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# taz.de -- Unberechenbarkeit im Fußball: Die Größe eines André Schürrle
> Aufhören, wenn es am schönsten ist. Nicht so leicht im Sport, denn wann
> ist das schon? Manch überraschendes Karriereende zeigt Charakter.
Bild: André Schürrle nach seinem größten Erfolg auf dem Fußballplatz: der …
André Schürrle hat aufgehört. Einfach so, im Sommer schon. Zur Erklärung
sagte er, es reiche ihm jetzt, er brauche keinen Applaus mehr. Und auch,
dass die Tiefen immer tiefer würden, sagte er, und die Höhen immer weniger
hoch.
André Schürrle hatte keine schwerwiegende Verletzung oder sonst einen
physiologischen Grund, jetzt was anderes zu machen: Er wollte bloß, dass es
ihm wieder besser geht. Er hatte seine Frau kennengelernt, war Vater
geworden und dachte sich irgendwann: Fuck it. Ich mach was anderes. Das
erstaunliche an dieser [1][Erklärung] ist, dass sie so selten ist unter
Spitzensportlern.
Gerade auch, weil deren Karrieren immer länger dauern. Früher hieß es, die
Hochzeiten eines Sportlers seien so Ende 20, danach geht es langsam
abwärts. Aber Sportmedizin, Ernährungswissenschaften und all das haben die
Belastungsdauer von Athletenkörpern deutlich verlängert. LeBron James ist
jetzt 35 Jahre alt und hat die zweitbesten Finals seines Lebens gespielt.
Einer, der das möglich gemacht hat, ist sein [2][persönlicher Trainer Mike
Mancias]. Der hat ihm einen umfassenden Lebensentwurf zusammengeschnitten:
spezielle Aufwärmübungen, natürlich einen strikten Ernährungsplan, „quali…
sleep“ und Entspannungstechniken. Es gibt keine Stunde am Tag, an der
LeBron James nicht in erster Linie Basketballer ist: ein kompletter Athlet,
ja wahrscheinlich, aber vor allem: ein totaler.
## Hans Dampf in allen Laufwegen
André Schürrle hatte immer etwas Unkonventionelles an sich, einen
Eigensinn, der ihn an guten Tagen unberechenbar machte. Gerade in den
ersten zwei Jahren in Mainz war sein Spiel ein außergewöhnliches Spektakel.
Es war nicht sonderlich kunstvoll, aber außerordentlich dynamisch und
zielstrebig; Hansdampf in allen Gassen. Die Energie und Überzeugung, mit
der André Schürrle in die freien Räume hineinschoss, und auch die
Selbstverständlichkeit, mit der er sich Schüsse aus 20 Metern nahm: Das
alles war geprägt von einem beinah rührenden Selbstvertrauen.
Es gab etwas hollywoodeskes in seinem Spiel – in entscheidenden Momenten
freudvoll über sich hinauswachsen und damit Erfolg haben. Das ist ein
Spielertyp, den Jogi Löw offenbar mag. So überzeugend, wie André Schürrle
diesen Part gespielt hat, konnte das nur David Odonkor. Der hat 2013 auch
seine Karriere beendet, das Knie. Beiden – und auch Mario Götze – haftete
später an, dass sie Protagonisten in großen Momenten gewesen waren und
danach in einer Art nationaler Wahnvorstellung fortwährend überhöht wurden:
Erwartungen, die sie schlussendlich nicht erfüllten. So rächt sich das
Publikum für die Liebe, die es seinen Helden entgegenbringt.
Es gibt nicht sehr viele männliche Spieler, die aufhören, weil sie keine
Lust mehr haben, weil sie der Fußball ausgesaugt hat. Es sind
interessanterweise recht oft Franzosen, die auf dem sogenannten Höhepunkt
ihrer Karriere abtreten. Etwa [3][Éric Cantona], der nach einem verlorenen
Halbfinale in der Champions League sagte: Nee, reicht jetzt. Sein Vertrag
lief noch ein Jahr, und Alex Ferguson bekniete ihn, doch noch zu bleiben.
Aber Éric Cantona hatte sich schon entschieden. „Ich kann nicht ewig das
gleiche machen, ich langweile mich sehr schnell.“ Das klingt
nachvollziehbarer als alles, was Mike Mancias je gesagt hat.
17 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/sport/andre-schuerrle-beendet-ueberraschend-karriere…
[2] https://thesportsrush.com/nba-news-lebron-james-personal-trainer-meet-mike-…
[3] /Archiv-Suche/!1400130&s=/
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
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