Sie
finden können“. Sie habe „natürlich mehrmals angerufen, aber konnte mit
niemandem sprechen“, sagt die Berlinerin.
Dann schrieb ihr das Buchungsportal, die meisten Airlines würden keine
Bargeldrückerstattungen anbieten. Per Klick in der E-Mail solle man die
Bereitschaft, einen Gutschein zu erhalten, bestätigen. Eine andere
Möglichkeit ließ die Nachricht nicht. Ein Gutschein ist für Ávalos
angesichts der anhaltenden Pandemie aber keine Option: „Ich weiß nicht,
wann ich wieder nach Costa Rica fliegen kann. Die Coronalage dort ist viel
schlimmer als in Deutschland.“
## Eigentlich hilft EU-Recht
Im Mai schaltete sie einen Anwalt ein. Auf dessen Schreiben bot Air
France-KLM einen ein Jahr gültigen Gutschein an. Außerdem solle Ávalos das
Buchungsportal kontaktieren, da „die Buchung nicht auf unserer Website
getätigt wurde“. Air France war mit acht weiteren Airlines
Gründungsgesellschafterin von Opodo, hat sich aber mittlerweile
zurückgezogen.
Eigentlich, sagt Jurist Philipp Kadelbach, der mit seinem Onlineportal
„flightright“ gegen Provision Fluggäste vertritt, hätten die Kund:innen d…
EU-Recht auf ihrer Seite: Die Fluggastrechteverordnung verpflichte die
Unternehmen, bei Ausfällen das Geld binnen sieben Tagen zurückzuzahlen. Das
sei ein „starkes Verbraucherschutzgesetz“.
Aber die Airlines würden Prozesse in die Länge ziehen, auch schon vor
Corona. Häufig würden damit „Prozesskosten erst in den nächsten
Jahresabschluss“ fallen, Kadelbach spricht von „Finanzkosmetik“.
## Verbraucherzentrale mahnt Airline ab
Nach Jahren des Wachstums sei die „Zukunft für die Airlines ungewiss“,
liquide Mittel halte man gerne „so lange wie möglich fest“. Und
wahrscheinlich setzten die Konzerne auch darauf, dass viele Kunden einfach
irgendwann aufgeben. Es scheint, so der Jurist, als ob Reisende, die direkt
bei Airlines gebucht haben, privilegiert behandelt würden.
Für das reine Angebot von Gutscheinen [2][mahnte die Verbraucherzentrale
NRW Air France-KLM bereits im Mai ab:] Dies sei „in der
Fluggastrechte-Verordnung nicht vorgesehen“. Daraufhin verpflichtete sich
der Konzern, die Praxis einzustellen.
Opodo äußerte sich auf eine Anfrage der taz nicht zu Rückerstattungen und
zum Einzelfall von Ávalos. Jurist Kadelbach empfiehlt, die Airlines direkt
zur Erstattung aufzufordern. Denn wer wie sie über ein Onlineportal gebucht
hat, werde die Provision wohl nicht zurückbekommen.
## Auch Lufthansa reagiert schleppend
Ähnlich schleppend handelt die Lufthansa: Als die deutsche Airline nicht
auf Abmahnungen reagierte, [3][reichte die Verbraucherzentrale Klage beim
Landgericht Köln ein]. Ziel: Damit soll erwirkt werden, dass die Lufthansa
anstelle von Umbuchungen oder Gutscheinen Rückerstattungen anbietet. Die
Hauptverhandlung ist für den 9. Dezember angesetzt.
Da der Bund hier eingestiegen ist, steht die Fluggesellschaft besonders
unter Druck: Immerhin sollen bis 19. Oktober mehr als 3,3 Milliarden Euro
an über 7,6 Millionen Kund*innen ausbezahlt worden sein. Doch [4][600.000
Erstattungen seien noch offen. Allerdings dürften] wegen des aktuellen
Teillockdowns stetig neue hinzukommen. Und ganz zahnlos sind die Behörden
offenbar nicht: Das Luftfahrtbundesamt (LBA) hat laut Handelsblatt in 21
Fällen gegen Fluggesellschaften Bußgelder verhängt, die Ticketkosten von
coronabedingt stornierten Flügen nicht fristgerecht zurückbezahlt haben.
Air France-KLM hat von Januar bis September [5][erst 2 Millionen Anträge
bearbeitet und 1,1 Milliarden Euro erstattet]. Eine Anfrage der taz, wie
viele Erstattungen noch ausstehen, ließ Air France-KLM offen. Auch zu
Úrsula Ávalos äußerte sich das Unternehmen nicht. Nach den Anfragen der taz
schrieb es schließlich doch, dass das Ticket erstattet werde – und das
Honorar für den Anwalt. Unklar bleibt, ob Air France-KLM nur zahlen will,
weil der Fall in die Öffentlichkeit kam.
5 Nov 2020
## LINKS
[1] http://www.verbraucherzentrale.de/sites/default/files/2020-09/Musterbrief-F…
[2] http://www.verbraucherzentrale.nrw/aktuelle-meldungen/reise-mobilitaet/flug…
[3] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/luftfahrt-schle…
[4] https://www.lufthansa.com/de/de/stornierung-und-erstattung
[5] http://corporate.airfrance.com/en/press-release/book-your-trip-complete-con…
## AUTOREN
Andreas Ruhsert
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